Schlüsselwörter CIN - Schlingenexzision - Lokalanästhesie
Einleitung
Circa 100000 Frauen werden in Deutschland jedes Jahr wegen Präkanzerosen an der Cervix
uteri operiert. Hierfür kann die gewebeschonende Schlingenexzision, auch Loop Electrical
Excision
Procedure (LEEP) genannt, sowohl in Lokalanästhesie als auch in Allgemeinanästhesie
durchgeführt werden. Die deutsche Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms enthält
keine Empfehlung
bezüglich der zu verwendenden Anästhesieverfahren (https://register.awmf.org/assets/guidelines/015–027OLl_Praevention_Zervixkarzinom ).
In den Leitlinien der britischen NHS Guidance werden im Kapitel „Colposcopic diagnosis,
treatment and follow up“, Version vom 5. Januar 2023, zur Anästhesiemethode bei Schlingenexzision
folgende Vorgaben gemacht:
„Treatment should be performed with adequate pain control and should include pre-treatment
counselling. Treatment should be offered with local analgesia. Where this is inappropriate,
general
anaesthesia should be offered. Reasons for treating under general anaesthesia should
be recorded in the colposcopy record. The proportion of individuals managed as out-patients
with local
anaesthesia should be at least 85%, with an achievable target of 90%.“
(https://www.gov.uk/government/publications/cervical-screening-programme-and-colposcopy-management/3-colposcopic-diagnosis-treatment-and-follow-up ).
In einer Befragung an deutsche kolposkopierende Gynäkolog*innen per Fragebogen mit
38 Fragen zur klinischen Praxis im Jahre 2018 wurden 160 Antworten analysiert. Die
Entfernung von HSIL der
Cervix uteri wird von 91,2% per Schlingenexzision durchgeführt. 61,2% führen die Schlingenexzision
unter kolposkopischer Sicht durch und 92,5% in Vollnarkose . Die
Autoren fordern, dass „eine einheitliche Vorgehensweise im Rahmen von Richt- oder
Leitlinien detailliert festgelegt werden“ sollte [11 ]. Diese Befragung gibt keine Auskunft über das Verhältnis von LA zu Narkose als Anästhesieverfahren
bei deutschen Patientinnen, macht es aber sehr wahrscheinlich, dass die LA
eher eine Ausnahme darstellt, obwohl es zahlreiche internationale Studien gibt, welche
die Vorteile der LA zeigen und sie als die bessere Anästhesieform für die Mehrzahl
der Patientinnen
empfehlen (s. Diskussion).
In einer systematischen Analyse von 33 Studien über diagnostische und therapeutische
Interventionen mit 5935 Frauen wird geschlussfolgert, dass LEEP/LLETZ unter LA und
unter kolposkopischer
Vergrößerung erfolgen sollte [22 ].
In Deutschland erfolgte bisher eine vergleichende Evaluation der Zufriedenheit zwischen
beiden Anästhesieformen bei Schlingenexzision, die keinen signifikanten Unterschied
zeigt [33 ] (s. auch in Diskussion).
In unserer Studie führten wir neben der Evaluation der Akzeptanz und der Behandlungszufriedenheit
auch die differenzierte Messung der Schmerzintensität der Schlingenexzision in
Allgemeinanästhesie vs. Lokalanästhesie durch.
Wir zeigen, dass die Operation in Lokalanästhesie von den Patientinnen als schmerzarm
und wenig belastend empfunden und gerne angenommen wird.
Patientinnen und Methoden
Patientinnen und Methoden
In der Machbarkeitsstudie wurden 303 Patientinnen, bei denen sich im Jahr 2021 die Diagnose einer HSIL der
Cervix uteri ergab, mittels eines elektronischen
Fragebogens direkt in Anschluss an die kolposkopische Untersuchung inklusive Biopsie
der Portio befragt ([Abb. 1Abb. 1 ]). Sie wurden
darüber aufgeklärt, dass im Falle einer notwendigen Operation ihrer Dysplasie 2 verschiedene
Anästhesieverfahren zur Verfügung stünden, AA oder LA, und beide Verfahren wurden
den Patientinnen
dabei erläutert. Zudem wurde durch die Kolposkopiker*innen anhand der Persönlichkeit
der Patientin, der Anatomie des unteren Genitaltraktes sowie der Ausdehnung der Präkanzerose
und dem evtl.
Vorliegen von Begleiterkrankungen die Frage evaluiert, bei wie vielen dieser Patientinnen
eine Operation in Lokalanästhesie möglich erschiene.
Abb. 1
Abb. 1
Individuelle Beurteilung der Kontraindikationen für Lokalanästhesie durch die behandelnden
Kolposkopiker*innen. Umfrage mittels eines elektronischen Fragebogens bei
behandelnden Kolposkopiker*innen zu klinischen und psychischen Kontraindikationen
einer operativen Therapie der HSIL in Lokalanästhesie ihrer Patientinnen (n = 303).
In der dann folgenden Vergleichsstudie LA versus AA wurden 322 Patientinnen, die im Jahr 2021 im Institut für Zytologie
und Dysplasie Berlin (IZD) mittels
Schlingenexzision behandelt wurden, in diese prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen
([Abb. 2Abb. 2 ]).
Abb. 2
Abb. 2
Zusammensetzung der Kohorten für Machbarkeitsstudie und Vergleichsstudie.
Alle eingeschlossenen Patientinnen waren dabei offen für beide Anästhesieverfahren.
Die Zuteilung der Patientinnen in eine der beiden Gruppen erfolgte danach nicht randomisiert,
sondern nach
zeitlicher, räumlicher oder persönlicher Präferenz der Patientin. Dabei wurde die
Operation bei 206 Patientinnen in Lokalanästhesie und bei 116 Patientinnen in Narkose
durchgeführt. Die
Operationen erfolgten durch A. P., A. Jo., A. Jü., J. B., N. C. oder A. S. Da die
Durchführung der Operation in LA potenziell schwierig ist (angespannte Patientin,
eingeschränktes Blickfeld) war
die Erfahrung von mindestens 100 Schlingenexzisionen Voraussetzung für die Studienmitwirkung.
114 von 303 Patientinnen aus der Machbarkeitsstudie, bei denen die Indikation zur
operativen Therapie bestand, wurden in die Vergleichsstudie mit eingeschlossen. 79
davon gingen in die
LA-Gruppe, 35 in die AA-Gruppe ([Abb. 2Abb. 2 ]).
