XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin 2013; 2(5): 245
DOI: 10.1055/s-0034-1366910
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gesundheit als Privileg? – Gesundheit aller auch im Interesse aller

Astrid Bühren
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Publication Date:
13 January 2014 (online)

Liebe Leserin,

„Woran könnte ich noch sparen, um wenigstens kleine Weihnachtsgeschenke für meine Enkel kaufen zu können?“ Diese Frage stellt sich manch Rentnerin in Deutschland. Denn auch hierzulande sind einige Personengruppen besonders armutsgefährdet – wie z. B. Frauen mit geringer Rente oder Alleinerziehende. Armut hat nachgewiesenermaßen auch Auswirkungen auf die Gesundheit. Und das, obwohl wir, im weltweiten Vergleich gesehen, in Deutschland ein hervorragendes Gesundheitssystem haben. Prinzipiell sind (fast) alle Menschen durch die solidarische Krankenversicherung abgedeckt, dennoch entscheiden oftmals das Geschlecht und die soziale Herkunft über den Gesundheitsstatus. Das führt der Beitrag von Prof. Gerhard Trabert vor Augen (ab S. 270), ebenso wie das Interview mit Carola Bury, die sich mit dem Thema Frauengesundheit beschäftigt (S. 277). Es ist kein Geheimnis, dass sich finanziell schlechter gestellte Menschen oft keine Zuzahlungen bei Zähnen – Stichwort Lückengebiss – oder Brillen leisten können. Auch Vollwertkost ist für zu viele Familien unbezahlbar, selbst der Besuch des kranken Kindes in der Klinik kann zum Problem werden, wenn Fahrtkosten ein Loch in den Geldbeutel reißen.

Was können wir als Ärztinnen konkret gegen Ungerechtigkeiten im Gesundheitssystem tun? Wir haben es in der Hand, Patientinnen und Patienten bei der Behandlung grundsätzlich auch auf ihren finanziellen Hintergrund anzusprechen. Menschen mit wenig Geld thematisieren häufig nicht, dass sie sich ein Medikament nicht leisten können – wie das Interview mit einer 11-fachen Mutter in dieser Ausgabe zeigt (S. 288). Wir sollten lieber einmal zu oft nachfragen und ggf. gemeinsam nach Alternativen suchen – nach dem Prinzip der „Gleichwürdigkeit“, so dass die Würde der Menschen gewahrt bleibt.

Als Medizinerinnen können wir aber auch Impulse geben, indem wir in einer Behandlung oder Therapie nicht nur über Veränderungen in der Lebensführung sprechen, sondern diese auch gemeinsam mit der Patientin beginnen umzusetzen. Ein Beispiel: Psychotherapiegespräche mit depressiven und / oder adipösen Patientinnen können auch gut – oftmals sogar besser – beim Gehen im Freien geführt werden. Bewegung tut Körper und Seele gut, Gehen strukturiert das Denken und Schambesetztes kann so leichter geäußert werden.Aber auch strukturelle Veränderungen sind nötig, um die gesundheitliche Situation von armen Menschen zu verbessern. Wir sollten uns für eine systematische Lebensstilerziehung einsetzen – angefangen im Kindergarten bis hin zur (Ganztags-)Schule. Was Kinder über gesunde Lebensweisen erleben, beeinflusst ihr ganzes weiteres Leben positiv. Ein wichtiger Schritt wäre ein umfassendes und ernstgemeintes Präventionsgesetz, das laut Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zum wiederholten Male angestrebt wird und 2014 verabschiedet werden soll. Wir werden auch aufmerksam verfolgen, wie die angekündigte Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Besonderheiten die gesundheitliche Versorgung verbessern wird.

Mit besten Wünschen für einen zufriedenstellenden Jahresrückblick

Ihre Herausgeberin Dr. Astrid Bühren

Herausgeberinnen

Dr. med. Sandra Breyer

Dr. med. Astrid Bühren

Dr. med. Anja Haas

Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns

Prof. Dr. med. Marion Kiechle

Expertinnenpanel

Prof. Dr. rer. physiol. Dr. h. c. Ulrike Beisiegel

Dr. phil. Mechthild Determann

Dr. phil. Susanne Dettmer

Prof. Dr. med. Annette Hasenburg

Dr. med. Evelyn Hemper

Prof. Dr. med. Gabriela Möslein

Stefanie Pranschke-Schade

Prof. Dr. med. Vera Regitz-Zagrosek

Prof. Dr. med. Anke Rohde

Prof. Dr. med. Ingrid Schreer

Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger