Gastroenterologie up2date 2024; 20(01): 12-13
DOI: 10.1055/a-2207-8578
Wichtige Studien im Fokus

Kommentar zu: Divarasib und Adagrasib: sicher und wirksam bei KRAS-G12C-positiven Tumoren?

Christoph Roderburg
,
Catherine Leyh
,
Tom Lüdde

KRAS-Mutationen sind die häufigsten onkogenen Mutationen bei malignen Tumoren. Lange Zeit galten sie als therapeutisch nicht adressierbar. In den letzten Jahren wurden jedoch wirksame Inhibitoren für die KRASG12C Gain-of-Function-Mutation entwickelt. Durch die selektive und irreversible Bindung von KRASG12C-Inhibitoren an das sich in der inaktiven Form befindliche veränderte KRAS-Protein wird die Transformation in die aktive Form verhindert und das Tumorwachstum gehemmt (1). Die KRASG12C-Mutation tritt am häufigsten beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) auf (12–24%), spielt aber auch im Bereich der gastrointestinalen Onkologie eine Rolle, insbesondere beim kolorektalen Karzinom (KRK) (4%). Seltener kommt die Mutation beim Pankreaskarzinom (3%) und bei biliären Karzinomen (1%) vor [1]. Sotorasib wurde kürzlich für die Therapie des KRASG12C-mutierten NSCLC zugelassen [2].

KRYSTAL-1 ist eine Multikohorten-Phase-I/II-Studie (NCT03785249) zur Untersuchung von Adagrasib bei Patienten mit fortgeschrittenen KRASG12C-soliden Tumoren. Bekannt waren bereits die Daten bezüglich NSCLC [3] und KRK [4]. Aktuell berichtet wurden die Resultate der Kohorte anderer gastrointestinaler und nicht gastrointestinaler Tumoren [5]. Die Patienten hatten nach Versagen vorheriger Standardtherapien Adagrasib als Monotherapie in einer Dosierung von 600 mg BID erhalten. Der primäre Endpunkt war die objektive Ansprechrate. Bei insgesamt 64 eingeschlossenen Patienten litten 21 Patienten an einem Pankreaskarzinom (PDAC) und 12 an einem Gallengangskarzinom (BTC). Sowohl beim PDAC als auch beim BTC wurden eine hohe Wirksamkeit mit objektiven Ansprechraten von 33,3% (KRASG12C-mutiertes PDAC) bis 47,1% (KRASG12C-mutierte BTC) sowie eine gute Verträglichkeit nachgewiesen. Dies übersetzte sich auch in vielversprechende Überlebensdaten (8,0 Monate medianes Gesamtüberleben für PDAC bzw. 15,1 Monate für BTC). Hervorzuheben ist zudem, dass 70% der Patienten bereits mindestens 2 Vortherapien erhalten hatten. Bislang kamen für diese Patienten nur wenige Therapieoptionen, i. d. R. eine Chemotherapie mit geringem therapeutischem Benefit und schlechter Verträglichkeit, in Frage, sodass die aktuell berichteten Daten aus der KRYSTAL-1-Studie das Potenzial haben, die Behandlungsalgorithmen dieser Patienten zu verändern und einmal mehr die Bedeutung molekular gesteuerter Therapien bei gastrointestinalen Tumoren zu stärken.

Als weiterer KRASG12C-Inhibitor zeigte sich Divarasib in In-vitro-Untersuchungen deutlich potenter als Adagrasib [6]. Sacher und Kollegen setzten die Substanz im Rahmen einer Phase-I-Studie bei Patienten mit soliden Tumoren, die eine KRASG12C-Mutation aufwiesen, ein. Die Mehrzahl der Studienteilnehmer litt an einem NSCLC oder KRK. Mit einer objektiven Ansprechrate von 53,4% sowie einer Dauer des Ansprechens von 14 Monaten und einem progressionsfreien Überleben von 13,1 Monaten waren insbesondere die Ergebnisse für das NSCLC beeindruckend. Aber auch beim KRK ist die erzielte Wirksamkeit vielversprechend, und die Ansprechraten sind numerisch höher als bei Adagrasib [4]. Ein direkter Vergleich zwischen den beiden Substanzen ist anhand der vorliegenden Daten aber nicht ohne Weiteres möglich. Die Studie liefert ferner Hinweise, dass Divarasib bei anderen Tumoren neben NSCLC und KRK wirksam sein könnte. Auch einige Patienten mit pankreatikobiliären Tumoren zeigten eine Tumorkontrolle mit Divarasib. Diese Daten bedürfen jedoch aufgrund der geringen Patientenzahl (7 Patienten mit PDAC, 7 Patienten mit BTC) weiterer Untersuchungen. Daten zu Kombinationstherapien von Divarasib mit anderen Inhibitoren (u. a. Atezolizumab, Cetuximab und Bevacizumab) stehen aktuell noch aus. In diesem Kontext sind die Daten der Phase-III-Studie CodeBreak-300 zu erwähnen, die eine Verbesserung der therapeutischen Wirksamkeit von Sotorasib durch die Kombination mit dem EGFR-Inhibitor Panitumumab bei KRASG12C-mutierten KRK nachweisen konnte [7]. Auch für Adagrasib konnte der Benefit einer Kombination mit EGFR-Inhibitoren bei Patienten mit KRASG12C-mutierten KRK bestätigt werden [4].

Die KRASG12C-Mutation tritt außerhalb des NSCLC und KRK sicherlich selten auf, ist aber mit einer schlechten Prognose assoziiert. Beide Studien haben zeigen können, dass die Mutation unabhängig von der jeweiligen Tumorentität ein wirkungsvolles therapeutisches Ziel darstellen kann. KRASG12C-Inhibitoren haben somit das Potenzial für einen tumoragnostischen Einsatz bei Patienten mit einer entsprechenden Mutation, ähnlich wie es für Checkpoint-Inhibitoren bei MSI-h-Tumoren etabliert ist.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
20. März 2024

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