258 der 322 Patientinnen der Vergleichsstudie (86% in der LA-Gruppe i. e. n = 178
vs. 68% i. e. n = 80 in der AA-Gruppe) beantworteten den postoperativ mitgegebenen
Fragebogen, schickten
diesen per Post zurück und wurden nachbeobachtet ([Abb. 2Abb. 2 ]). 191 dieser 258 (74%) Patientinnen konnten nach einer mittleren Dauer von
12 Monaten nach der Operation erneut telefonisch zu ihrer Behandlungszufriedenheit
sowie zum Rezidivstatus befragt werden ([Abb. 2Abb. 2 ]).
Die Schmerzskala im Fragebogen für die Patientinnen in der Vergleichsstudie war bereits
im Rahmen der Machbarkeitsstudie validiert und als geeignet angesehen worden. Die
Ethikkommission hatte
den Fragebogen beurteilt und akzeptiert.
Methoden der Anästhesie
Bei den Patientinnen mit Lokalanästhesie wurden 20 ml 1%ige Mepivacain-Lösung subepithelial
in die Cervix uteri injiziert. Diese erfolgte standardisiert wahlweise bei 3 und 9
Uhr oder bei
3, 6, 9 und 12 Uhr in SSL und wurde jeweils dokumentiert.
Die Allgemeinnarkose erfolgte bei allen Patientinnen mit Propofol sowie einem ultrakurz
wirksamen Opioid i. v. und mit Larynxmaske.
Alle Patientinnen erhielten 1 Stunde vor OP 600 mg Ibuprofen oral.
Methoden der Datenerhebung
Alle Frauen erhielten einen postoperativen Fragebogen, mit dem die Schmerzempfindung
in regelmäßigen zeitlichen Abständen mittels 10 cm visueller 101-Punkt-Analogskala
erfasst wurde. Die
VAS wird alternativ zur NRS-Skala mit vergleichbarer Wertigkeit verwendet [44 ]
[55 ].
Zudem wurde die Frage nach der präferierten Anästhesieform im Falle einer erneuten
Schlingenexzision schriftlich festgehalten.
Die Zufriedenheit der Patientinnen mit der Behandlung wurde nicht direkt postoperativ
evaluiert, da die Patientinnen der AA-Gruppe noch unter dem Einfluss der Narkose standen.
Zudem
sollten neben dem direkten Schmerzereignis auch der Behandlungserfolg (Nachblutung,
Rezidiv, postoperative Komplikationen) in die Bewertung der Zufriedenheit mit einfließen.
Hierzu ist ein
entsprechendes Zeitintervall notwendig und wir erfragten daher die Zufriedenheit mit
der durchgeführten Behandlung nach einem Intervall von 12 Monaten mittels einer 4-stufigen
Likert-Skala. Da
die Befragung der Gesamtzufriedenheit nach 12 Monaten telefonisch erfolgte, war es
praktikabler, eine Likert-Skala anstatt einer mehr differenzierten 10-cm-VAS zu verwenden.
Mit der 4-stufigen
Likert-Skala kann die Patientin in „zufrieden“ (sehr zufrieden, zufrieden) oder „unzufrieden“
(weniger zufrieden oder gar nicht zufrieden) kategorisieren.
Um die Gründe für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zu ermitteln, wurde im Fragebogen
die offene Frage inkludiert, ob und welche Verbesserungsvorschläge die Patientinnen
haben. Die
Ergebnisse sind erfasst und äußerst mannigfaltig und daher nicht in dieser Publikation
gelistet.
Alle Operateur*innen und Anästhesist*innen dokumentierten die Operation und Komplikationen
peri- und unmittelbar postoperativ.
(s. Online-Appendix).
Operationstechnik
Die Operationsaufklärung erfolgte immer durch die operierende Ärztin bzw. den operierenden
Arzt mittels gleicher Aufklärungsbogen in beiden Gruppen. Alle Behandler*innen führten
Aufklärungen in beiden Gruppen durch. Die Ärztin/der Arzt, die bei der Patientin die
primäre Abklärungskolposkopie durchgeführt hatten, operierten dann auch die jeweilige
Patientin. Dadurch
war eine vertrauensvolle Betreuung gewährleistet. Präoperativ gab es für alle Patientinnen
die Möglichkeit, offene Fragen mit dem Operateur/der Operateurin zu klären. Intraoperativ
hatten die
Patientinnen der LA-Gruppe, wenn gewünscht, die Möglichkeit, die Operation über einen
Monitor zu verfolgen oder sich an einem Deckenmonitor durch ein Video (Flora und Fauna
aus verschiedenen
Regionen der Welt) abzulenken und/oder über Kopfhörer Audios einzuspielen. Die zur
Verfügung stehenden Operationsinstrumente (Schnabelspekula/CO2 -Laser/Schlingen/Sprühkoagulation)
waren für beide Gruppen identisch. Die Einstellung und Fixierung der Portio erfolgte
mittels Schnabelspekulum, sodass die Portio nie mittels Kugelzange angehakt wurde.
Postoperativ wurden die
Patientinnen durch Pflegepersonal und Operateur/-in überwacht und vor Entlassung durch
den Operateur/die Operateurin über den OP-Verlauf und das weitere Vorgehen informiert.
Der OP-Bericht und
ein Merkblatt über das künftige Verhalten wurden der Patientin mitgegeben. Die weitere
postoperative Behandlung der Patientinnen erfolgte durch die zuweisenden Ärztinnen/Ärzte
ca. 14 Tage
postoperativ. Alle Patientinnen erhielten eine 24-h-Notfalltelefonnummer für den Fall
von postoperativen Komplikationen. Die Operationen in LA erfolgten immer ohne anästhesiologischen
Hintergrund und die Möglichkeit, auf eine AA umzusteigen.
Alle Frauen wurden über die Studie aufgeklärt und dokumentierten ihre Teilnahme in
einem Aufklärungsdokument durch Unterschrift. Die Studie wurde durch die Ethikkommission
Charité
Universitätsmedizin Berlin (Antragsnummer EA2/018/21) genehmigt.
Einschlusskriterien
Jede Patientin, die im MVZ Fürstenbergkarree oder GVZ Kreuzberg wegen einer Präkanzerose
am Gebärmutterhals operiert wurde und der Datenerhebung zustimmte.
