CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen
DOI: 10.1055/a-2342-4453
Review

ICD-11 Einführung in Deutschland: Gemeinsam die Chance nutzen

Article in several languages: English | deutsch
Karl Broich
1   Leitung, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn, Germany
,
Johanna Callhoff
2   Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Programmbereich Epidemiologie & Versorgungsforschung, Arbeitsgruppe Versorgungsforschung, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin, Ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Berlin, Germany
3   Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
4   Market Access, Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München, Germany
,
Christoph Kowalski
5   Zertifizierung, Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Berlin, Germany
,
Jürgen Malzahn
6   Geschäftsbereich Versorgung, Abteilung Stationäre Versorgung & Rehabilitation, AOK Bundesverband, Berlin, Germany
,
Christine Mundlos
7   Wissensnetzwerk und Beratung, Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V., Berlin, Germany
,
Christoph Schöbel
8   Schlafmedizinischen Zentrum, Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen gGmbH, Universitätsmedizin Essen, Essen, Germany
› Author Affiliations
Fundref Information Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH — n/a

Zusammenfassung

Mit der von der WHO erarbeiteten und für Deutschland durch das BfArM in deutscher Übersetzung bereitgestellten neuen ICD-11 steht dem Gesundheitssystem eine Umstellung bevor, die mehr ist als ein einfacher Wechsel eines medizinischen Kodiersystems. Die ICD-11 modernisiert die Kodiersystematik zum Beispiel dahingehend, dass neue, separate Gesundheitszustände – Schlaf-Wach-Störungen und Bedingungen im Zusammenhang mit sexueller Gesundheit – aufgenommen und die entsprechenden Erkrankungen damit besser sichtbar werden. Die ICD-11 ist präziser als die ICD-10: Sie erlaubt Querverbindungen zwischen Diagnosen, Symptomen, Funktionen und Lokalisationen und gibt die strenge Hierarchisierung der ICD-10 in Teilen auf. Außerdem werden mehr Seltene Erkrankungen mit einem eigenen, spezifischen Code abgebildet als dies bisher der ICD-10 ermöglicht hat. Schließlich ist die ICD-11 auch deutlich „moderner“ als die (noch aus vordigitalen Zeiten stammende) ICD-10. Sie ist insofern moderner, als sie neue, digital unterstützbare Prozesse ermöglicht, zum einen soweit es die Aktualisierung der Systematik – Stichworte Flexibilität und Nachhaltigkeit – betrifft, zum anderen in Bezug auf das eigentliche Kodieren am Point-of-Care. Der Umstieg auf die ICD-11 kann für das deutsche Gesundheitswesen eine große Chance sein, die gemeinsam ergriffen werden sollte. Profitieren wird die (Versorgungs-)Forschung, die im besten Fall mit sehr viel detaillierteren und korrekteren Datensätzen arbeiten kann. Aber auch die medizinische Versorgung hat einen Nutzen, weil die ICD-11 den aktuellen Stand des medizinischen Wissens abbildet. Außerdem werden bestimmte Erkrankungsentitäten aus dem bisherigen psychiatrischen Kontext herauslöst, die Betroffenen somit nicht mehr über die Zuordnung in der ICD stigmatisiert werden, und weil mit der besseren Kodierbarkeit von Diagnosen letztlich auch die Voraussetzungen für leitlinienbasierte Therapien verbessert werden. Ein Selbstläufer wird der Umstieg aber nicht. Als Herausforderungen – auch für die Versorgungsforschung – sind insbesondere die Latenz von Einführung und gleichförmiger Nutzung sowie die erforderliche Änderung von Kodiergewohnheiten zu nennen. Damit die ICD-11 in Deutschland ein Erfolg wird, müssen daher alle Anwendungsfelder gemeinsam an der Einführung arbeiten. Behörden, Ärzteschaft, Kostenträger und Betroffene müssen gemeinschaftlich über Strategien nachdenken, wie eine nicht nur zügige, sondern auch umfassende Einführung gelingt, mit der sich die Potenziale, die in der ICD-11 stecken, bestmöglich heben lassen.



Publication History

Accepted Manuscript online:
11 June 2024

Article published online:
15 August 2024

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