Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008; 18(6): 324-328
DOI: 10.1055/s-0028-1085995
Wissenschaft und Forschung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arzt-Patient-Kommunikation in der Rehabilitation von Jugendlichen

Physician-Patient-Communication in the Rehabilitation of AdolescentsF. Petermann 1 , R. Stachow 2 , S. Kiera 1 , U. Tiedjen 2
  • 1Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen
  • 2Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche der DRV Nord, Westerland
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Publikationsverlauf

eingereicht: 15.6.2008

angenommen: 25.8.2008

Publikationsdatum:
25. November 2008 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung: Das Streben nach Autonomie im Jugendalter beeinflusst auch das Management der chronischen Erkrankung der Jugendlichen. Wenig ist bisher darüber bekannt, wie Jugendliche die eigenständigen Gespräche mit ihrem Reha-Arzt bewerten, ob sie diese Gespräche als effektiv einstufen und welche Faktoren (Alter, Ängstlichkeit, Nervosität) die Sicherheit in der Kommunikation mit dem Arzt beeinflussen.

Material und Methode: 179 chronisch kranke Jugendliche im Alter von 13,5 bis 19 Jahren wurden mit einem Selbstauskunftsfragebogen während ihrer Rehabilitation befragt, inwieweit sie ihre Arztbesuche am Wohnort selbstständig oder in Begleitung der Eltern durchführen. Die selbsteingeschätzte Kommunikationseffektivität mit dem Reha-Arzt wurde durch die übersetzte Version der Conversational Effektiveness Scale [1] erhoben. Die Erfassung der Ängstlichkeit/Nervosität im Kontakt mit dem Reha-Arzt beruhte auf selbstformulierten Items.

Ergebnisse: 13,5% der Jugendlichen hatten zu Beginn der Reha noch nie allein mit ihrem Hausarzt gesprochen, lediglich 23,2% führten immer/fast immer selbstständige Gespräche. Während Mädchen signifikant ängstlicher im Kontakt mit dem Reha-Arzt waren als Jungen (p=0,021), zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Alter, Kommunikationseffektivität und Ängsten. Die Korrelationsanalyse ergab, dass erhöhte Angst/Nervosität im Arztkontakt einhergeht mit einer niedrigen Kommunikationseffektivität (r=0,409).

Diskussion: Eine effektivere Arzt-Patient-Kommunikation ist nur möglich, wenn Ängste nachhaltig im Reha-Alltag abgebaut werden. Eine besondere Gruppe bilden weibliche Jugendliche, welche unabhängig vom Alter höhere Angstwerte aufweisen als ihre männlichen Altersgenossen.

Schlussfolgerung: Ärzte in der Rehabilitation müssen sich bei jedem Jugendlichen auf Ängste einstellen und über adäquate Kommunikationsstrategien verfügen, da das Alter oder Erfahrungen in der eigenständigen Kommunikation keine Angstreduktion bedeuten.

Abstract

Purpose: The pursuit of autonomy during adolescence affects chronic disease management of teenagers. To date, little is known about how adolescents rate independent conversations with their rehabilitation physician, whether they classify these conversations as effective and which factors (age, anxiety, excitement) influence the feeling of assurance in communication with the doctor.

Materials and Methods: 179 chronically ill adolescents between 13.5 and 19 years, undergoing rehabilitation treatment, completed a self-reported-questionnaire and were asked whether one of their parents accompanies them when visiting a physician at home. For identification of self-rated communication effectiveness with the rehabilitation physician, the translated Conversational Effectiveness Scale [1] was employed. Self-phrased items were used to assess anxiety/excitement when communicating with the rehabilitation physician.

Results: 13.5% had never spoken with a doctor alone and merely 23.2% always/almost always have private conversations with their doctor. While female adolescents were significantly more anxious than their male contemporaries, no relations were found between age, conversational effectiveness and fears. Correlations show that increased anxiety/excitement goes along with less conversational effectiveness (r=0.409).

Discussion: More effective physician-patient-communication is only possible, when fears are reduced sustainably in rehabilitation. Female adolescents form a special group, showing higher anxiety than males, independent of age.

Conclusions: Physicians in rehabilitation practice have to be prepared for different fears of adolescents and need special communication skills, since increased age or previous experiences with self-contained physician-patient conversation do not go along with a reduction of anxiety.

Literatur

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. F. Petermann

Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen

Grazer Str. 6

28359 Bremen

eMail: fpeterm@uni-bremen.de