Ausschlusskriterien
Patientinnen, die nicht den zugesandten Fragebogen beantworten wollten.
Patientinnen, die aufgrund einer anatomischen oder krankheitsbedingten Besonderheit
nur für eine der beiden Vergleichsgruppen in Frage kamen. Hierzu zählten: Z. n. Brachytherapie,
ausgeprägte Vaginalstenose und damit Zervix nicht einstellbar, Allergie gegen Lokalanästhetika,
Patientinnen mit Angststörung oder Gewalterfahrung oder Kontraindikation gegen AA.
Die beschriebenen Kriterien sind Erfahrungswerte und nicht evidenzbasiert.
Das mittlere Alter der Patientinnen wurde evaluiert.
Bildungsstand, Ethnizität und BMI wurden nicht dokumentiert. Komorbiditäten werden
in der digitalen Karteikarte erfasst, wurden aber für diese Studie nicht separat dokumentiert.
Das Volumen des Exzidates wurde nach Archimedes gemessen oder anhand der verwendeten
Schlingengröße geschätzt. Die Operationszeit wurde vom Operateur/-in abzüglich der
Zeit, die für eine
Endozervikoskopie/Hysteroskopie notwendig war, geschätzt. Sowohl die Applikation der
LA als auch Ein- und Ausleitung der AA wurden mit eingerechnet. Der intraoperative
Blutverlust wurde
geschätzt. Es erfolgte keine prä- und/oder postoperative Hb-Kontrolle.
Statistische Analyse
Die Hypothese lautete: Die Patientinnenzufriedenheit ist in beiden Gruppen annähernd
gleich verteilt und das postoperative Schmerzempfinden unterscheidet sich nicht signifikant.
Um einen
möglichen Unterschied dahingehend zu zeigen, dass in der LA-Gruppe deutlich mehr Patientinnen
die Behandlungszufriedenheit mit „weniger oder gar nicht zufrieden“ angeben als in
der
Allgemeinanästhesiegruppe, ergibt sich über die SAS-Funktion proc power, bei einem
alpha von 0,05, eine Gesamtfallzahl von insgesamt 117 Patientinnen, um eine Power
von 85% zu gewährleisten.
Da es keine Vorstudien gab, kalkulierten wir mit einer Drop-out-Rate von 40%.
Die Schmerzempfindungen wurden mittels visueller Analogskala von 0 bis 100 gemesssen.
Für den Vergleich der Schmerzempfindung zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen
der Lokalanästhesie
und Allgemeinanästhesiegruppe wurden jeweils t-Tests für unabhängige Stichproben verwendet.
Die Patientinnenzufriedenheit wurde mittels einer 4-stufigen Likert-Skala erhoben.
Für den Vergleich der Behandlungszufriedenheit sowie des histopathologischen Kriteriums
des Resektionsrandstatus und der klinischen Rezidivhäufigkeiten beider Gruppen wurde
der nicht
parametrische Mann-Whitney U-Test verwendet. Als Signifikanzniveau wurde p = 0,05
angenommen. Zur statistischen Analyse wurde die Software SPSS genutzt (IBM Corp. Released
2021. IBM SPSS
Statistics for Windows, Version 28.0. Armonk, NY: IBM Corp.).
Ergebnisse
Ergebnisse der Machbarkeitsstudie
In der Machbarkeitsstudie ergab die ärztliche Beurteilung von 303 Patientinnen mit
potenzieller Indikation zur Schlingenexzision, dass für 92% der Patientinnen die Lokalanästhesie
in Frage
kommt. Bei 4% der Patientinnen ließen die anatomischen Bedingungen eine Narkose vorteilhaft
erscheinen und bei weiteren 4% der Frauen stand die psychische Konstellation einem
Eingriff bei
Bewusstsein entgegen ([Abb. 1Abb. 1 ]).
Die Befragung der Patientinnen ergab, dass 25 % (76 von 300) der Patientinnen sich
nur in Vollnarkose operieren lassen würden. 15% (45 von 300) der Patientinnen gaben
an, dass sie sich nur
in Lokalanästhesie operieren lassen würden und 60% (182 von 300) gaben an, keine Präferenz
für eine der beiden Anästhesieverfahren zu haben. Damit zeigten sich insgesamt ca.
75% (227 von 303)
der befragten Patientinnen offen für eine Operation in Lokalanästhesie.
Ergebnisse der prospektiven therapeutischen Vergleichsstudie
In der Vergleichsstudie LA versus AA wurden Patientinnen präoperativ befragt, welche
Schmerzintensität auf der VAS-Skala 0–100 für sie bei der Schlingenexzision in LA
noch akzeptabel wäre.
63 von 178 Frauen beantworteten diese Frage, und ein Mittelwert von 37 wurde berechnet
bei einem Median von 30 ([Abb. 3Abb. 3 ]). 20% der
Frauen würden eine Schmerzintensität von über 50 akzeptieren und alle Frauen sahen
einen Schmerzscore bis 10 als normal an.
Abb. 3
Abb. 3
Präoperativ erfragter, maximal tolerierbarer Schmerz während der OP in Lokalanästhesie.
Häufigkeitsverteilung der individuellen präoperativen Angabe des für die
Patientin maximal tolerierbaren Schmerzes während der Operation in Lokalanästhesie
von in Lokalanästhesie operierten Patientinnen (n = 63) auf einer Skala von 1 bis
100. Befragung durch
die Behandler*innen.
178 Patientinnen der in Lokalanästhesie operierten Patientinnen dokumentierten im
postoperativen Fragebogen sowohl den Injektionsschmerz der LA als auch den Schmerz
bei der
Schlingenexzision. Es zeigte sich, dass die Injektion im Vergleich zur Schlinge als
doppelt so schmerzhaft empfunden wurde: 20,9 versus 13,1 (mittlere Differenz 7,8 [95%-KI
[3,9;11,7]) im
mittleren Schmerzscore (p < 0,001) ([Abb. 4Abb. 4 ]).
Abb. 4
Abb. 4
Postoperativ erfragter Injektionsschmerz und OP-Schmerz. Vergleich des subjektiv empfundenen
Schmerzes während der Injektion des Lokalanästhetikums versus den
subjektiv empfundenen Schmerz während der Schlingenexzision, Laserbehandlung und Blutstillung
von in Lokalanästhesie operierter Patientinnen (n = 178) mittels t-test für unabhängige
Stichproben. Befragung mittels eines postoperativen Fragebogens.
