Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P280
DOI: 10.1055/s-0031-1280947

Häufigkeit und Schwere des Diabetischen Fuß-Syndrom (DFS) bei 120293 Menschen mit Typ1- oder Typ2 Diabetes mellitus. Eine multizentrische Auswertung des DPV-Datensatzes 2005–2010

A Risse 1, R Holl 2, EM Fach 3 A Hungele 2, DPV Studiengruppe
  • 1Medizinische Klinik NORD, Diabetologie, Dortmund, Germany
  • 2Universität Ulm, Institut für Epidemiologie, Ulm, Germany
  • 3Diabetes Schwerpunktpraxis, Rosenheim, Germany

Im DPV (Diabetes Patienten Verwaltung), einer elektronischen Patientenakte werden diabetes-relevante Daten erfasst.

Methode: Anonymisierte Patientendaten werden gepoolt ausgewertet. Teilnehmerin Deutschland n=313 (Kliniken, DSP) teil. Die Daten spiegeln eine selektive Population von Diabetologen und damit eine selektive Patientenpopulation. Der Datensatz ist für klinische Zwecke und praktische Arbeit mit einzelnen Patienten konzipiert. Die gepoolten Daten ermöglichen damit nur Vergleich und Hypothesengenerierung, keinesfalls Konstruktion von Kausalzusammenhängen. Da ein bundesweites Register fehlt, von vielen Denkstilgruppen Daten erhoben werden, sollen die vorgelegten Ergebnisse als Beitrag zu einer übergeordneten Diskussion verstanden werden.

Ergebnisse: Von 2005 bis 2010 wurden n=120293 Patienten dokumentiert (T1D: 17468, T2D: 102825; m=51%, w=49%; T1D=38,9J.; T2D=68,4J). 4.4% T1D bzw. 7.3% T2D litten an DFS. Bei T1DM wurden 79.9% der Patienten in die Wagner-Stadien 1 und 2, 20.1% in höhere Stadien eingruppiert. Bei T2DM lag dieser Anteil mit 29.4% deutlich höher. Die Verteilung der ätiologisch relevanten Parameter des DFS war: T1D: PNP: 91,1%, paVk: 59,7%; PNP + paVk: 57,4%, reine paVk: 2,3%. Bei T2D: PNP: 84,7%, paVk: 59,6%; PNP + paVk: 54,1%, reine paVk: 5,5%. Die Häufigkeit des DFS bei Menschen mit T2DM war bei Männern um 60% höher als bei Frauen und stieg mit längerer Diabetesdauer und höherem Manifestationsalter signifikant an (alle p<0.0001). Adjustiert für diese demographischen Variable waren Hypertension (+123%), Phasen schlechter Stoffwechseleinstellung (+29.2%) sowie Zigarettenrauchen (+14.6%) jeweils signifikant mit der Häufigkeit des DFS bei T2DM assoziiert (logistische Regressionsanalyse, alle p<0.002). Bei T1DM lag das Risiko bei Männern um 33% höher, Hypertension (+229%), erhöhte HbA1c-Werte (+80.4%), Adipositas (+91.3%) und Dyslipidämie (+46.9%) korrelierten mit dem Risiko für DFS (alle p<0.0002).

Diskussion: DFS nicht selten. Das häufige Vorkommen der paVk findet sich gleichermaßen in der Literatur. Die sehr geringe Anzahl reine paVk zeigt erneut, dass die wesentliche, notwendige und hinreichende Bedingung für die DFS – die diabetogene Polyneuropathie (anthropologische Konsequenz: Leibesinselschwund) ist. Auch nach erfolgreicher Therapie einer paVk bleibt die PNP als Rezidivursache bestehen. Das deutliche Überwiegen der Männer ist wahrscheinlich auf die höhere Prävalenz der paVk bei Männern in der Allgemeinbevölkerung (CAPRIE, 1996) zurückzuführen. Dies ist wahrscheinlich auch die Erklärung für das doppelt so hohe Amputationsrisiko bei Männern (Resnick, 2004). Die hier vorgestellten Routinedaten aus der spezialisierten diabetologischen Versorgung korrespondieren folglich mit aktuellen klinikbasierten und populationsbezogenen Studien.