ergoscience 2009; 4(1): 12-22
DOI: 10.1055/s-0028-1109065
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Und plötzlich sind sie alt: Ältere Menschen mit einer geistigen Behinderung auf dem Weg ins Rentenalter

And then They were Old: Older Persons with a Learning Disability Approaching RetirementR. Hundt1 , K. Knebel1 , C. Müller1
  • 1Hogeschool Zuyd, Heerlen (NL)
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Publikationsverlauf

eingereicht: 2.6.2008

angenommen: 23.10.2008

Publikationsdatum:
27. Januar 2009 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sammeln Therapeuten in Deutschland Erfahrungen mit der Klientengruppe der älter werdenden Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die Bachelorstudie „Und plötzlich sind sie alt …” untersuchte, in welchem Rahmen Ergotherapeuten ältere Menschen mit einer geistigen Behinderung im Prozess des Übergangs vom Berufsleben in den Ruhestand begleiten können.

Methode: Es wurden Experteninterviews mit 3 Teilnehmergruppen durchgeführt: Klienten, die kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter stehen, aber auch bereits berentete Klienten wurden zu ihren Vorstellungen und Erfahrungen zum neuen Lebensabschnitt befragt. Außerdem wurden Ergotherapeuten zu ihrer Arbeit mit geistig behinderten Menschen, die sich im Übergangsprozess in die Rente befanden, interviewt. Die Auswertung erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse.

Ergebnisse: Die Klienten erleben die Übergangsphase recht unterschiedlich. Zumindest einige der befragten älteren Menschen mit einer geistigen Behinderung bekamen nicht die Unterstützung, die sie gewünscht hätten; andere waren über mögliche Hilfsangebote nicht informiert. Um abrupte Veränderungen zu vermeiden, sollte sich der Übergangsprozess über eine längere Zeitspanne erstrecken.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend zeigt sich, dass Ergotherapeuten über geeignete Kompetenzen für eine optimale Begleitung der Klienten in den dritten Lebensabschnitt verfügen. Ergotherapeuten können den Übergangsprozess mittels Vorbereitungskursen, der Hilfe bei der Ermittlung von bedeutungsvollen Betätigungen und der Mitarbeit an tagesstrukturierenden Maßnahmen unterstützen.

Abstract

Objective: For the first time since World War II, therapists in Germany are gathering information about the experience of the older person with a learning disability. The study “And then they were old…” explores the role of occupational therapists in facilitating the transition from working life to retirement for older persons with a learning disability.

Method: Expert interviews were conducted with three different groups of participants. These groups were clients approaching retirement, those already retired and occupational therapists working with people with a learning disability who were in the transitional phase between work and retirement. The older people were questioned about their expectations and experiences of retiring whilst the occupational therapists were interviewed about their work. The data was evaluated using qualitative content analysis.

Results: Clients experience the transitional phase quite differently. At least some of the older people with a learning disability were not given the assistance they wanted, others were not informed about possible preparatory measures. The process of transition should be stretched over a longer period of time to avoid abrupt changes.

Conclusion: To summarise, this study suggests that occupational therapists have the competency to facilitate the transition from working life to retirement for the older person with a learning disability. This can be achieved through preparatory group work, assistance with identifying purposeful activities and participation in structured day programmes.

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1 1Selbstbestimmt älter werden”. Programm der Lebenshilfe Marburg e. V. zur Vorbereitung älterer Menschen mit einer geistigen Behinderung auf den Ruhestand. Dieses enthält 16 Lektionen zu verschiedenen Themen wie Rechte & Pflichten, Freizeit, Gesundheit, Arbeitsplan & Ruhestand, Wohnen, Bewegung u. a. Das Programm wurde ins Deutsche übersetzt; es kommt ursprünglich aus den USA und heißt im Original „Personal Central Training for Older Life” von E. Heller, T. Sternz et al., Chicago.

Rebecca Hundt

Kathrin Knebel, Carmen Müller, bc. (NL)

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