XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin 2014; 3(2): 72-75
DOI: 10.1055/s-0034-1376289
Themen & Trends Studien
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Studien

Beate Thaller
,
Annette Kirchner
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Publication History

Publication Date:
11 June 2014 (online)

Münchener Neurologinnen Netz – MNN

Wer wir sind

Wir sind eine wachsende Gruppe von ca. 40 selbstständig niedergelassenen sowie angestellten Fachärztinnen für Neurologie aus München und Umgebung. Wir treffen uns 3–4 Mal jährlich sowie bei diversen Fortbildungen und in unterschiedlichen Qualitätszirkeln.


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Vor welchen Problemen stehen Neurologinnen?

Fast jede Kollegin unserer Gruppe hat mit eigenen Schwierigkeiten in ihrem beruflichen Werdegang zu kämpfen:

  • So sind einige Frauen habilitiert, sahen jedoch in der Universitätsklinik keine Möglichkeit, als Oberärztin in Teilzeit arbeiten zu können – und arbeiten derzeit im niedergelassenen Bereich.

  • Manche mussten sich durch einen Rechtsstreit die ihnen zustehende Teilzeittätigkeit als Oberärztin erstreiten.

  • Bei anderen treten organisatorische Hürden auf, wenn es darum geht, Entlastungsassistenten in ihrer eigenen Praxis anzustellen.


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Hilfspersonal – wer soll das bezahlen?

Bis zum 15. Lebensjahr eines Kindes ist es nur für insgesamt 3 Jahre möglich, einen Entlastungsassistenten in eigener Praxis anzustellen. Doch was passiert in den übrigen 12 Jahren des Kindes? Zudem ist von dem derzeitigen Honorar ein Sicherstellungsassistent kaum zu finanzieren. Auch der Trend der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), halbe Sitze zu vergeben, ist zweischneidig, da die betroffenen Ärzte leicht in einen finanziellen Ruin geraten: Von einem halben Sitz lassen sich kaum Miete sowie Lohnkosten zahlen. Und ohne die entsprechende Unterstützung von Hilfspersonal können wiederum nicht die Patientenzahlen versorgt werden, die nötig sind, um zumindest einigermaßen wirtschaftlich zu arbeiten. Eine Einbindung in eine Gemeinschaftspraxis ist nicht immer möglich. Über die finanzielle Unsicherheit und das Risiko werden Kolleginnen von der KV nach der Vergabe des halben Sitzes definitiv zu wenig beraten.


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Folgen von Bereitschaftsdiensten

Ein weiteres großes Problem entsteht für Frauen durch die Bereitschaftsdienste der KV. Im Bereich München Land sind niedergelassene Neurologinnen dazu verpflichtet, z. B. auch nachts allein in abgelegene Häuser zu fahren, um allgemeinärztliche Probleme vor Ort zu lösen. Daher bleibt weniger Zeit zur Versorgung eigener Patienten und es gibt in neurologischen Praxen mittlerweile Wartezeiten von 6 bis 8 Wochen! Zusätzlich besteht unserer Meinung nach eine erhebliche Gefährdung der Ärztin, die ja auch betäubungsmittelpflichtige Notfallmedikamente im Koffer mit sich führt. Diese sicherheitstechnische Lücke ist der KV Bayerns (KVB) durchaus bekannt. Doch auf diese Sicherheitsfrage angesprochen, antwortete ein Referent der KVB z. B. mit der lapidaren Äußerung, man werde die Ärztinnen wohl in Zukunft mit einem Selbstverteidigungstraining vorbereiten.


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Ziele des Münchener Neurologinnen Netz

Unsere Ziele sind zum einen ganz praxisnahe, sofortgreifende Verbesserungen wie Networking, gegenseitige Unterstützung (beispielsweise bei Stellen- oder Angestelltensuche) oder fachspezifische Unterstützung bezüglich der eigenen Schwerpunkte.

Zum anderen glauben wir aber, dass sich im Gesundheitswesen auch politisch etwas ändern muss. Über 65% der Berufseinsteiger in der Medizin sind weiblich – doch nur ca. 8 % der Chefarztposten sind mit Frauen besetzt. Unserer Meinung nach liegt der Grund dafür mitnichten am mangelnden Verantwortungsgefühl oder Ehrgeiz der Frauen, sondern es ist schlicht immer noch so, dass die Hauptlast bei Kindererziehung und Haushalt meist auf den Schultern der Frauen ruht.

  • Es ist Zeit, über feste Quoten für Assistenzärztinnen, Oberärztinnen sowie Chefärztinnen nachzudenken.

  • Kliniknahe Kinderkrippen und Kindergärten, die Kontingente für Kinder des ärztlichen Personals anbieten und auf deren Arbeitszeiten eingehen, wären wünschenswert. Einzelne Beispiele wie in der BG-Klinik Murnau zeigen, dass es auch finanziell lohnenswert für die Klinik ist, bedarfsgerechte Kinderbetreuung anzubieten.

  • Darüber hinaus wäre die Schaffung von Teilzeitstellen für Frauen und Männer der richtige Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

In Zeiten des Qualitätsmanagements sollte dies ein lösbares Problem sein. Hierdurch würde auch zu mehr Gerechtigkeit bei den Renten beigetragen werden – sind es doch auch hier wieder die Frauen und Mütter, die durch einseitige Teilzeitarbeit erhebliche Einbußen bezüglich der Rente hinnehmen müssen.


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Das haben wir bislang erreicht

An der Reaktion auf unsere Briefe zu diesen Themen an die KVB, den Berufsverband, das Familien- und Gesundheitsministerium sowie den Deutschen Ärztinnenbund haben wir reges Interesse bemerkt. Das führte im Januar 2014 zu einem Treffen mit hochrangigen KVB-Funktionären wie Dr. med. Astrid Bühren (u. a. Ehrenpräsidentin des deutschen Ärztinnenbunds und Herausgeberin dieser Zeitschrift), Dr. med. Ilka Enger und Dr. med. Pedro Schmelz.

Eines der Resultate der konstruktiven Diskussion war der Vorschlag, dass die KV einen Sicherstellungsassistenten während der Elternzeit mitfinanziert. Die Umsetzung einer solchen Maßnahme wäre ein enormer Schritt.

Weiterhin wurde aufgrund unserer Anregungen 2013 ein Vorstandsbeschluss zur Beschäftigung von Sicherstellungsassistenten während Kindererziehungszeiten (§32 Abs.2 Ärzte-ZV) gefasst. Danach ist es nun Niedergelassenen möglich, einen Sicherstellungsassistenten wegen Kindererziehung für 36 Monate pro Kind zu beschäftigen und diesen Zeitraum bis zum 18. Lebensjahr des Kindes aufzuteilen. Es ist ferner möglich, den Zeitraum von 36 Monaten in begründeten Ausnahmefällen bis zu 12 Monate zu verlängern.


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Ausblick

Auf einem Mini-Symposium während des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) werden wir die Möglichkeit haben, unser Vorhaben zu präsentieren und weitere Themen zu sammeln. Zu den politischen Aktionen planen wir auch fachspezifische Aktivitäten wie Fallvorstellungen und Fortbildungen sowie Kommunikationsseminare. Wir wünschen uns zukünftig auch eine engere Kooperation mit ähnlichen Gruppierungen innerhalb der KV, unserer Standesorganisationen und Fachgesellschaften.

Eine eigene Homepage befindet sich in Planung. Derzeit ist Kontakt zu unserer Gruppe über Frau Dr. Serena Scarel möglich und willkommen: dr.scarel@neuropraxis-muenchen.de

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