Primäre Endpunkte
Die Befragung zum Vergleich LA (n = 178) versus AA (n = 80) wurde zu verschiedenen
Zeitpunkten nach dem Eingriff durchgeführt. Dabei zeigt sich für 20 Minuten post operationem
eine
mittlere Schmerzintensität von 10 (Mittelwerte LA 9,3 vs. Mittelwert AA 13,2 95% (mittlere
Differenz −3,9 [95%-KI [−8,3;0,6]; p = 0,09) im Schmerzscore und damit kein signifikanter
Unterschied
zwischen beiden Verfahren ([Abb. 5Abb. 5 ]). Auch nach 2, 4, 6, 12 und 24 Stunden zeigten sich keine signifikanten Unterschiede
der
jeweiligen mittleren Schmerzintensitäten beider Gruppen: 10 vs. 14 (mittlere Differenz
−3,7 [95%-KI [−8,4;0,99] p = 0,12), 8,0 vs.10,6 (mittlere Differenz −2,5 [95%-KI [−6,2;1,1]
(p = 0,17),
8,0 vs. 9,4 (mittlere Differenz −1,3 [95%-KI [−4,9;2,2] p = 0,45), 6,7 vs. 6,9 (mittlere
Differenz −0,3 [95%-KI [−3,6;3,1] p = 0,87) und 4,8 vs. 4,7 (mittlere Differenz 0,01
[95%-KI [−2,5;2,7]
p = 0,94) auf der VAS.
Abb. 5
Abb. 5
Vergleich der angegebenen Schmerzstärken 20 Minuten postoperativ LA-Gruppe versus
AA-Gruppe. Darstellung der 20 Minuten postoperativ angegebenen Schmerzstärke von in
Lokalanästhesie operierten Patientinnen (n = 178) versus in Allgemeinanästhesie operierte
Patientinnen (n = 80) mit einer HSIL. Vergleich mittels t-test für unabhängige Stichproben.
Postoperative Befragung mittels Fragebogen.
In der Gruppe der Lokalanästhesie gaben 26,4% (47/178) der Patientinnen an, in den
ersten 24 h postoperativ weitere Analgetika der WHO-Stufe 1 eingenommen zu haben.
In der Gruppe der
Allgemeinanästhesie gaben dies 23,8% (19/80) an (p = 0,83). In der AA-Gruppe erhielten
zudem 8,8% (7/80) postoperativ Analgetika im Aufwachraum.
Das Schmerzempfinden während des gesamten Eingriffes wurde sowohl von der Patientin
als auch vom Operateur*in beurteilt und dokumentiert. Für die Patientin lag der Mittelwert
des
Schmerzscores bei 20, während die/der Operateur*in die Schmerzen mehr als nur halb
so stark nachvollzog und der mittlere Schmerzscore bei 6 lag ([Abb. 6Abb. 6 ]). Dieser Unterschied ist signifikant mit einem Mittelwert der Schmerzunterschätzung
durch den/die Operateur*in von −14,63 [95%-KI [11,5;17,8] Schmerzpunkten auf der
VAS (p < 0,001).
Abb. 6
Abb. 6
Vermuteter vs. real empfundenen Schmerz während der Operation. Diskrepanz der durch
die Behandler*innen vermuteten und tatsächlich durch die Patientin empfundenen
Schmerzintensität von in Lokalanästhesie operierter Patientinnen (n = 178). Postoperative
Befragung der Patientinnen sowie der Behandler*innen mittels Fragebogen. Vergleich
mittels t-test
für unabhängige Stichproben.
Die Befragung der LA-Gruppe innerhalb einer Woche post operationem ergab, dass sich
95,5% der Frauen eine erneute Schlingenexzision in LA wünschen würden, davon 8,8%
mit zusätzlichem
Schmerzmittel, und 4,5% würden eine Vollnarkose wählen ([Abb. 7Abb. 7 ]).
Abb. 7
Abb. 7
Erwünschter Betäubungsmodus im Falle der Notwendigkeit eines erneuten Eingriffes in
LA-Gruppe. Häufigkeitsverteilung der Antworten auf die Frage, welches
Betäubungsverfahren die Patientin im Falle einer erneut notwendigen Operation einer
HSIL wählen würde. Postoperative Befragung mittels Fragebogen von in Lokalanästhesie
operierter
Patientinnen innerhalb von 7 Tagen postoperativ (n = 178).
Die telefonische Befragung der Patientinnen ca. 12 Monate postoperativ von 191 Patientinnen
nach der Behandlungszufriedenheit ergab, dass sowohl in der LA-Gruppe als auch in
der AA-Gruppe
97% (96,9% vs. 96,5%) der Patientinnen „sehr zufrieden oder zufrieden“ mit der Behandlung
waren (p = 0,44) ([Abb. 8Abb. 8 ]).
Abb. 8
Abb. 8
Behandlungszufriedenheit nach einer mittleren postoperativen Nachbeobachtung von 12
Monaten LA-Gruppe versus AA-Gruppe. Erhebung mittels eines telefonischen
Fragebogens. Vergleich beider Gruppen (LA n = 133 vs. AA n = 58) mittels eines nicht
parametrischen Mann-Whitney-Tests (n = 191).
Weitere Ergebnisse
Der Vergleich des histopathologischen R-Status des Exzidates der HSIL oder AIS (R0
89,5% vs. 81,1%, p = 0,73; R1 5,3% vs. 12,2%, p = 0,06, Rx 4,1% vs. 5,4%, p = 0,65)
sowie der Vergleich
der Rezidivhäufigkeiten nach 12 Monaten (3,6% vs. 5,2%, p = 0,62) ergab keinen signifikanten
Unterschied für beide Anästhesieverfahren (jeweils LA vs. AA) ([Abb. 9Abb. 9 ] und [Abb. 10Abb. 10 ]).
Abb. 9
Abb. 9
Histopathologischer R-Status des Exzidates für LA-Gruppe (n = 178) versus AA-Gruppe
(n = 80). Vergleich beider Gruppen (LA vs. AA) bezüglich des histopathologischen
R-Status. R0 = kranialer Resektionsrand frei, RX = Resektionsrand unklar, R1 = HSIL/AIS
bis in den kranialen Resektionsrand (n = 258).
