Pneumologie 2009; 63(4): 235-243
DOI: 10.1055/s-0028-1119704
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lungenfunktion im Alter: Brauchen wir neue Referenzwerte?

Lung Function in the Elderly: Do We Need New Reference Values?W.  Marek1 , E.  Marek1 , K.  Mückenhoff2 , H. J.  Smith3 , N.  Kotschy-Lang4 , M.  Kohlhäufl5
  • 1Institut für Arbeitsphysiologie an der Augusta-Kranken-Anstalt, Bochum
  • 2Institut für Physiologie, Ruhr-Universität Bochum
  • 3Viasys Health Care, Höchberg
  • 4Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten Falkenstein
  • 5Klinik Schillerhöhe, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Stuttgart-Gerlingen
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Publikationsverlauf

eingereicht 27. 8. 2008

akzeptiert nach Revision 31. 1. 2009

Publikationsdatum:
02. April 2009 (online)

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Zusammenfassung

Einleitung: Die Bevölkerungsstruktur in Europa und die anthropometrischen Daten der Bewohner haben sich in den letzten drei Jahrzehnten deutlich verändert. Dieses wirft erneut die Frage nach der Verwendbarkeit der weit verbreiteten Referenzwerte der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die sich auf die ventilatorische Lungenfunktion beziehen, auf. Die EGKS-Referenzwerte wurden Ende der 70er-Jahre vornehmlich an Probanden im mittleren Lebensabschnitt gewonnen, für ältere Probanden muss daher eine Extrapolation über den Geltungsbereich der Sollwertfunktionen hinaus durchgeführt werden, die insbesondere unter dem Aspekt der Begutachtung zu Unsicherheiten und zu Nachteilen in der Beurteilung führt. Die EGKS-Werte, insbesondere die unteren Grenzwerte, werden im Vergleich zu aktuellen Untersuchungen [1] [2] vielfach als zu niedrig angesehen und sollten daher möglichst bald ersetzt werden.

Methoden: Wir überprüften die statischen und dynamischen Lungenvolumina und die maximalen Atemstromstärken an einem Kollektiv von 176 anamnestisch lungengesunden, nie rauchenden Männern im Alter von 20 – 90 Jahren und bezogen die Ergebnisse auf die Referenzwerte der EGKS, der SAPALDIA und LuftiBus.

Ergebnisse: Der Trend in der Altersabhängigkeit spirometrischer Parameter (VC, FVC, FEV1, FEV1 %FVC, PEF, MEF75,50,25) kann über den Altersbereich von 70 Jahren hinaus mit einer linearen Funktion (y = – m × Alter + n) beschrieben werden. Für die Einsekundenkapazität (FEV1) ergab sich die Funktion FEV1 = – 0,046 × Alter + 6,11; r = 0,88. Diese lag bei den jüngeren Männern bei 108 ± 9,9 %, bei den mittelalten bei 105 ± 13,7 % und bei den älteren Probanden bei 97,3 ± 12,4 % der EGKS-Referenzwerte. Bei allen gemessenen Parametern wurde eine gegenüber den EGKS-Werten größere Steigung der Funktionen in Abhängigkeit vom Alter gefunden. Die Korrelation der Parameter zur Körpergröße entspricht hingegen weitgehend den EGKS-Werten.

Schlussfolgerungen: Die Messwerte der ventilatorischen Lungenfunktion von lungengesunden jüngeren Probanden liegen über den Sollwerten der EGKS, während die der älteren Probanden im Mittel leicht unter den extrapolierten Sollwerten der EGKS liegen. Der Altersgang verläuft demnach steiler als durch die EGKS-Referenzwerte beschrieben. Unsere Ergebnisse erlauben durchaus eine Extrapolation der Sollwerte über den angegebenen Bereich hinaus. Das Problem liegt vornehmlich in der Beurteilung anhand des unteren Grenzwertes für kleinere und ältere Menschen. Die alternativ diskutierten Referenzwertgleichungen der SAPALDIA-Studie, der NHANES- und zum Teil auch der LuftiBus-Studie liegen zwar höher, doch können sie den benötigten Umfang an Messgrößen oder den erforderlichen Altersbereich nicht abdecken. Eine multizentrische Studie zur Gewinnung neuer Sollwerte wäre daher notwendig, um die Probleme zu lösen.

Abstract

Introduction: The structure of our aging population has significantly changed in the last three decades as have also the anthropometric data. Therefore, the question arises as to whether or not the largely accepted reference values for ventilatory lung function, which were suggested by the European Community for Coal and Steel (EGKS), may still be used today, since these values were obtained in the 1960s from subjects in a limited age range. For the elderly, the measured values are deduced by extrapolation beyond the range of reference equations which had been obtained in a different population. Therefore decisions concerning elderly and smaller subjects concerning remuneration due to impaired lung function after industrial exposure on the basis of EGKS values are questionable.

Methods: We have examined lung function using pneumotachography for recording static lung volumes and flow-volume curves in 176 asymptomatic non-smoking males, aged 20 to 90 years, and correlated the results to the reference values of the EGKS, SAPALDIA and LuftiBus.

Results: The age dependence of respiratory parameters (VC, FVC, FEV1, FEV1 %FVC, PEF, MEF75,50,25) for the healthy subjects can be described with a linear function (y = – m × age + n). The forced expiratory volume in one second, FEV1, is calculated by FEV1 = – 0.046 × age +  6.11; r = 0.88. Mean FEV1 for younger subjects was found to be 108 ± 9.9 % of the EGKS reference values, 105 ± 13.7 % in the middle-aged group and 97.3 ± 12.4 % in the older subjects. All measured parameters concerning lung function can be described as linear functions of age which are steeper than those described by the EGKS reference values. The steeper slope in age dependency was also seen in other investigated parameters. The correlation of lung function parameters to height largely follows the EGKS predictions.

Conclusions: Measured lung function values of healthy younger and elderly subjects showed a close correlation to the extrapolated reference values of the EGKS. Our results relating to normal lung function justify an extrapolation of the reference equations beyond the common ranges of age while applying the same limitations as described for subjects in the middle-age range. Our results permit an extrapolation of EGKS values beyond the range of the reference values and can be used for the classification of impaired lung function in older subjects. The alternatively discussed reference equations of the SALPADIA Study, of NHANES and partially of the LuftiBus Study are higher, but do not cover all the necessary parameters and/or age ranges. A multicentric study for contemporary reference values should be performed in order to solve the problems concerning valid reference values.

Literatur

Dr. rer. nat. PD Wolfgang Marek

Institut für Arbeitsphysiologie
an der Augusta-Kranken-Anstalt

Bergstr. 23
44791 Bochum

eMail: Wolfgang.Marek@rub.de