Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_238
DOI: 10.1055/s-0029-1222042

Zwei einfache Parameter erleichtern das leitliniengerechte Diabetesscreening mittels OGTT in der Kardiologie

R Füth 1, K Kempf 2, W Dinh 1, L Bansemir 1, T Köhler 1, A Bufe 1, S Martin 2, M Lankisch 1
  • 1Helios Kliniken Wuppertal, Wuppertal, Germany
  • 2Nationales Aktionsforum Diabetes mellitus, Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum, Sana Kliniken Düsseldorf GmbH, Düsseldorf, Germany

Hintergrund: Aufgrund der hohen Prävalenz des unentdeckten Diabetes mellitus (DM) bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) soll nach den Leitlinien der European Society of Cardiology und der European Association for the Study of Diabetes ein oraler Glukosetoleranztests (OGTT) bei allen Patienten mit KHK ohne vorbekannten DM durchgeführt werden. Ein lückenloses Diabetes-Screening mittels OGTT ist sehr zeit-, personal- und kostenaufwendig und daher in der kardiologischen Routine nur schwer umzusetzen. Um ein Diabetes-Screening praktikabler zu machen, wurde untersucht, welche klinischen Faktoren herangezogen werden könnten, um zuverlässig Personen mit bisher unbekanntem DM für eine Diabetesdiagnose mittels OGTT vorzuselektieren und damit die Anzahl der benötigten OGTTs zu reduzieren.

Methode: Von Januar-Oktober 2007 wurde bei allen Patienten, die elektiv bzw. aufgrund akuter Beschwerden im Herzzentrum Wuppertal koronarangiografiert wurden und bei denen kein DM vorbekannt war, ein OGTT durchgeführt. Die Blutglukose wurde kapillär aus der Fingerbeere nüchtern und 2h nach Glukosebelastung mithilfe des Blutzuckermessgeräts Ecco-Solo bestimmt. Folgende Grenzwerte der Nüchtern- und 2h-Blutglukose wurden verwendet: normale Glukosetoleranz (NGT) bei <90mg/dl/<140mg/dl; erhöhte Nüchternglukose (IFG) bei ≥90mg/dl/<140mg/dl; gestörte Glukosetoleranz (IGT) bei <90mg/dl/ ≥140mg/dl; DM bei ≥110mg/dl und/oder ≥200mg/dl. Faktoren mit potentiell prädiktivem Wert für DM wurden mittels logistischer Regression und ROC-Analysen untersucht.

Ergebnis: 1606 Patienten wurden eingeschlossen, bei 391 war bereits ein DM bekannt. Bei den übrigen 1215 wurde ein OGTT durchgeführt. 31% (n=382) der Untersuchten zeigten NGT, während bei 51% (n=616) Prädiabetes (IFG bzw. IGT) und bei 18% (n=217) DM erstmals diagnostiziert werden konnte. Insgesamt wurden also 998 OGTTs durchgeführt, bei denen kein DM diagnostiziert werden konnte. Die Untersuchung potentiell prädiktiver Faktoren für das Vorhandensein eines DM zeigte einen signifikant prädiktiven Wert für NBG und Alter. Unter der Voraussetzung eine Sensitivität von 90% zu erreichen, wäre in dieser Studie bei Patienten mit NBG ≥90mg/dl (OR 9,7; CI 5,5–17,2) und ≥55 Jahren (OR 3,5; CI 1,7–7,2) ein OGTT durchzuführen. 81% der bisher unentdeckten DM-Fälle könnten so diagnostiziert werden und die durchzuführenden OGTTs um 57% reduziert werden.

Schlussfolgerungen: In diesem Studienkollektiv konnte durch die Integration von NBG (≥90mg/dl) und Alter (≥55 Jahre) in das Screening-Schema bei hoher Sensitivität und Spezifität eine Reduktion der durchzuführenden OGTTs um mehr als die Hälfte erreicht werden. Dieses Ergebnis sollte die erfolgreiche Umsetzung der Leitlinien im klinischen Alltag erleichtern.