Abb. 10
Abb. 10
Rezidivhäufigkeit nach einer mittleren postoperativen Nachbeobachtung von 12 Monaten
für LA-Gruppe versus AA-Gruppe. Vergleich Rezidiv/Persistenzhäufigkeit einer
Dysplasie der operierten Patientinnen nach ca. 12 Monaten. Erhebung mittels telefonischen
Fragebogens. Vergleich beider Gruppen (LA n = 133 vs. AA n = 58) mittels eines nicht
parametrischen Mann-Whitney-Tests (n = 191).
Auch die Rate der Nachblutungen war in beiden Gruppen gleich verteilt (LA-Gruppe:
6,7%, AA-Gruppe: 8,1%; p = 0,72).
Für mittleres Volumen des Exzidates für LA 1,02 (0,2–1,8) cm3 versus AA 1,125 (0,9–1,5) cm3 ,Operationszeit inklusive LA-Applikation bzw. AA-Einleitung und- Ausleitung
23,5 (17–30) versus 20 (15–33) Minuten und intraoperativem Blutverlust für LA 2,4
(0–20) versus AA 2,2 (0–15) ml zeigte sich für beide Gruppen kein signifikanter Unterschied.
Die Schmerzempfindung während der Operation nach wahlweise 2 oder 4 Injektionen in
die Cervix uteri unterschied sich nicht signifikant (mittlerer Schmerzscore nach 2
Injektionen 15,2 vs.
nach 4 Injektionen 12,4 (mittlere Differenz 2,83 [95%-KI [−0,14;0,45] p = 0,3]).
Das mittlere Alter betrug in der AA-Gruppe 44 Jahre, in der LA-Gruppe 42 Jahre und
unterschied sich nicht signifikant (mittlere Differenz −2,78 [95%-KI [−0,44,6;0,11]
p = 0,23).
Ernsthafte Komplikationen durch die unterschiedlichen Anästhesieformen traten nicht
auf. In der AA-Gruppe kam es 3-mal zu postoperativem Erbrechen, in der LA-Gruppe einmalig
zu einer
kurzen Tachykardie.
Zusammenfassend konnten wir auf Grundlage unserer vergleichenden Daten zu Patientinnenzufriedenheit
und postoperativem Schmerzempfinden zeigen, dass zwischen der LA-Gruppe und AA-Gruppe
keine signifikanten klinisch relevanten Unterschiede bezüglich der von uns untersuchten
Parameter bestanden.
Diskussion
Die Entwicklung der Lokalanästhesie für die operative Sanierung von Läsionen an der Cervix uteri hatte einen „holprigen“
Start und war initial für die Patientinnen
mit Schmerzen und Krämpfen verbunden: In einer amerikanischen Studie wurde in einer
prospektiven klinischen Studie LOOP (i. e. Schlingenexzision) bei 77 Patientinnen
mit intramukosaler oder
parazervikaler LA durchgeführt. Für einen Schmerzscore von 0 bis 10 lag der mediane
Score bei 4 versus 3 und der Score für Krämpfe bei 2 versus 3 (n. s.). 89,6% der Patientinnen
verspürten
Schmerzen, 64,9% berichteten über Krämpfe [66 ].
Auch der Einsatz von Vasokonstriktoren führte zu erheblichen Nebenwirkungen: In einer
englischen Studie wurde deren Kombination von Lokalanästhetika bei Large Loop Excision
of the
Transformation Zone (LLETZ) angewandt: Prilocain/Felypressin (n = 50) wurde mit Lignocain/Adrenalin
(n = 60) verglichen. Beide Kombinationen wurden als sicher und effektiv beurteilt,
und die
folgenden Parameter unterschieden sich nicht signifikant: keine Schmerzen (86% vs.
88%), OP-Zeit ≤ 5 Minuten (72% vs. 78%), Schwindel oder Übelkeit (10% vs. 11,6%).
Unterschiede zeigten sich für
keine Blutung mit 68 versus 80% und mit Zittern (32% vs. 82%). Letzteres führte zu
Verwirrung und Stress. Es wurde in dieser Publikation angeregt, eine weitere Studie
durchzuführen, bei der das
Zittern vermieden werden sollte [77 ].
In einer schottischen Studie wurde bei 40 Patientinnen LLETZ unter LA mit 4 ml Prilocain
30 mg/ml mit Felypressin 0,03 Units/ml (Citanest mit Octapressin) durchgeführt. Der
LAP-Schmerzscore
bis 100 mm wurde für 24 Stunden in einem Fragebogen in unterschiedlichen Zeitabständen
evaluiert. Von den Patientinnen gaben 28%–35% einen Schmerzscore von mehr als 30 mm
an, was bei 33% noch
mindestens 4 Stunden andauerte. Die Autoren folgerten, dass dies zu einer verminderten
Akzeptanz von LA für LLETZ und verminderter Compliance für die Nachkontrollen führen
kann [88 ].
Nach erfolgter Etablierung der Lokalanästhesie als valide Alternative wurde in mehreren
internationalen Studien ein Vergleich mit der Allgemeinnarkose im Hinblick
auf Morbidität, kompletter Entfernung der Läsion sowie Risiko der Re-Operation geführt
und für die untersuchten Parameter keine Nachteile der LA gefunden: Eine australische
Studie verglich
morphologische Parameter und Morbidität bei 465 Frauen nach LLETZ, von denen 33% unter
Narkose operiert und 15% unter LA operiert wurden (von 52% war das Anästhesieverfahren
nicht dokumentiert).
Der Resektionsstatus sowie Größe des Resektates und perioperative Morbidität unterschieden
sich nicht zwischen den Anästhesieverfahren [99 ].
In einem Kommentar zu obiger Studie in derselben Zeitschrift berichtete ein Kolposkopiker,
dass er über 1000 LOOP-Eingriffe in LA durchführte mit einer R1-Rate von 12%. Nach
dem Eingriff in
LA wollte keine einzige Patientin den Eingriff in der Klinik in Narkose. Die Kosten
lagen bei 400 versus 1796 australischen Dollar, was zu einer Einsparung in Höhe von
75–85% führte [1010 ].
