Vereinigung deutscher und russischer Kur- und Badeärzte
Zusammenfassung
Vom Aerztliehen Bezirksvorein Bad Kissingen werden wir um den Abdruck folgender Warnung
ersucht:
An sämtliche Aerzte der deutschen Kur- und Badeorte ist vor kurzem folgendes Schriftstück
gesandt worden: „Wirfordern Sie hiermit ergebenst auf, der Vereinigung deutscher und
russischer Kur- und Badeärzte in Berlin als Mitglied beizutreten. Der Hauptzweck der
Vereinigung ist die Wahrung gemeinschaftlicher Interessen, insbesondere Pflege kollegialer
Beziehungen, gegenseitige Unterstützung in der ärztlichen Fortbildung u. dgl. m. Das
Vereinsorgan, welches zweimal monatlich in deutscher und russischer Sprache erscheinen
wird, wird den Mitgliedern gratis zugestellt. Mitgliederbeitrag ist auf 20 M jährlich
festgesetzt und an die Geschäftsstelle des Vereins, Berlin NW. 7, Friedrichstr. 150
(Fa. Werrmann & Herrmann, G. m. b. H.), zu senden, welche Ihnen die Mitgliedskarte
samt den Statuten zustellen wird. Hochachtungsvoll Vereinigung deutscher und russischer
Kur- und Badeärzte E. V. Der Vorsitzende Dr. med. Hermann Mayer, als Stellvertreter
Dr. med. Nikolai Cahn,der Schriftführer Dr. med. Alexander Guttmann, sämtlich Berlin.“
Was die Unterzeichner des Aufrufes betrifft, so ist zunächst zu konstatieren, daß
zwei dieser Namen sich in keinem Verzeichnis deutscher Aerzte vorfinden. Es handelt
sich also nicht um deutsche Aerzte, sondern um zu Unrecht in Deutschland praktizierende
ausländische Aerzte, deren Zahl in letzter Zeit immer mehr überhandnimmt und die besonders
in Berlin und unsere großen Badeorte als Feld ihrer Tätigkeit wählen. Jetzt ist es
schon soweit gekommen, daß die Herren die Gründung eines eigenen Vereins für angezeigt
halten, bei der sie sich durch Werbung deutscher Aerzte als Mitglieder den Rücken
zu decken suchen.
Nach allem, was wir über diesen Verein bisher in Erfahrung gebracht haben, müssen
wir den deutschen Kollegen abraten, ihm beizutreten, und zwar aus folgenden Gründen:
In einer Reihe von Fällen hat sich der Verein geweigert, seine Statuten vor Zahlung
des Beitrags von 20 M. zur Einsicht zu überlassen, und mutet damit deutschen Aerzten
zu, bedingungslos einem Verein beizutreten, ohne zu wissen, welche Pflichten sie damit
übernehmen. Dies läßt darauf schließen, daß die Zwecke des Vereins möglichst verschleiert
werden sollen. Einen Einblick in das Geschäftsgebahren jener mit dem Verein liierten
Firma gewährt der Umstand, daß dieselbe in eineni uns verbürgten Falle einem deutschen
Badearzt großmütig versprach, daß er durch seinen Eintritt in den Verein durch Zuweisung
zahlreicher russischer Patienten belohnt werden würde. Diese Art, an deutsche Aerzte
heranzugehen, erinnert lebhaft an Vor gänge, die bei einer früheren Gründung eines
deutsch-russischen Aerztevereins lange Zeit die Oeffentlichkeit in unliebsamster Weise
beschäftigt haben. Die enge Geschäftsverbindung des Vereins mit einer Firma von solchen
Gepflogenheiten wirft unseres Erachtens auf diesen kein gutes Licht. Noch aus einem
dritten Grunde glauben wir die deutschen Kollegen vor der neuen Vereinigung warnen
zu müssen. Es dürfte für deutsche Aerzte kaum standesgemäß sein und würde von jedem
ärztlichen Ehrengericht verurteilt werden, mit Leuten ein und demselben Verein anzugehören,
die in unsern Augen und vor dem Gesetz als Kurpfuscher gelten. Für uns ist die Gründung
der neuen Vereinigung insofern von Interesse, als sie uns ein erneuter Ansporn ist,
in unseren Bemühungen nicht zu erlahmen, die die Niederlassung ausländischer Aerzte
in Deutschland ohne Approbation unmöglich machen sollen. Es wäre uns sehr erwünscht,
wenn uns Kollegen, die dazu in der Lage sind, ihre Erfahrungen mit diesem Verein oder
anderen unliebsamen Nebenerscheinungen der russischen Fremdenindustrie mitteilen würden.