Gastroenterologie up2date 2023; 19(03): 217-218
DOI: 10.1055/a-2153-1513
Wichtige Studien im Fokus

Kommentar zu: Chronische Hepatitis B: Rückgang von HBsAg durch Bepirovirsen-Therapie?

Markus Cornberg

Die chronische Hepatitis-B-Virus-Infektion ist ein globales Gesundheitsproblem, von dem weltweit mehr als 296 Millionen Menschen betroffen sind. Die derzeitigen antiviralen HBV-Therapien, Nukleosid- oder Nukleotidanaloga (NAs), sind zwar hochwirksam bei der Virussuppression, erreichen aber nur selten das primäre Ziel der antiviralen Therapie, die funktionelle Heilung (definiert durch den Verlust des HBV-Oberflächenantigens (HBsAg) im Serum) [1]. Es gibt jedoch zahlreiche neue Wirkstoffe in der präklinischen und frühen klinischen Entwicklung, von denen man sich erhofft, dass sie das Ziel einer funktionellen Heilung häufiger erreichen, wie etwa kleine interferierende RNAs (RNAi) [2]. Bepirovirsen, ein Antisense-Oligonukleotid, das die Messenger-RNAs des Hepatitis-B-Virus (HBV) adressiert, wird derzeit als vielversprechender Kandidat gehandelt.

Bepirovirsen zeigt im Vergleich zu anderen RNAi-Therapien zum ersten Mal nachhaltige HBsAg-Verlustraten [3]. Dieser beobachtete Effekt könnte durch einen dualen Wirkmechanismus erklärt werden, der bei anderen RNAi-Therapeutika bisher nicht beobachtet wurde. Zusätzlich zur Hemmung der viralen RNAs hat Bepirovirsen eine intrinsische immunstimulierende Wirkung, die möglicherweise durch den Toll-like-Rezeptor 8 (TLR8) vermittelt wird. Diese jüngsten Ergebnisse stützen die Hypothese, dass die Verringerung viraler Proteine (z. B. HBsAg) allein möglicherweise nicht ausreicht, um eine funktionelle Heilung der HBV-Infektion zu erreichen, und dass eine zusätzliche Modulation der Immunantwort notwendig ist [4]. Es ist nun wichtig, die möglichen immunvermittelten Wirkungen, aber auch mögliche Nebenwirkungen bei der weiteren Entwicklung von Bepirovirsen zu berücksichtigen. Beobachtete ALT-Erhöhungen während der Therapie könnten auf eine Immunstimulation zurückzuführen sein. Dieser Aspekt spielt eine wichtige Rolle, wenn z. B. in Zukunft eine Kombination von Bepirovirsen mit anderen immunmodulatorischen Substanzen untersucht werden soll. Bei solchen Kombinationstherapien besteht die Gefahr, dass sich die Immunantworten gegenseitig beeinflussen und das Nebenwirkungsprofil nicht mehr klar abgrenzbar ist.

Obwohl Bepirovirsen der erste RNAi-Wirkstoff ist, der einen anhaltenden HBsAg-Verlust erzielte, wurde dieser Endpunkt letztlich nur bei einem kleinen Prozentsatz der Studienteilnehmer erreicht (9–10%). Jeder Fortschritt bei der Suche nach einer funktionellen Heilung der chronischen HBV-Infektion ist bemerkenswert, dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Ansprechrate mit der HBsAg-Verlustrate nach strukturierter Therapiebeendigung einer NA-Therapie (Stopp-NA) vergleichbar ist. Zum Beispiel erreichten HBeAg-negative Patienten, die unter NA eine mindestens vierjährige virale Suppression erreicht hatten, in einer randomisierten kontrollierten Studie (aus Deutschland) eine ähnliche HBsAg-Verlustrate von 10% nach Absetzen der Therapie. Es dauerte jedoch bis zu 96 Wochen nach Therapiestopp, bis dieses Ergebnis erreicht war [5]. Dennoch bedeuten diese Daten, dass die Ansprechraten mit Bepirovirsen deutlich erhöht werden müssen, damit das Medikament in der klinischen Praxis in Zukunft wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Ansprechraten besteht darin, die Patienten vor der Therapie mit Bepirovirsen zu stratifizieren und diejenigen auszuwählen, die besonders gut auf die Therapie ansprechen könnten. In der B-Clear-Studie wurde dies bei Patienten mit niedrigen HBsAg-Ausgangswerten beobachtet. Immerhin erreichten bis zu 25% der Patienten mit HBsAg-Werten von < 3000 IU/ml einen HBsAg-Verlust.

Eine Erhöhung der Ansprecharten ist auch aufgrund der zu erwartenden unerwünschten Ereignisse und der subkutanen Applikationsform von Bepirovirsen wichtig. In der Studie wurden mehrere unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit Bepirovirsen beobachtet, darunter Reaktionen an der Injektionsstelle, Pyrexie, Müdigkeit und die bereits erwähnten ALT-Erhöhungen. Diese unerwünschten Ereignisse müssen bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils der Behandlung sorgfältig berücksichtigt werden, da die derzeitige orale antivirale Standardtherapie mit NA sehr sicher und nebenwirkungsarm ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die B-Clear-Studie vielversprechende Ergebnisse für Bepirovirsen als potenzielle Behandlungsoption bei chronischer HBV-Infektion zeigt. Der erreichte HBsAg-Verlust ist ein Meilenstein, denn die Studie zeigt, dass prinzipiell eine funktionelle Heilung mit neuen Therapiekonzepten möglich ist. Die Erfolgsrate ist zum jetzigen Stand jedoch noch gering, und es sind weitere Studien erforderlich, um die Ansprecharten zu erhöhen und mögliche Kombinationstherapien zu untersuchen. Die Berücksichtigung der immunvermittelten Reaktionen ist für die weitere Entwicklung von Bepirovirsen von großer Bedeutung.



Publication History

Article published online:
13 September 2023

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