Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_260
DOI: 10.1055/s-0029-1222064

Erlebnispädagogische strukturierte Behandlung und Schulung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ-1

R Schiel 1, G Kramer 1, S Müller 1, A Kaps 1, T Nieschalk 1
  • 1MEDIGREIF-Inselklinikum Heringsdorf GmbH, Fachklinik für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten, Ostseebad Heringsdorf, Germany

Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes werden im Laufe ihres Heranwachsens wiederholt geschult. In der Regel werden Schulungen je nach Entwicklungsstand und Selbständigkeitsgrad für Patienten und Eltern angeboten. Bei vielen Jugendlichen werden häufig auch „Schulungsmüdigkeit“ und motivationale Probleme beobachtet. Zur zielgerichteten Behandlung dieser Patienten wurde ein erlebnispädagogisch orientiertes Programm entwickelt, das komplett oder in Form von Schwerpunktmodulen angewendet wird.

Methoden: 06–12/2008 wurden in der MEDIGREIF-Inselklinik Heringsdorf, 978 Kinder und Jugendliche sukzessive aufgenommen (51% Mädchen, Typ-1/2: n=967 [99%]/10 [1%], Alter 12,8±5,2, Diabetesdauer 4,6±4,0 Jahre, Gewicht 49,9±20,2kg, Größe 153±22cm, BMI 20,1±4,4kg/m2). 865 Patienten (88%) nahmen an einem vollständigen erlebnispädagogischen, strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm (SBSP) teil, 44 (5%) an Modulversionen, 69 (7%) wurden über längere Zeiträume behandelt. Es wurden anthropometrische Daten (Alter, Diabetesdauer, Diabetestyp, BMI), Parameter der Stoffwechselqualität (HbA1c [DCA2000®, Bayer Diagnostics, Normbereich 4,5–5,7%], Blutglukose, Kreatinin i.S., Mikroalbumin, Akutkomplikationen), Behandlungsstrategie (Art der Insulintherapie, Insulindosis, Selbstkontrollen) und in einem standardisierten Wissenstest diabetesbezogenes Wissen erfasst.

Ergebnisse: Der HbA1c-Wert lag bei 8,5±1,9%, bei 203/978 Kindern und Jugendlichen (21%) ≥9,0%. 754 (77%) Patienten hatten eine intensivierte (ICT), 16 (2%) eine konventionelle (CIT), 192 (20%) eine Insulinpumpentherapie (CSII) und 4 (1%) kein Insulin. Insulinanaloga verwendeten 742/974 (76%). Die mittlere Insulindosis/kg KG betrug 0,77±2,8 I.E. Im Median wurden 42,0 (0–84) Blutglukoseselbstkontrollen/Woche durchgeführt. Patienten mit einem HbA1c-Wert ≥9,0% waren älter (14,5±3,1 vs. 12,3±5,5 Jahre, p<0,05), hatten eine längere Diabetesdauer (6,0±4,2 vs. 4,2±3,8 Jahre, p<0,05), einen höheren BMI (21,9±3,7 vs. 19,8±4,4kg/m2, p<0,05), eine höhere Insulindosis/kg KG (0,91±0,28 vs. 0,74±0,26 I.E., p<0,05), aber seltener Hypoglykämien während der vorausgegangenen 4 Wochen (9,6±7,8 vs. 12,5±9,4, p<0,05) und ein besseres Ergebnis im Wissenstest (68,4±16,9 vs. 64,8±17,0% richtige Antworten, p=0,021). Patienten mit häufigeren Hypoglykämien hatten einen niedrigeren HbA1c-Wert (7,9±1,3 vs. 8,2±1,8%, p=0,01). Auch in der Korrelationsanalyse zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Hypoglykämien und dem HbA1c-Wert (r=-0,11, p=0,001).

Schlussfolgerungen: Stoffwechselprobleme treten häufig im pubertären Alter in Zusammenhang mit motivationalen Schwierigkeiten auf. Diese Patienten sind häufig „schulungsmüde“ und müssen durch spezielle Programme, z.B. erlebnispädagogisch orientiert und unter enger psychologischer Betreuung, gewonnen werden. Die stationäre Rehabilitation hat hier große, über das Angebot der ambulanten oder Akutbetreuung hinausgehende therapeutische Möglichkeiten.