Gesundheitswesen 2014; 76(05): 317-324
DOI: 10.1055/s-0033-1347222
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kompetenzzentrum für Gewaltopfer im ÖGD – Analyse des Fallaufkommens der Schutzambulanz Fulda

Competence Centre for Victims of Violence as Part of the Public Health Services – A Consecutive Case Series of the “Schutzambulanz Fulda”
B. Blättner
1   Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda
,
K. Krüger
1   Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda
,
S. Veith
1   Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda
,
H. A. Grewe
1   Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Juni 2013 (online)

Zusammenfassung

Gewalt wird in der Gesundheitsversorgung nicht hinreichend erkannt, thematisiert und gerichtsfest dokumentiert. Dies gilt vor allem für Partnergewalt und Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen. Die Schutzambulanz Fulda soll diese Versorgungslücke für Osthessen schließen. Die Erfahrungen des ersten Jahres werden ausgewertet. Zwischen dem 26.11.2010 und dem 26.11.2011 wurden 154 Verdachtsfälle bekannt. In einer Vollerhebung wurden Angaben zur betroffenen Person, zu Ort und Art des Ereignisses, zu den angreifenden Personen sowie den Gewaltfolgen statistisch erfasst und ausgewertet. 76,6% waren weiblichen und 23,4% männlichen Geschlechts, 18,8% waren unter 18 Jahren alt. In 60 Fällen erfolgte eine ärztliche Dokumentation. Primär meldeten sich Frauen, die kombinierte Gewaltformen durch Partner oder Ex-Partner erfahren hatten. Geschädigte von Gewalt im öffentlichen Raum gehörten vergleichsweise seltener zur Klientel. Sehr selten wurden Pflegebedürftige mit Gewalterfahrungen erreicht. Die im ÖGD angesiedelte Schutzambulanz erreicht ihre Ziele derzeit teilweise. Eine vergleichende Evaluation könnte Vor- und Nachteile unterschiedlicher Trägerschaften erheben.

Abstract

Health-care services often fail to address violence sufficiently and to provide adequate forensic medical examination and documentation, especially in cases of intimate partner violence and violence against people in need of care. The “Schutzambulanz Fulda”, hosted by the public health department of Fulda county, aims to close this gap in the east Hessian region. We have evaluated the first year of service. Between November 26th 2010 and November 26th 2011 a total of 154 persons called for support. Data concerning personal characteristics of the victims and the suspected perpetrators, the time and place of the incidents, and their impacts were analysed. 76.6% of th subjects were female, 23.4% male and 18.8% were less than 18 years old. In 60 cases a documentation of the injuries suitable for use in court was made. The majority of clients were women who reported having been assaulted by their partner or ex-partner. Community violence was less frequently stated. Contact to people in need of care suffering from violence was very rare. Currently, the “Schutzambulanz” as part of a public health department meets the goals to some degree. A comparative evaluation could help to identify the benefits and disadvantages of various trusteeships within the health-care system.

 
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