ergoscience 2009; 4(2): 45
DOI: 10.1055/s-0028-1109364
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

B. Weber, M. le Granse
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Publication Date:
23 April 2009 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

wie werden wir wohl in 30 Jahren leben? Werden wir in unserem 75. Lebensjahr noch als Ergotherapeuten arbeiten? Und wo kann eine 75-jährige Ergotherapeutin dann wohl tätig sein? Welche Möglichkeiten stehen ihr noch offen? Schauen wir in die USA: Dort gibt es beim amerikanischen Ergotherapieverband (AOTA) bereits ein Senior Department, in dem noch arbeitende Ergotherapeutinnen und -therapeuten im Lebensalter von 70plus organisiert sind. Wir hoffen alle, dass wir älter werden; damit einhergehend wird auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit stattfinden. Welche Strategien, welche Adaptionen werden wir, Ergotherapeuten im Alter, für uns und unsere Klienten entwickeln? Werden wir E-Health oder E-OT anbieten? Sind wir ständig online und beraten oder begleiten wir unsere Klienten über das Internet? Bieten wir viel mehr tele-ergotherapeutische Serviceangebote an, als dass wir dem Klienten real begegnen?

Zukunftstrends, die immer wieder genannt werden, sind: „Von der Globalisierung zur Glokalisierung („think global, act local”) sowie „Medialisierung” und „Demografische Veränderungen” (z. B. ‘Überalterung’ der Gesellschaft, Veränderung der Lebensformen, Zunahme der Single-Haushalte und der Patchworkfamilien sowie die Veränderung von vertikalen hin zu mehr horizontalen Lebenszusammenhängen). Wie wird sich also unsere Profession weiterentwickeln und den sich abzeichnenden Wandel mitgestalten?

Der Frage, in welcher Welt (lokal wie global) wir leben, wie wir denken und handeln, gehen mehrere unserer Autoren und Autorenteams nach. Kit Sinclair, die ehemalige WFOT-Vorsitzende, greift mit ihrem Rückblick „50 Jahre Zusammenarbeit von WFOT und WHO” die Tatsache auf, dass 5 Jahrzehnte enger Kooperation und Verzahnung des WFOT mit der WHO zu einer Vielzahl von Projekten und Positionspapieren geführt haben (z. B. Community Based Rehabilitation), dass darüber aber auch die Erkenntnis gereift ist, dass Ergotherapeuten sowohl global denken als auch lokal handeln können (S. 71).

Frank Kronenberg, Mitherausgeber des Buches „A Political Practice of Occupational Therapy” unterstreicht mit seinem Artikel „Von einer unpolitischen zu einer politischen Berufspraxis der Ergotherapie” (S. 76), dass Ergotherapeuten mit politischem Bewusstsein sich auch für occupational justice bzw. gegen occupational deprivation und occupational apartheid einsetzen.

Beide Autoren sehen die Ergotherapie im gesellschaftspolitischen Kontext und fordern Ergotherapeuten auf, sich in diesen Bereichen weiterhin stark zu machen.

Ein weiterer Artikel dieser Ausgabe beschäftigt sich mit unseren ethischen Ansprüchen an die Forschung: Kathrin Reichel und ihre Co-Autorinnen vollziehen in ihrem Artikel „Ethische Standards für ergotherapeutische Forschung in Deutschland” eine nationale und internationale Bestandsaufnahme, indem sie dokumentieren und diskutieren, welche Standards für ergotherapeutische Forschung in Deutschland relevant sind (S. 56).

Der Artikel von Claudia Trickes und Jutta Hörnle (S. 46) beschreibt den Adaptionsprozess des US- amerikanischen Assessments „Activity Card Sort” (ACS) für die deutschsprachige Ergotherapie. Das ACS bietet die Möglichkeit, die Partizipation eines Menschen zu erfassen. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird der trans-kulturelle Adaptionsprozess des Assessments für den deutschsprachigen Raum beschrieben. Dieser erfolgt auf der Grundlage der Erhebung von Aktivitätsmustern.

Was uns zur Ausgangsfrage zurückbringt: Welche Aktivitätsmuster werden ältere Menschen in 30 Jahren haben, wie werden wir Ergotherapeuten dies erfassen, mit welchen veränderten Umgebungsfaktoren werden wir uns auseinandersetzen? Welche Rolle wird die Occupational Science einnehmen, um veränderte Aktivitätsmuster zu begreifen? Wie wird es uns gelingen, uns weiterhin unentbehrlich zu machen? Fragen, die unsere zukünftigen professionellen Aktivitäten mitbestimmen werden.

Liebe Leserin, lieber Leser, wir hoffen, dass Sie viele inspirierende Gedanken in dieser Ausgabe finden und Sie dadurch Lust darauf bekommen, sich für die weitere Professionalisierung einzusetzen. Wir laden Sie ein, uns Beiträge und Leserbriefe zuzuschicken und so den begonnenen Prozess kreativ mitzugestalten.

Für das Herausgeberteam

Bettina Weber
Mieke le Granse

Bettina Weber

Hogeschool Zuyd

Faculteit Ergotherapie

Nieuw Eyckholt 300

6400 AN Heerlen, NL

Email: b.weber@hszuyd.nl

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