Für das deutsche Gesundheitswesen liegen keine ökonomischen Vergleichswerte vor. Die
Vergütung durch die Krankenkassen über EBM oder GOÄ ist für beide Operationsverfahren
identisch, bei LA
fallen für die Narkose nach EBM ca. 150 Euro und nach GOÄ ca. 420 Euro weg. Es muss
aber eine Kostenträgerrechnung erstellt werden, wenn man den ökonomischen Aufwand
beider Verfahren miteinander
vergleichen möchte.
Eine Studie aus Irland verglich 829 Frauen mit LLETZ unter LA versus 136 Frauen unter
Narkose, wovon 46 wegen einem weiteren pathologischen Befund eine Narkose brauchten,
56 Frauen wegen
anatomischer Probleme durch die Kolposkopiker als narkosepflichtig angesehen wurden
und 34 Frauen eine Narkose wünschten. Während der 3-jährigen Studiendauer halbierte
sich die Rate der Frauen,
bei denen eine Vollnarkose empfohlen wurde. Die Rate an kompletter Entfernung der
Präkanzerosen war zwischen den LA- und Narkose-Patientinnen gleich. Die Autoren folgerten,
dass die Narkose für
LLETZ nur selten zu einer Verbesserung der diagnostischen oder therapeutischen Qualitätsindikatoren
führe. Die Kategorisierung der Patientinnen mit Narkose in 3 Gruppen könnte dazu genutzt
werden, um die Anzahl der LLETZ in LA zu erhöhen [1111 ].
In einer prospektiven französischen Beobachtungsstudie wurde der Einfluss von LA (n = 30)
versus Narkose oder Spinalanästhesie (n = 70) auf die Größe des Exzidates nach LOOP
untersucht. Das
formalinfixierte Exzidat hatte eine Höhe von 8,8 mm versus 11,2 mm (p = 0,002) und
ein Volumen von 1,6 ml versus 2,3 ml (p = 0,01). Die R1-Rate lag endozervikal bei
27% versus 14%, was
statistisch nicht unterschiedlich war. Die Autoren folgerten, dass LA die Größe des
LEEP-Exzidates (LEEP: Loop Electrosurgical Excision Procedure) reduziert, ohne negativen
Einfluss auf die Rate
an In-sano-Resektionen zu haben [1212 ].
Eine weitere australische Studie verglich 93 Patientinnen mit ambulanter LEEP in Lokalanästhesie
versus 52 Patientinnen, die stationär eine LEEP in Narkose erhielten. Die Rate an
R0-Resektionen und postoperativen Schmerzen oder Angst unterschieden sich nicht signifikant
zwischen beiden Gruppen. Die ambulante Operation wurde signifikant als zufriedenstellender
beurteilt,
war aber signifikant mit mehr intraoperativem Schmerzen verbunden. Die Autoren folgerten,
dass die Angst vor der Operation reduziert werden sollte, da dies auch das Schmerzempfinden
vermindert
[1313 ].
In einer Studie aus Israel wurden die Raten an R1-Resektionen und persistierender
Dysplasie zwischen LEEP unter Narkose (n = 71) versus LA (n = 75) in einer retrospektiven
Kohortenstudie
verglichen. Der Anteil an R1-Resektionen endo- oder ektozervikal war nicht signifikant
unterschiedlich für Narkose versus LA (jeweils 22,5% vs. 21,3% und 19,7% vs. 14,7%).
Gleiches gilt für die
Diagnose einer HSIL in den ersten 2 Jahren nach LEEP mittels Biopsie (4,2% vs. 1,3%)
oder Re-LEEP (7,0% vs. 9,3%). Die Autoren folgern, dass für LEEP LA das Anästhesieverfahren
der Wahl sein
sollte [1414 ].
Langzeitdaten zur Sicherheit der Schlingenexzision liegen aus einer Studie aus England
vor: Es wurden prospektiv zytologische und histologische Befunde für HSIL abhängig
vom R-Status bei 967
Patientinnen bis zu 5 Jahre nach LLETZ in LA untersucht. 42% der Patientinnen hatten
einen R1-Status, der bei CIN 3 versus CIN 2 signifikant häufiger auftrat. Abnormale
zytologische Befunde
traten am häufigsten nach 12 Monaten auf (16%), was unabhängig vom Schweregrad der
CIN oder vom R-Status war. Die histologische Diagnose eines Rezidivs oder einer Persistenz
war auch nach 12
Monaten am häufigsten (15%), jedoch signifikant assoziiert mit dem Schweregrad der
CIN oder dem R-Status. Die Autoren folgerten, dass die Durchführung der LLETZ für
HSIL als ambulante OP unter
LA sicher, kostenreduzierend sowie therapeutisch effektiv ist [1515 ].
Eine aktuelle türkische Studie untersuchte prospektiv randomisiert die postoperativen
Schmerzen bei 123 Frauen nach LEEP in LA versus 121 Frauen in AA. 1, 2 und 4 Stunden
postoperativ zeigte
sich kein signifikanter Unterschied im subjektiven und objektiven Schmerzempfinden.
Das mediane Volumen des Exzidates lag bei 2,0 cm3 in der LA-Gruppe versus 2,4 cm3 in der
AA-Gruppe. Bezüglich R-Status, Re-Operation, OP-Zeit und Blutverlust zeigten beide
Verfahren keinen signifikanten Unterschied [1616 ].
Interessanterweise wurden in diesen Studien hauptsächlich morphologische Qualitätsparameter
untersucht und nur in 2 Analysen auch die Zufriedenheit der Patientinnen erfragt.
Hermeneutische Qualitätsparameter sind aber gerade aus Sicht der Patientin von großer Bedeutung und standen daher in
unserer Studie im Mittelpunkt.
In einer deutschen randomisierten Studie wurde die Patientinnenzufriedenheit in Lokal-
und Allgemeinnarkose unmittelbar und 14 Tage nach erfolgter LEEP gemessen. Direkt
postoperativ zeigte
sich hierbei kein Unterschied (Likert-Skala 100 [80–100] vs. 100 [90–100], p = 0,079).
Nach 14 Tagen war die Zufriedenheit in der LA-Gruppe größer (Likert-Skala 100 [90–100]
vs. 100 [80–100],
p = 0,026) Die entfernten Gewebevolumina waren für LA signifikant kleiner (1,11 cm3 vs. 1,58 cm3 ; p < 0,001) bei nicht signifikant unterschiedlichem R1-Status (6,6% vs.
