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DOI: 10.1055/s-0032-1330037
Leserbrief
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
19. Dezember 2012 (online)
Petermann F. Depressive Störungen im Kindes- und Jugendalter. Gesundheitswesen 2012; 74: 533–540
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Gelegenheit zur Teilnahme an Ihrer o. g. Fortbildung. Nach Studium des Artikels bitte ich zu bedenken, dass eine chronische Fatigue-Symptomatik Anlass geben sollte zu einer somatischen Focussuche. Sicherlich steht für das Öffentliche Gesundheitswesen Prävention und Inzidenz im Vordergrund, weniger Diagnostik und Therapie. In der Deskription der Symptomatik halte ich „psychodynamisch“ verallgemeinernde Beschreibungen für wenig hilfreich – auch sind völlig abwertende Haltungen gegenüber der Umwelt für Kinder wenig typisch. Dass man bei Kindern und Jugendlichen bei gleichzeitigem Auftreten posttraumatischer Belastungsstörungen bzw. Angststörungen und Depressionen 2 Diagnosen erteilt habe ich zur Kenntnis genommen. Bezüglich der Therapie möchte ich hinterfragen, weshalb aus der breiten Palette der Antidepressiva nur zu so wenigen Medikamenten Studiendaten vorhanden sind – nach meiner Kenntnis wurde vor wenigen Jahren Fluvoxamin favorisiert. Auch ist der Einsatz von Antidepressiva nicht nur zur Verhinderung von Suiziden indiziert. Kritisch beurteilen möchte ich Ihre Terminologie. Ich halte es für wenig konstruktiv, Kinder und Jugendliche in kompetente und inkompetente Menschen zu unterteilen. Genauso wenig hilfreich ist diese Terminologie in der Sozialmedizin – z. B. die eingeschränkte Alltagskompetenz als Kriterium der Begutachtung in der Pflegeversicherung. Abschließend möchte ich meinen persönlichen Standpunkt darstellen: Eine affektierte Erkrankung erfordert eine multimodale Therapie – die Ätiologie lässt sich am ehesten im Rahmen einer stationären Behandlung unter Miteinbeziehung des psychosozialen Umfeldes erfassen. Eine Prävention von Depression ist wohl nur begrenzt möglich. Aufklärung und Information stehen bei dieser Erkrankung im Vordergrund wie auch bei anderen teils komorbiden Störungen im Kindes- und Jugendalter. Besonders gefordert bleiben Ärzte, Pädagogen und Sozialarbeiter, die Kontakt zu Menschen in diesem Lebensabschnitt pflegen und deren Entwicklung begleiten. Eine Public Health orientierte Analyse anhand von statistischen Daten seit Einführung der Krankheitscodierungen habe ich vermisst.
Mit freundlichen Grüßen
Sigurd-Gerd Hagmann
Sozialmedizin
Adresse: Wambacherstraße 202, 56077 Koblenz
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Literatur
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