Arthritis und Rheuma 2023; 43(06): 423-425
DOI: 10.1055/a-2130-4196
Verbandsnachrichten

Nachrichten der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie

Carl Christoph Goetzke
,
Tatjana Welzel
,
Kirsten Minden

GKJR-Forschungsmeeting 2023 und Pro-AID

Preisträger des GKJR-Forschungsmeetings 2023

Auf der 33. Jahrestagung der GKJR in Leipzig wurden wie in den Vorjahren die beiden besten Beiträge des Forschungsmeetings mit einem Preis ausgezeichnet. Beim wissenschaftlichen Abend der GKJR konnten Carl Christoph Goetzke (Berlin) und Marie-Christin Hoffmann (Homburg/Saar) ihre Urkunden entgegennehmen ([ Abb. 1 ]).

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Abb. 1 Preisträger*innen des Forschungspreises 2023.

Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) hängt mit TGF-β-induzierter Reaktivierung von Epstein-Barr-Virus zusammen

Ein Teil der Kinder und jungen Erwachsenen erkranken 4–8 Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 an einem akuten hyperinflammatorischen Schock, dem sogenannten Pediatric Multisystem Inflammatory Syndrome (PIMS). Dabei kommt es zu einer Expansion spezifischer T-Zellen und der Hochregulierung vieler proinflammatorischer Zytokine.

Um die Pathomechanismen von PIMS zu entschlüsseln, untersuchten wir Patient*innen mit PIMS, die an der Charité Berlin betreut wurden. Mit Hilfe eines Multiplex-Zytokin-Assays wurde die Zytokin-Signatur im Blut dieser Patienten ermittelt. Ähnlich wie in früheren Studien fanden wir hohe Konzentrationen vieler proinflammatorischer Zytokine. Zusätzlich fanden wir, analog zu Patienten, die an schweren COVID-19-Infektionen leiden, auch sehr hohe TGF-β-Serumspiegel bei den PIMS-Patient*innen.

Mit Hilfe von Einzelzellsequenzierung konnten wir aktivierte T-Zellen und Gedächtnis-B-Zellen sowie Monozyten der Patient*innen untersuchen. Diese Zellen weisen eine ausgeprägte TGF-β-Antwort-Signatur auf. Darüber hinaus zeigen die Monozyten eine verminderte Fähigkeit zur Antigenpräsentation. TGF-β im Serum der Patient*innen verhinderte eine zielgerichtete T-Zell-Antwort gegen verschiedene Virusepitope. Durch einen Vergleich mit Virus-spezifischen T-Zellen fanden wir überlappende T-Zell-Rezeptor(TCR)-Repertoires zwischen den für PIMS spezifischen T-Zellen und EBV-spezifischen T-Zellen. T-Zellen von gesunden Spendern mit der PIMS-typischen TCR-V-β-Kette 21.3 konnten EBV-infizierte B-Zellen effektiver eliminieren.

Zusätzlich untersuchten wir serologisch die EBV-Prävalenz der Patient*innen. Die EBV-Prävalenz war gegenüber einer pädiatrischen Vergleichskohorte signifikant höher. Mittels PCR konnten wir häufig eine systemische EBV-Reaktivierung im Blut der PIMS-Patient*innen nachweisen. Neben dem Effekt auf die T-Zellen und Monozyten konnten wir auch zeigen, dass TGF-β im Serum der Patient*innen eine EBV-Reaktivierung begünstigt. Wir zeigen somit die mechanistische Rolle von TGF-β bei der Induktion von Hyperinflammation bei PIMS durch Induktion von Immunzelldysfunktion, die eine Reaktivierung von EBV begünstigt.

Carl Christoph Goetzke, Berlin


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Autoantikörper-vermittelter Interleukin-1-Rezeptorantagonist (IL-1Ra)-Mangel bei Patient*innen mit Still-Syndrom

Die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA) und das Korrelat im Erwachsenenalter Adult-Onset Still’s Disease (AOSD) sind Interleukin-1-vermittelte polygene autoinflammatorische Erkrankungen. In Vorarbeiten hatten wir proinflammatorische Autoantikörper gegen Interleukin-1-Rezeptorantagonist (IL-Ra) bei schwerem COVID-19 und SARS-CoV-2-assoziierten Erkrankungen (MIS-C, Myokarditis) beschrieben, die durch transient auftretende immunogene hyperphosphorylierte Isoformen von IL-1Ra induziert werden. Ziel dieser Arbeit war es, das Vorkommen von Autoantikörpern gegen IL-1Ra im Still-Syndrom zu untersuchen.

