Gesundheitswesen 2024; 86(02): 124-129
DOI: 10.1055/a-2107-4717
Originalarbeit

Reale Dauer der fachärztlichen Weiterbildung in Deutschland – Ergebnisse der KarMed-Studie zehn Jahre nach Approbation

Actual Duration of Postgraduate Training of Medical Residents in Germany: Results of the KarMed Study Ten Years After Physician Licensure
Rüya Daniela Kocalevent
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Vivien Böttcher
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Sigrid Boczor
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Martin Scherer
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Hendrik van den Bussche
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
› Author Affiliations
Funding Information Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland

Zusammenfassung

Hintergrund Für die ärztliche Qualifikation ist zwischen dem Studium und der sich daran anschließenden fachärztlichen Weiterbildung zu unterscheiden Die reale Dauer des Zeitraums zwischen Approbation und fachärztlicher Anerkennung wird in Deutschland derzeit nicht systematisch erfasst.

Ziel der Arbeit Mit dieser Studie soll die reale Dauer der fachärztlichen Weiterbildung in Deutschland untersucht werden. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss der Fachgebietswahl, einer Teilzeittätigkeit sowie der Abitur- und Abschlussnote im Medizinstudium, dem Geschlecht und dem Elternstatus auf die tatsächliche Dauer der fachärztlichen Weiterbildung.

Material und Methoden Datenbasis der KarMed-Studie ist die postalischen Befragung einer Kohorte, die im Jahrgang 2008/09 ihr Praktisches Jahr absolviert hat und anschließend während sieben Messzeitpunkten – zuletzt in 2019 – während ihrer fachärztlicher Weiterbildung begleitet wurde. Ausgewertet wurden Daten, die zum sechsten bzw. siebten Messzeitpunkt, sechs und zehn Jahre nach der Approbation erfasst wurden.

Ergebnisse Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte konnte die fachärztliche Weiterbildung in der Minimalzeit abschließen, dabei hatte die Fachgebietswahl einen signifikanten Einfluss auf die Abschlusshäufigkeiten. Bezüglich der Dauer der fachärztlichen Weiterbildung konnte gezeigt werden, dass insbesondere Ärztinnen nach zehn Jahren zu einem Drittel noch keine Facharztanerkennung erreicht hatten. Dabei hatte der Elternstatus einen signifikanten Effekt in Bezug auf den Abschluss der fachärztlichen Weiterbildung bei Ärztinnen, nicht aber bei Ärzten. Regressionsanalytisch (R²corr=0,03, p<.001) ließ sich zeigen, dass der Stand der Weiterbildung mit der Abschlussnote des Medizinstudiums assoziiert ist (β=.30). Die Zufriedenheit mit der fachärztlichen Weiterbildung wurde von Ärzten höher eingeschätzt wird als von Ärztinnen.

SchlussfolgerungDie Auswertungen der KarMed Studie zeigen, dass weiterhin Nachbesserungsbedarf besteht, damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Ärztinnen gewährleistet werden kann. Zukünftige Studien sollten auch die Untersuchung der Auswahlverfahren der Hochschulen und deren Zusammenhang auf die Dauer der Weiterbildung untersuchen

Abstract

Background Professional qualification as a doctor of medicine includes completion of medical studies and residency. Data on the real duration of residency are currently not assessed systematically in Germany.

Objectives Our study aimed to analyze data on the real length of residency under consideration of area of expertise (specialization), part-time working, grades after school and medical studies, gender, and parenthood of the physicians in residency.

Material and Methods The KarMed Study’s database consists of annual postal surveys throughout the entire residency of medical students, beginning with their “Practical Year” in 2008/2009 until 2019. The study analyzed data six and ten years within this residency period.

Results The majority of the residents was capable of finishing their residency within the minimal time. One significant effect on actual duration of residency was the subject choice. One-third of the female residents had not yet finished their residency after ten years. Partenhood had a significant effect on female residents, but not on male residents. A regression analysis showed (R²corr=0.03, p<0.001) that the duration of residency was associated with the grade received after studying (β=0.30). Male residents were more satisfied with the overall residency then female residents.

Discussion Structural improvement in postgraduate training needs to be adjusted in terms of parental status. Prospective studies should take the selection process of universities into account and examine its association with the time required to complete residency.



Publication History

Article published online:
17 July 2023

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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