Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - FV_BMBF10
DOI: 10.1055/s-0029-1221878

Sind Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes übergewichtiger als Stoffwechselgesunde? Analyse der DPV-Daten basierend auf aktuellen Referenzwerten aus CrescNet sowie den AGA-Bezugswerten

TM Kapellen 1, R Gausche 2, C Meigen 2, E Keller 2, W Kiess 1 RW Holl 3, Kompetenznetz Diabetes mellitus
  • 1Universität Leipzig, Klinik für Kinder und Jugendliche, Leipzig, Germany
  • 2Universitätsklinikum Leipzig, CrescNet gGmbH, Leipzig, Germany
  • 3Medizinische Fakultät, Universität Ulm, Abt. Epidemiologie, Ulm, Germany

Fragestellung: Zahlreiche Untersuchungen berichten, dass Kinder und Jugendliche mit Diabetes übergewichtiger als stoffwechselgesunde Gleichaltrige sein sollen. Da das Ausmaß der Adipositas in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zunahm, bleibt offen, ob diese Befunde tatsächlich einen Effekt der Diabeteserkrankung bzw. der Insulintherapie belegen, oder aber einen Artefakt durch nicht zeitgleich untersuchte Kontrollen darstellen. Daher werden in dieser Unterschung Kinder und Jugendliche mit Typ 1 Diabetes mellitus mit den Perzentilen nach Kromeyer-Hauschild und den neueren Normdaten aus der CrescNet-Datenbank verglichen.

Methodik: Die DPV-Datenbank (2007) umfasst 26372pädiatrische Patienten (Altersbereich 3–16 Jahre) mit Typ-1-Diabetes. 223 Zentren aus Deutschland und Österreich haben Daten beigetragen. BMI-Werte aus dem aktuellsten Behandlungsjahr wurden für jeden Patienten gemittelt. Um die Schiefe der BMI-Verteilung auszugleichen, wurden mit der LMS-Methode (Cole et al) SDS-Werte errechnet. Als Vergleichskollektive wurden einerseits die Normalwerte der AGA (Kromeyer-Hauschild et al), andererseits jahresbezogene Messwerte der CrescNet-Datenbank, basierend auf insgesamt 627449 Einzelmessungen aus Kinderarztpraxen, verwendet.

Ergbnisse: Bezogen auf beide Vergleichskollektive sind BMI-Werte von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes aus den Jahren 1999 bis 2006 erhöht. Mit den AGA-Normalwerten ergibt sich ein mittlerer BMI-SDS-Wert von +0,49±0,0005 (SEM), mit den CrescNet-Daten von +0,26±0,005. Beide Werte sind signifikant erhöht (p<0,00001). Im Vergleich zu Stoffwechselgesunden sind Mädchen mit Typ-1-Diabetes signifikant übergewichtiger als Jungen. Der erhöhte BMI-Wert ist bei jungen Kindern <6 Jahre und bei Jugendlichen ausgeprägter als bei 6–12-jährigen Schulkindern. Mit zunehmender Diabetesdauer nimmt das Ausmaß des Übergewichts zu (0–2, 2–4 und >4 Jahre DM-Dauer: BMI-SDS(AGA): +0,38, +0,56, +0,54; BMI-SDS(CrescNet): +0,18, +0,33, +0,27; alle p<0,0001). In einem Erklärungsmodell mit Adjustierung für Änderungen der Insulintherapie im Beobachtungs-zeitraum und Zentrumsunterschieden hatten Alter, Diabetesdauer und Geschlecht einen signifikanten Einfluss auf den BMI-SDS, mit signifikanter Zunahme über den Behandlungszeitraum für BMI-SDS(AGA) und signifikanter Abnahme für BMI-SDS(CrescNet).

Schlussfolgerungen: Mit beiden Referenzsystemen bestätigt sich ein erhöhter BMI bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes im Vergleich zu Stoffwechselgesunden. Da ein Unterschied auch bei Verwendung der im selben Jahr erhobenen CrescNet Referenzwerte vorliegt, ist dies nicht alleine durch den Trend zu Übergewicht in unserer Gesellschaft bedingt, sondern auf die Diabeteserkrankung bzw. Insulintherapie oder Ernährungsempfehlungen zurückzuführen.