2,1%, p = 0,26), signifikant weniger Blutverlust (Delta Hämoglobin, 0,2 g/dl vs. 0,5 g/dl,
p < 0,001). Die Operateure präferierten AA (90 vs. 100; p = 0,001). Schlingenexzisionsdauer,
Dauer
der Blutstillung und Komplikationsrate unterschieden sich nicht signifikant zwischen
den beiden Gruppen [33 ].
Mit Schmerzverarbeitung und Angst befassten sich die folgenden Beobachtungsstudien:
In einer französischen Studie wurde die Zufriedenheit mit einer Konisation in LA bei
70 Patientinnen per
Telefoninterview erfragt. 88,6% der Patientinnen waren mit der durchgeführten OP zufrieden,
75,7% hatten keinen oder moderaten Schmerz während der OP und 91,4% gaben an, sie
würden dasselbe
Vorgehen Anderen empfehlen. Die R1-Rate lag bei 31,4%, und verstärkte postoperative
Blutungen traten bei 7,1% der Patientinnen auf. Die Autoren schlossen daraus, dass
die ambulante Konisation in
LA von Patientinnen wegen geringer Schmerzbelastung gut angenommen wurde, ohne ein
erhöhtes Risiko für R1-Resektion oder Nachblutung zu bedingen [1717 ].
In einer australischen Studie wurde die Erfahrung von Patientinnen evaluiert, bei
denen eine LLETZ unter LA durchgeführt wurde. Zwischen 2014 und 2016 füllten 105 Patientinnen
vor, direkt
nach dem Eingriff und nach weiteren 4–6 Wochen einen Fragebogen aus. Der mittlere
Schmerzscore lag auf einer Skala zwischen 0 und 10 bei 2. Die Angst vor dem Eingriff
löste sich meist nach dem
Eingriff. Wurde den Patientinnen das operative Vorgehen vor dem Eingriff nicht erklärt,
war die Ängstlichkeit signifikant höher. Die Schmerzempfindung war nicht mit der Angst,
vorheriger
Aufklärung über das OP-Verfahren oder dem Anästhesieverfahren assoziiert. Gleiches
galt für den R1-Status, der bei 42,9% der Patientinnen diagnostiziert wurde. Die Mehrzahl
der Patientinnen war
mit der Behandlung zufrieden und nahm die Nachuntersuchungen war. Die Autoren folgerten,
dass LLETZ unter LA von den Patientinnen gut toleriert wurde und zu hoher Zufriedenheit
sowie hoher
Compliance führte. Eine präoperative Aufklärung zum Ablauf des OP-Verfahrens half,
die Angst vor dem Eingriff zu minimieren [1818 ].
Eine erhöhte Akzeptanz der örtlichen Betäubung kann erreicht werden, wenn Angst und
Stress für die Patientin deutlich reduziert werden können. Das Hören von Musik während
des Eingriffes
könnte hier hilfreich sein, schien aber bei Frauen in Thailand keinen großen Effekt
gehabt zu haben: In einer randomisierten klinischen Studie wurde der Einfluss von
Begleitmusik auf die Angst
der Patientin bei der LLETZ in LA evaluiert. Angst wurde mit dem State Anxiety Inventory
vor und nach OP bei 36 mit peri- und intraoperativer Musikbegleitung versus 37 Patientinnen
in der
Kontrollgruppe untersucht. Der mittlere Angstscore betrug präoperativ 46,8 versus
45,8 Punkte und postoperativ 38,7 versus 41,3 Punkte (nicht signifikant). Der Schmerzscore
betrug 2,55 versus
3,33 (nicht signifikant). Die Autoren schlossen daraus, dass Musiktherapie im Rahmen
von LLETZ in LA die Angst der Patientin nicht mildern konnte und empfahlen alternative
Methoden, um Aufregung
und Stress bei der Patientin zu reduzieren [1919 ].
Was sind die Gründe für Patientinnen, die Schlingenexzision in Narkose zu erhalten,
und gibt es Strategien, damit möglichst viele Frauen von den Vorteilen der Lokalanästhesie
profitieren
können?
In einer retrospektiven englischen Studie wurde analysiert, was bei der Vorgabe „80%
der Biopsien oder Exzisionen für HSIL in LA durchzuführen“ in einem Zeitraum von 2
Jahren die Indikation
für Narkose ergab. 204 von 1003 Patientinnen erhielten eine Narkose. Die Rate an Narkosen
variierte stark zwischen den Kolposkopiker*innen und lag zwischen 0–16,5%, wobei der
Grund für diese
Diskrepanz unklar blieb. Am häufigsten wurde der „Wunsch der Patientin nach Narkose“
als Begründung angegeben [2020 ].
In einer weiteren englischen randomisierten Doppelblindstudie wurde der Einfluss von
Inhalationsgasen zusätzlich zur LA bei der Durchführung von LLETZ evaluiert: 198 Frauen
inhalierten
selbst Isofluran und Desfluran, und 198 Frauen inhalierten Placebo. Der Schmerzscore
betrug 22,4 versus 29 (p = 0,003). Der Angstscore war vor und nach LLETZ für beide
Gruppen ohne signifikante
Differenz. Einen Nutzen der Inhalation zeigte sich bei 78% versus 67% (p = 0,012)
der Frauen, die ein hohes Angstpotenzial im Hospital Anxiety and Depression Scale
(HADS) Score zeigten. Diese
zeigten eine signifikant höhere Akzeptanz der Operation und empfanden eine Nützlichkeit
der Inhalation und Bereitschaft für eine ähnliche Operation. Die Autoren folgern,
dass die Inhalation von
Fluoriden vor allem für ängstliche Patientinnen von Nutzen sein kann, um eine Narkose
zu vermeiden [2121 ].
Vergleicht man nun die Daten unserer Studie mit der dargestellten Literatur, so kommt
man zu folgendem Ergebnis: Die bei unseren Patientinnen erfassten Schmerzintensitäten
liegen nicht über
den in der Literatur berichteten Schmerzscores. In der Mehrheit der publizierten Studien
wurden höhere Schmerzwerte berichtet, wenngleich unterschiedliche Messinstrumente
Verwendung fanden.