Mittels ELISA wurden Blutproben von 63 Patient*innen mit Still-Syndrom (AOSD n = 23; sJIA n = 40, Proben aus Homburg, Münster und Mailand) und 447 als Kontrollen dienenden Patient*innen mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen untersucht.

Anti-IL-1Ra-Antikörper wurden bei 4 von 23 (17,4 %) Patient*innen mit AOSD, bei 8 von 40 (20 %) Patient*innen mit sJIA und bei 6 von 447 (1,3 %) autoimmunen Kontrollproben nachgewiesen. In der isoelektrischen Fokussierung zeigten sich ausschließlich in diesen seropositiven Blutproben eine zusätzliche 3., stärker negative geladene, Bande von IL-1Ra, anstatt der physiologisch vorkommenden 2 Banden. Nach Behandlung dieser Blutproben mit alkalischer Phosphatase ließ sich der Ladungsunterschied zwischen seropositiven und seronegativen Blutproben nicht mehr nachweisen, sodass hier die hyperphosphorylierte IL-1Ra-Isoform als PTM-Neoantigen vorliegt.

Im nativen Western-Blot war in seropositiven Seren neben einer abgeschwächten Bande bei etwa 17 kDA für freies IL-1Ra eine zusätzliche Bande sichtbar, die a. e. einem IL-1Ra-Immunkomplex mit IgG entsprach. Das Vorhandensein dieser Autoantikörper war mit einem signifikant erniedrigten IL-1Ra-Serumspiegel im ELISA assoziiert.

Zusammenfassend wiesen etwa 19 % der Patienten*innen mit Still-Syndrom anti-IL-1Ra-Antikörper auf. Das Vorhandensein dieser Antikörper war mit einer erniedrigten IL-1Ra-Konzentration assoziiert und die Antikörper waren funktionell. Die Autoantikörperbildung war ein transientes Phänomen und auf eine Hyperphosphorylierung des IL-1Ras zurückzuführen.

Marie-Christin Hoffmann, Homburg/Saar


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Pro-AID – Erweiterung von ProKind-Rheuma um autoinflammatorische Erkrankungen

Bei autoinflammatorischen Erkrankungen (AID) kommt es durch Dysregulation des angeborenen Immunsystems zu rezidivierender oder persistierender Inflammation. Neben der mit der AID unmittelbar assoziierten Morbidität kommt es vielfach bei den Kindern/Jugendlichen und ihren Familien zu reduzierter Lebensqualität und eingeschränkter sozialer Partizipation, soziökonomischen Belastungen und negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Eine zeitnahe Diagnose, das Erreichen einer inaktiven Erkrankung durch Krankheitsaktivitäts-angepasste medikamentöse Therapie (Treat-to-Target [T2T]-Prinzip), eine psychosoziale Unterstützung und das Empowerment der Betroffenen sind zentral, um akuter Morbidität, Langzeit-Komplikationen und psychosozialen Belastungen entgegenzuwirken bzw. diese zu verhindern. Um die Früherkennung, Diagnostik und Behandlung dieser Erkrankungen zu verbessern, haben sich Kinderrheumatolog*innen in Arbeitsgruppen der Kommission ProKind der GKJR in einem strukturierten Prozess abgestimmt und Handlungsempfehlungen für ein zielgerichtetes Vorgehen entwickelt. Dabei wurden für definierte AID-Therapieziele standardisierte regelmäßige Beurteilungen der Erkrankungsaktivität und an die jeweilige Krankheitsschwere angepasste, konsensbasierte Therapiewege vorgeschlagen.

