Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2025; 32(02): 59-60
DOI: 10.1055/a-2533-1537
Leserbrief

Zum Beitrag: Eine Einführung zum Thema Höhen- und Expeditionsmedizin

Re: An introduction to high-altitude and expedition medicine
Thomas Küpper
1   Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen, Deutschland
2   Faculty for Travel Medicine, Royal College of Physicians and Surgeons, Glasgow, United Kingdom
,
Ulf Gieseler
3   Expeditionsarzt, Heidelberg, Deutschland
› Institutsangaben

Ehrlich gesagt war unsere erste Reaktion „Sehr mutig, eine Einführung zu einem Thema zu schreiben, über das ganze Bücher existieren“ [1]. Man muss den Autoren gratulieren! Sie haben es geschafft, einen Überblick für all diejenigen zu geben, die nicht jeden Tag mit diesen Fragen zu tun haben und die wichtigsten Aspekte auf den Punkt gebracht. Aus unserer Sicht ist besonders hervorzuheben, dass Akklimatisation als wichtigste Prophylaxe von Höhenerkrankungen betont wird und eine kritisch-distanzierte Haltung zu medikamentösen „Akklimatisationshilfen“ eingenommen wird, was etliche andere Publikationen vermissen lassen. Gleiches gilt für die Betonung, dass der Lake Louise Score eigentlich ein wissenschaftliches und kein diagnostisches Instrument ist. Es ist auch sehr zu begrüßen, dass die in den meisten Publikationen zur Therapie der Acute Mountain Sickness (AMS) benutzte saloppe Formulierung „Abstieg“ den Rückzug auf die letzte Höhe, auf der sich der Patient wohlgefühlt hat, bedeutet. Weniger informierte Leser verbinden mit „Abstieg“ den Abstieg ins Tal. Damit würde aber jeder Akklimatisationsreiz genommen.

Da wir praktisch täglich mit den im Paper angesprochenen Themen zu tun haben, erlauben wir uns einzelne Nachschärfungen. Richtigerweise führen die Autoren an, dass für das Höhenprofil die Schlafhöhe entscheidend ist. Das kann man nicht genug betonen. Ohne diese Kenntnis würde beispielsweise die Bildunterschrift zu Abb. 1 einen falschen Eindruck erzeugen. Tagsüber deutlich höherzusteigen, stellt wegen der Latenzzeit der Symptome normalerweise kein Problem dar. Bei der Darstellung des Höhenhirnödems (HACE) fehlt ein wichtiges Symptom: Ataxie. Die Trias aus (großer) Höhe, therapieresistenten Kopfschmerzen und Ataxie – an jedem Ort der Welt ohne Instrumente leicht prüfbar, indem man den Patienten auffordert, den „Gänsefüßchengang“ („heel-to-toe-walk“) durchzuführen und dabei auf Ausgleichbewegungen achtet – ist unter den äußeren Umständen praktisch beweisend für ein HACE. Tardalafil eignet sich allenfalls theoretisch für die Behandlung des Höhenlungenödems (HAPE), denn die berüchtigte Nebenwirkung des massiven Kopfschmerzes ist bei häufig parallel bestehender AMS nicht zu unterschätzen, auch wenn es Daten darüber gibt, dass die Kopfschmerzproblematik offenbar geringer ist als bei Sildenafil. Mit seiner langen Halbwertzeit eignet sich Tardalafil auch potenziell zur Prophylaxe des HAPE. Es sollte betont werden, dass außer Sauerstoffgabe sämtliche Medikation bei Höhenkrankheiten einen Off-Label-Use darstellt und – soweit der Patient noch ansprechbar ist – eine entsprechend umfangreiche Aufklärung (streng genommen auch Dokumentation) voraussetzt.

Unklar ist uns, auf welches Produkt sich die Autoren beziehen, wenn sie beschreiben, dass mit den Drucksäcken ein Abstieg von bis zu 4500 m simuliert werden kann. Unseres Wissens ist die maximale Druckdifferenz abhängig vom Produkt (PAC, Gamow, Certec) zu maximal 2500 m äquivalent [2]. Das ist aber auch irrelevant, weil zum einen bereits 300–500 m Abstieg zu einer erheblichen Symptomverbesserung führen und zum anderen die Drucksäcke sowieso immer auf maximalen Druck gebracht werden, allein schon, weil für die Dauer der Behandlung regelmäßig Frischluft nachgeführt werden muss und dazu Luft aus dem Überdruckventil entweichen muss. Diese Frischluftzufuhr, die in der ersten Version der Gebrauchsanleitung offenbar nicht enthalten war, ist überlebenswichtig, ansonsten stirbt der Patient via CO2-Intoxikation einen angeblich glücklichen Tod. Nach unserer Kenntnis ist das vor Jahren zweimal passiert (die Fälle wurden nie publiziert, sondern nur mündlich berichtet).

An einzelnen Stellen hätte eine tiefer gehende Literaturrecherche dem Manuskript, das überwiegend ältere Literatur zitiert, gutgetan. Wenn eine Weltdachorganisation wie die UIAA international abgestimmte Empfehlungen zu verschiedenen hier aufgegriffenen Themen gibt, sollte darauf Bezug genommen werden. So wird dem Acetazolamid heute in der Therapie der AMS keinerlei Bedeutung mehr beigemessen [3]. Zur Prophylaxe reichen sogar 2 × 62,5 mg aus [4]. Das über Jahrzehnte bekannteste und nach wie vor regelmäßig in der Literatur angeführte Präparat Diamox hat übrigens 2018 seine Zulassung verloren und ist nicht mehr erhältlich, Alternativen stehen aber zur Verfügung (z. B. Glaupax, Acemid 250).

Trotz vereinzelter Kritik: Ein gelungenes Paper, das für die Breite der Reisemediziner als Nichtspezialisten in der Höhenmedizin in der FTR überfällig war!



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
09. April 2025

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