Journal Club Schmerzmedizin 2012; 1(2): 104-111
DOI: 10.1055/s-0032-1333141
Leitlinien in der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das Potenzial des analgetischen Plazeboeffektes – S3-Leitlinien-Empfehlung zur Behandlung akuter und perioperativer Schmerzen

Regine Klinger
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Publikationsdatum:
21. Januar 2013 (online)

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Der Plazeboeffekt ist seit jeher von Mystik und eher negativen Konnotationen umgeben. Erst in den letzten Jahren rückte insbesondere der analgetische Plazeboeffekt durch viele empirische Wirksamkeitsnachweise in ein deutlich positiveres Licht. Diese Wende spiegelt sich auch in der neuen S3-Leitlinie der AWMF zur Behandlung akuter und perioperativer Schmerzen wider [1]. Sie empfiehlt, den Plazeboeffekt klinisch zu nutzen. In diesem Beitrag werden Wirkmechanismen und Wirksamkeitsnachweise des analgetischen Plazeboeffektes auf empirischer, psychologischer und psychobiologischer Ebene beschrieben. Es wird diskutiert, wie der Plazeboeffekt im Akut- und auch chronischen Schmerzmanagement nutzbringend eingesetzt werden kann.

Kernaussagen

  • Nicht nur wirkstofffreie Substanzen (Plazebos) können analgetisch wirken, sondern auch potente Analgetika können in ihrer Wirksamkeit gesteigert werden, wenn sie durch Plazeboeffekte ergänzt werden.

  • Plazeboeffekte lassen sich durch klassische Konditionierung und Erwartungsprozesse aufbauen.

  • Für die Aufrechterhaltung ist hauptsächlich die Konditionierung verantwortlich.

  • Auf neurochemischer Ebene spielt das endogene Opioidsystem als mediierende Komponente für das Auftreten von Plazeboeffekten eine entscheidende Rolle.

  • Die Effektivität analgetischer Plazeboeffekte ist durch Metaanalysen empirisch belegt.

  • Es geht explizit nicht um den Ersatz von Analgetika durch Plazebos, sondern um den additiven Effekt der Plazebowirksamkeit auf die Wirkung des Analgetikums.

  • Für den klinischen Nutzen können folgende Merksätze herangezogen werden:

    • Die Erwartung eines positiven Effektes ergänzt und verstärkt den analgetischen Effekt.

    • Kontextvariablen ergänzen und verstärken die analgetische Effektivität.

    • Negative Erwartung bzgl. eines Analgetikums bzw. die Koppelung negativer Effekte an ein Analgetikum können dessen analgetischen Effekt reduzieren (Nozeboeffekte).

    • Klassische Konditionierung erzeugt und hält den Plazeboeffekt aufrecht.