Forschungsfragen

Pro-AID ist Teil der aktuellen ProKind-Initiative der GKJR zur Harmonisierung der Therapie rheumatischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen und möchte für AID Folgendes schwerpunktmäßig untersuchen:

  1. Weg zur Diagnose mit assoziierten Belastungen und Identifikation von Defiziten, Schulungsbedarf und bürokratischen Hürden (z. B. Kinderärzte, öffentliche Einrichtungen oder Schulärzte)

  2. Umsetzung der ProKind-Handlungsempfehlungen, Erfassung des Therapie-Outcome und Evaluation möglicher Einflussfaktoren (demografische, sozioökonomische, klinische oder genetische) sowie Betrachtung partizipativer Entscheidungsfindung

  3. Erfassung der Lebensqualität von Betroffenen mit AID und psychosozialer Herausforderungen zur Erarbeitung konkreter Unterstützungsmöglichkeiten


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Dokumentationsablauf

Durch Nutzung etablierter Strukturen der Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher (Kinder-KD) möchte Pro-AID etwa 250 AID-Erkrankte (inzidente und prävalente Fälle) multizentrisch prospektiv über mindestens 2 Jahre standardisiert beobachten. Alle an der Kern-KD teilnehmenden Einrichtungen sind herzlich eingeladen, an Pro-AID mitzuwirken. Potenzielle Studienteilnehmende sind Kinder und Jugendliche (< 18 Jahre) mit AID. Patient*innen mit systemischer juveniler idiopathischer Arthritis und chronischer nicht bakterieller Osteomyelitis sind ausgeschlossen.


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Erhebungsunterlagen

Wir bitten (i) die behandelnden Ärzt*innen, (ii) die Erziehungsberechtigten und (iii) die Patient*innen (≥ 12 Jahre), 2-mal jährlich (idealerweise 6-monatlich) über mindestens 2 Jahre die standardisierten Fragebögen auszufüllen ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 2 Steckbrief Pro-AID-Modul.

In den ärztlichen Fragebögen werden spezifische Angaben zum klinischen Phänotyp und Genotyp, Erfüllen der Klassifikations- und Diagnosekriterien, zur Krankheitsaktivität, der Therapie und dem Therapieansprechen sowie dem Krankheitsmanagement erhoben (z. B. mittels Physician Global Assessment, Composite Score FMF). Die Erziehungsberechtigten und Jugendlichen werden u. a. zum Weg bis zur Diagnose, zu aktuellen Beschwerden, zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen, Behandlung und Zufriedenheit, sowie zur Lebensqualität, familiären Situation und sozioökonomischen Belastung befragt (z. B. unter Verwendung von Pediatric Quality of Life Inventory, Familien-Belastungs-Fragebogen und Juvenile Arthritis Multidimensional Assessment Report). Bei der Fragebogenentwicklung waren Betroffene mit AID, Forschungspartner*innen der Deutschen Rheumaliga sowie Vertreter*innen der Organisation FMF & AID Global Association aktiv eingebunden. In gemeinsamer Zusammenarbeit werden momentan Patienten-Informationsmaterialien ausgearbeitet, die den teilnehmenden Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Die regulatorisch-ethischen Schritte sind eingeleitet. Eine individuelle Kontaktaufnahme mit den Zentren zur Evaluierung möglichen Unterstützungsbedarfs und zu Schulungszwecken wird in Quartal 4 erfolgen. Der Projektstart ist auf Quartal 1 in 2024 geplant.

Die Projektförderung erfolgt durch die Stiftung für Kinder mit Seltenen Erkrankungen „Kindness for Kids“.

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Im geplanten Vorhaben wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der pädiatrischen Rheumatologie/Autoinflammation, der Epidemiologie und Versorgungsforschung sowie Betroffenen und Forschungspartner*innen erfolgen, mit dem Ziel, die Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit AID weiter zu optimieren und damit ihre Prognose und Lebensperspektive zu verbessern.

Tatjana Welzel, Basel und Berlin

Kirsten Minden, Berlin (für die ProKind-AGs CAPS/TRAPS/MKD und FMF)

IMPRESSUM

Verantwortlich für den Inhalt

Martina Niewerth

GKJR-Geschäftsstelle, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum, Berlin


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. Dezember 2023

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