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DOI: 10.1055/a-2342-4453
ICD-11 Einführung in Deutschland: Gemeinsam die Chance nutzen
Article in several languages: English | deutsch Fundref Information Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH — n/a
Zusammenfassung
Mit der von der WHO erarbeiteten und für Deutschland durch das BfArM in deutscher Übersetzung bereitgestellten neuen ICD-11 steht dem Gesundheitssystem eine Umstellung bevor, die mehr ist als ein einfacher Wechsel eines medizinischen Kodiersystems. Die ICD-11 modernisiert die Kodiersystematik zum Beispiel dahingehend, dass neue, separate Gesundheitszustände – Schlaf-Wach-Störungen und Bedingungen im Zusammenhang mit sexueller Gesundheit – aufgenommen und die entsprechenden Erkrankungen damit besser sichtbar werden. Die ICD-11 ist präziser als die ICD-10: Sie erlaubt Querverbindungen zwischen Diagnosen, Symptomen, Funktionen und Lokalisationen und gibt die strenge Hierarchisierung der ICD-10 in Teilen auf. Außerdem werden mehr Seltene Erkrankungen mit einem eigenen, spezifischen Code abgebildet als dies bisher der ICD-10 ermöglicht hat. Schließlich ist die ICD-11 auch deutlich „moderner“ als die (noch aus vordigitalen Zeiten stammende) ICD-10. Sie ist insofern moderner, als sie neue, digital unterstützbare Prozesse ermöglicht, zum einen soweit es die Aktualisierung der Systematik – Stichworte Flexibilität und Nachhaltigkeit – betrifft, zum anderen in Bezug auf das eigentliche Kodieren am Point-of-Care. Der Umstieg auf die ICD-11 kann für das deutsche Gesundheitswesen eine große Chance sein, die gemeinsam ergriffen werden sollte. Profitieren wird die (Versorgungs-)Forschung, die im besten Fall mit sehr viel detaillierteren und korrekteren Datensätzen arbeiten kann. Aber auch die medizinische Versorgung hat einen Nutzen, weil die ICD-11 den aktuellen Stand des medizinischen Wissens abbildet. Außerdem werden bestimmte Erkrankungsentitäten aus dem bisherigen psychiatrischen Kontext herauslöst, die Betroffenen somit nicht mehr über die Zuordnung in der ICD stigmatisiert werden, und weil mit der besseren Kodierbarkeit von Diagnosen letztlich auch die Voraussetzungen für leitlinienbasierte Therapien verbessert werden. Ein Selbstläufer wird der Umstieg aber nicht. Als Herausforderungen – auch für die Versorgungsforschung – sind insbesondere die Latenz von Einführung und gleichförmiger Nutzung sowie die erforderliche Änderung von Kodiergewohnheiten zu nennen. Damit die ICD-11 in Deutschland ein Erfolg wird, müssen daher alle Anwendungsfelder gemeinsam an der Einführung arbeiten. Behörden, Ärzteschaft, Kostenträger und Betroffene müssen gemeinschaftlich über Strategien nachdenken, wie eine nicht nur zügige, sondern auch umfassende Einführung gelingt, mit der sich die Potenziale, die in der ICD-11 stecken, bestmöglich heben lassen.
Schlüsselwörter
ICD-11 - Gesundheitsgesetzgebung - Krankenhausreform - Schlaf-Wach-Störungen - Alpha-ID-SE - elektronische PatientenaktePublication History
Accepted Manuscript online:
11 June 2024
Article published online:
15 August 2024
© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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