Arzneimittelforschung 2011; 61(11): 639-641
DOI: 10.1055/s-0031-1300568
PMS-Symposium Innovative Therapies in Palliative Care
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Keine kleinen Erwachsenen: Die Herausforderungen der Kinderpalliativmedizin

Monika Führer
1   Koordinationsstelle Kinderpalliativmedizin, Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, und Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. Februar 2012 (online)

Epidemiologie und Krankheitsbilder

In Deutschland sterben jährlich 4500 bis 5000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 20 Jahren (n = 4835 in 2009). Bei etwa 3500 ist eine unheilbare, zum Tode führende Erkrankung die Todesursache (n = 3551 in 2009; [Abb. 1]). Anders als bei Erwachsenen, die am häufigsten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebsleiden sterben, stellen im Kindes- und Jugendalter angeborene Erkrankungen und Fehlbildungen sowie die Folgen von Beeinträchtigungen, die im Rahmen der Geburt auftreten (z. B. extreme Frühgeburtlichkeit, peripartale Asphyxie und ihre Komplikationen), die häufigsten Todesursachen dar.

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Abb. 1: Todesursachen in Deutschland 2009 (< 20 Jahre) ohne äußere Ursachen (Unfälle, Vergiftungen, Gewalt etc.) und ohne plötzlichen Kindstod (n = 3551). (Quelle: www.destatis.de)

Die international in der Kinderpalliativmedizin übliche Einteilung lebensverkürzender Krankheiten in die vier Gruppen nach ACT (Association for Children with Life-threatening or Terminal Conditions and their Families) ([Tab. 1]) erleichtert die Einschätzung des voraussichtlichen Verlaufs und des z.T. sehr unterschiedlichen Versorgungsbedarfes.

Tab. 1: Einteilung von lebensverkürzenden Erkrankungen des Kindes nach ACT.

Gruppe 1

Kurative Therapie möglich, palliativmedizinische Behandlung in Phasen prognostischer Unsicherheit oder bei Versagen der kurativen Therapie

Beispiele: Krebserkrankungen, Organversagen

Gruppe 2

Lange Phasen intensiver supportiver Therapie zur Lebensverlängerung, meist Teilnahme an üblichen kindlichen Aktivitäten bis ins 2. Lebensjahrzehnt, Lebenserwartung reduziert

Beispiele: zystische Fibrose, Muskeldystrophie

Gruppe 3

Progressive Erkrankungen, Behandlung ausschließlich palliativ, Erkrankungsdauer häufig über Jahre

Beispiele: schwere Stoffwechselerkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen

Gruppe 4

Schwere, meist neurologische Beeinträchtigungen ohne Progredienz, die zu einer besonderen Anfälligkeit gegenüber Komplikationen mit unvorhersehbaren Verschlechterungen führen; Verlauf häufig über Jahre mit wiederholten Krisen

Beispiele: schwere Störungen der Gehirn- oder Lungenfunktion, z. B. nach Frühgeburtlichkeit oder Asphyxie