CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(10): 1263-1273
DOI: 10.1055/a-2150-0835
GebFra Science
Original Article

Schlingenexzision für Präkanzerosen der Cervix uteri: Lokalanästhesie oder Narkose?

Article in several languages: English | deutsch
Moritz Freisleben
1   Praxis Dr. Katrin Schäfer, Hennigsdorf, Germany
,
Anja Petzel
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Anne Jülicher
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Anna Jonas
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Janina Betzler
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Natalia Choly
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Esmira Pashayeva
3   Sankt Gertrauden Krankenhaus, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN155840)
,
Jan Porthun
4   NTNU – Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens, Campus Gjøvik, Gjøvik, Norway
,
Thomas Welcker
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Viola Schneider
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
,
Andreas M. Kaufmann
5   Klinik für Gynäkologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, CVK, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN72217)
,
Achim Schneider
2   Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, Germany
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel

Schlingenexzisionen zur Therapie von HSIL oder AIS der Cervix uteri werden in Deutschland fast ausschließlich in Allgemeinnarkose (AA) durchgeführt. Internationale Studien und Leitlinien zeigen eine Präferenz für Lokalanästhesie (LA) aus hermeneutischen, medizinischen und ökonomischen Gründen. Mit dem Ziel, die Alternative der örtlichen Betäubung auch den Frauen im deutschen Gesundheitssystem zukommen zu lassen, führten wir eine vergleichende Beobachtungsstudie durch.

Patientinnen und Methodik

In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurden Patientinnen mit der Diagnose HSIL oder AIS der Cervix uteri im Institut für Zytologie und Dysplasie, Berlin, mittels Schlingenexzision im Jahre 2021 behandelt. Zunächst wurden in einer Machbarkeitsstudie 303 Patientinnen mit der Diagnose einer HSIL/AIS der Cervix uteri und ihr/ihre Kolposkopiker*in mittels eines elektronischen Fragebogens zur Option Schlingenexzision in LA befragt.

Da diese Befragung eine hohe Akzeptanz für LA bei Patientinnen und Kolposkopiker*innen ergab, initiierten wir eine Vergleichsstudie von LA vs. AA: 322 Patientinnen wurden mittels Schlingenexzision behandelt und wählten selbst das Anästhesieverfahren: n = 206 in LA vs. n = 116 in AA. Aus der Machbarkeitsstudie hatten 114 Patientinnen die Indikation zur Schlingenexzision und wurden Teil der Vergleichsstudie (n = 79 für die LA-Gruppe, n = 35 für die AA-Gruppe). Allen Patientinnen wurde ein standardisierter Fragebogen mitgegeben, mit dem der Schmerzscore bei einer visuellen Analogskala (VAS) zwischen 0 und 100 innerhalb von 24 Stunden postoperativ erfasst wurde. 178 Frauen der LA-Gruppe und 80 Frauen der AA-Gruppe beantworteten den postoperativ mitgegebenen Fragebogen und bilden somit die Kohorte für unsere vergleichende Untersuchung. 191 dieser 258 Patientinnen, i. e. 74%, konnten nach einer mittleren Dauer von 1 Jahr postoperativ erneut telefonisch befragt werden. Hierbei wurde die Zufriedenheit und der Rezidivstatus der Patientinnen erfragt und dokumentiert. Wir postulierten, dass sich bezüglich Zufriedenheit und postoperativem Schmerzempfinden zwischen Patientinnen der LA-Gruppe und der AA-Gruppe keine klinisch relevanten signifikanten Unterschiede zeigen würden.

Ergebnisse

In der Machbarkeitsstudie wurden 90% (272 von 303) der Patientinnen mit der Diagnose HSIL oder AIS von Kolposkopiker*innen als geeignet für eine Schlingenexzision in LA angesehen. 75% (227 von 303) der in diesem Rahmen befragten Patientinnen waren offen für eine Operation in LA.

In der Vergleichsstudie wurden 63 von 206 Frauen der LA-Gruppe präoperativ befragt: 89% würden bei der Operation einen Schmerzscore über 20 akzeptieren, 33% einen Schmerzscore über 50 und 11% von maximal 20. Postoperativ wurde von 178 Patientinnen für die Schlingenexzision in LA ein mittlerer Schmerzscore von 13,1, für den Injektionsschmerz der LA ein mittlerer Schmerzscore von 20,9 angegeben (p < 0,001). Schmerzen 20 Minuten nach dem Eingriff in LA (n = 178) versus Narkose (n = 80) unterschieden sich nicht signifikant (p = 0,09). Die Operateur*innen beurteilten die Schmerzempfindung der Patientinnen während der Schlingenexzision in LA signifikant geringer als den Schmerz, der von der Patientin empfunden wurde mit einer Unterschätzung von −14,63 Schmerzpunkten auf der VAS (p < 0,001).

Die Befragung innerhalb von 7 Tagen nach Schlingenexzision bei 178 Frauen der LA-Gruppe erbrachte, dass 95,5% den Eingriff wieder in LA durchführen ließen (8,8% davon mit zusätzlichen Schmerzmitteln) und 4,5% die Vollnarkose wählen würden. Die telefonische Befragung nach einem mittleren Abstand zur OP von 12 Monaten ergab bei 133 Patientinnen der LA-Gruppe, dass 97% der Patientinnen „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit der durchgeführten Behandlung waren. Für Patientinnenzufriedenheit und postoperatives Schmerzempfinden zeigte sich zwischen LA-Gruppe und AA-Gruppe kein signifikanter Unterschied.

Für die Rate an Nachblutungen (6,7% vs. 8,1%, p = 0,72), HSIL/AIS Rezidiven (3,6% vs. 5,2%, p = 0,62) sowie der Verteilung des histopathologischen R-Status (R0 89,5% vs. 81,1%, p = 0,73; R1 5,3% vs. 12,2%, p = 0,57, Rx 4,1% vs. 5,4%, p = 0,65) zeigte sich zwischen der LA-Gruppe versus AA-Gruppe kein signifikanter Unterschied.

Schlussfolgerung

Mehr als 95% der Patientinnen würden wieder die örtliche Betäubung als Anästhesieverfahren wählen, und 97% der Patientinnen zeigten sich auch noch 1 Jahr später zufrieden oder sehr zufrieden mit der Operation in Lokalanästhesie. Das Angebot einer Lokalanästhesie sollte obligat werden und in die entsprechende Leitlinie Aufnahme finden.

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Publication History

Received: 26 May 2023

Accepted after revision: 05 August 2023

Article published online:
14 September 2023

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