Gleiches gilt für den Vergleich mit dem postoperativen Schmerz nach Narkose, wo sich
kein Nachteil für die Patientinnen zeigt, die in LA operiert wurden. Die Zufriedenheit
der Behandlung mittels
LA war insgesamt sehr hoch. 97% Prozent der Patientinnen zeigten sich zufrieden oder
sehr zufrieden, 95% würden eine Operation in LA erneut wählen. Dies ist auch im Gleichklang
mit den zitierten
Studien.
Neu ist unsere prospektive Einschätzung durch Kolposkopiker*innen, dass 90% der Patientinnen
mit HSIL oder AIS eine Schlingenexzision in LA erhalten könnten. Ebenso neu ist die
präoperative
Frage an die Frauen, welche Schmerzen sie als akzeptabel einstufen würden. Hier zeigte
sich als deutlicher Hinweis auf die hohe Akzeptanz der LA, dass die von den Patientinnen
gewünschte
Schmerzgrenze bei postoperativer Befragung im Mittel nicht überschritten wurde. Ebenso
bisher nicht in der Literatur berichtet ist die Differenzierung zwischen Schmerz bei
Injektion von jenem
bei Exzision. Überraschend für uns war der doppelt so hohe Schmerzscore bei Injektion.
Die topische Applikation einer anästhesierenden Salbe vor Injektion scheint hier eine
mögliche Verbesserung
[2222 ]
[2323 ].
Auch scheint Lidocainspray hier als eine Alternative: in einer randomisierten Studie
aus Thailand wurden 66 Frauen mit parazervikalem Block von 10 ml 2% Lidocain mit 1:100000
Epinephrin
verglichen mit 66 Frauen, die 4 Spraystöße von 10%igem Lidocainspray erhielten. Der
mittlere Schmerzscore bei der Schlingenexzision war nicht signifikant unterschiedlich
und lag bei 5,2 mit
Spray versus 4,2 mit Block [2424 ].
Abschließend interessant ist unsere Beobachtung, dass Operateur*innen die Schmerzempfindung
der Patientin deutlich unterschätzten und es obligat erscheint, sich immer bei der
Patientin
rückzuversichern, dass keine Schmerzen bestehen.
Unsere Ergebnisse und daraus abgeleitete Erkenntnisse müssen auch kritisch betrachtet
werden. Folgende Einschränkungen müssen diskutiert werden: Wir werteten nur die
Patientinnen aus, für die beide Anästhesieformen in Frage kamen. Da die Selektion
der Anästhesieform letztendlich durch die Patientin selbst erfolgte, sind in der LA-Kohorte
mehr Patientinnen
vertreten, die keine oder wenig Bedenken bezüglich einer örtlichen Betäubung hatten.
Allerdings wird es in der klinischen Praxis genauso gehandhabt: Einer Patientin werden
beide
Anästhesieverfahren angeboten und sie allein entscheidet sich für LA oder AA.
Die Drop-out-Rate ist in beiden Gruppen unterschiedlich verteilt. 32% der Patientinnen
aus der AA-Gruppe sendeten keine Fragebogen zurück vs. 14% in der LA-Gruppe. Dies
könnte zur Verzerrung
der Ergebnisse beigetragen haben.
Hinsichtlich der Art der Applikationsformen der Lokalanästhesie bestehen große Unterschiede.
Der Applikationsmechanismus, die applizierte LA-Menge sowie die Auswahl des spezifischen
Lokalanästhetikums unterscheiden sich in den meisten Studien, was die Vergleichbarkeit
der Studien erschwert.
Der von uns dargestellte mittlere Schmerzscore berücksichtigt nicht die einzelne Patientin
und ihr subjektives Empfinden. Beim Injektionsschmerz lagen 7 von 178 Patientinnen
und beim
OP-Schmerz 9 von 178 Patientinnen bei einem Schmerzscore von über 60. Wenn auch diese
Schmerzereignisse ausschließlich von kurzer Dauer sind, ist ein Schmerz von dieser
Stärke nicht
akzeptabel.
Faktoren, die zu einer verminderten Akzeptanz der Lokalanästhesie bei einem gynäkologischen
Eingriff führen können, sind Schamgefühl, Gefühl des Verlustes der Würde, Geschlecht
der
Operateur*innen oder negative Wahrnehmung der Umgangsformen in der jeweiligen medizinischen
Einrichtung [88 ].
Diese Empfindungen der Patientinnen wurden vereinzelt auch in unserer Studie durch
die Patientinnen benannt, betrafen aber beide Gruppen und stellten die Ausnahme dar.
Zudem gibt es Patientinnen, für die die Vorteile der Allgemeinanästhesie wie die zusätzliche
intensive Betreuung durch das Team der Anästhesie oder die Bewusstlosigkeit während
des
Eingriffes einen hohen Stellenwert einnehmen.
In der Zusammenschau unserer Ergebnisse können wir zeigen, dass unsere Hypothese zutrifft,
laut der die Schlingenexzision in LA versus AA bezüglich der postoperativen Schmerzempfindung
gleichwertig ist und durch die hohe Zufriedenheit der Patientinnen gerechtfertigt
ist. Zudem sind unsere Daten mit der Literatur kongruent, und wir konnten zusätzliche
Erkenntnisse gewinnen, die
bisher nicht im Zusammenhang mit Schlingenexzisionen und LA untersucht und berichtet
wurden.
Da man die Nachteile einer Narkose (Notwendigkeit der Überwachung durch eine Betreuungsperson
für 24 h, Möglichkeit der Postoperative Nausea and Vomiting [PONV], Untersagung der
Teilnahme am
Straßenverkehr für 24 h, Notwendigkeit der Nüchternheit, Notwendigkeit des Legens
eines peripheren Verweilkatheters) bei mindestens gleichwertiger Lebensqualität der
Patientin vermeiden kann,
muss künftig alternativ zur Narkose die Lokalanästhesie allen Frauen als Betäubungsmethode
für die Schlingenexzision angeboten werden. Künftig sollte ein Algorithmus entwickelt
werden, der
hilft, die Patientinnen zu identifizieren, für die eine LA geeignet ist bzw. das nicht
das geeignete Verfahren darstellt. Zudem sollten Verfahren etabliert und evaluiert
werden, um den
Injektionsschmerz deutlich zu reduzieren.
Online-Appendix
Fragebogen direkt nach der Kolposkopie (Machbarkeitsstudie)
Fragebogen LA und AA (Vergleichsstudie)
Telefonischer Fragenkatalog 12 Monate postoperativ (Vergleichsstudie)