Zeitschrift für Palliativmedizin 2015; 16(03): 106-116
DOI: 10.1055/s-0034-1387645
CME-Fortbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Palliativmedizin – Über das Lebensende reden auf der Intensivstation[1]

Conversations about End-of-Life in the Intensive Care Unit
H. Vanden Bergh
1   Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abt. X – Anästhesie und Intensivmedizin
,
D. M. G. Wild
2   Planetree, Bonn
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Publication Date:
13 May 2015 (online)

Zusammenfassung

Palliativmedizinische Entscheidungen gehören zum Alltag für Intensivmediziner. Diese Entscheidungen werden durch dynamische Verläufe, wechselnde Ansprechpartner, kurative Erwartungen von Patient, Familie, Angehörigen und Team sowie fehlende Rahmenbedingungen erschwert. Strukturierte Kommunikationskonzepte können Angehörige und Intensivpersonal entlasten, z. B. durch strukturierte Familienkonferenzen, das Konzept der Familie als Experte für den Patientenwillen und den empathischen Umgang mit Emotionen. Der Artikel diskutiert konkrete Strategien für die Kommunikation mit Angehörigen über das Lebensende.

Abstract

End-of-life decisions are frequently necessary in intensive care units. These decisions are made more difficult through rapidly changing disease dynamics, lack of continuity of care, differing expectations, as well as a lack of support. In these situations, structured communication concepts can help families and staff, e. g. through structured family conferences, the concept of family as the expert for the patient's preferences, and empathetic reactions to emotions. The article discusses concrete strategies how to communicate about end-of-life care.

Kernaussagen
  • 50 % aller Todesfälle in Krankenhäusern ereignen sich auf der Intensivstation.

  • Entscheidungen zu Therapiezieländerungen werden durch dynamische Verläufe, wechselnde Ansprechpartner, kurative Erwartungen sowie fehlende Rahmenbedingungen erschwert.

  • Die meisten Familienmitglieder wünschen sich, an der Entscheidung über das Lebensende beteiligt zu sein.

  • Familien sind nach einem Gespräch am zufriedensten, wenn ihre Mitglieder ausreichend reden konnten und sich verstanden fühlen.

  • 69 % der Angehörigen eines verstorbenen Intensivpatienten entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung.

  • Beispiele für hilfreiche Kommunikationskonzepte sind:

    • VALUE-Statements

    • Ask-Tell-Ask-Methode

    • NURSE-Merksatz für den Umgang mit Emotionen

    • „Wish“-Statements

    • Familien als Experte für den Patientenwillen

    • strukturierte Familienkonferenzen

    • SPIKES-Modell

  • Familienkonferenzen sollten ausreichend vorbereitet, strukturiert durchgeführt und hinreichend nachbearbeitet werden.

  • Mögliche Kriterien für eine Familienkonferenz sind:

    • eine deutliche klinische Verschlechterung

    • eine voraussichtliche Dauer des Intensivaufenthalts > 5 Tage

    • eine durch die aktuelle Erkrankung prädiktive 25 %ige Wahrscheinlichkeit für ein Versterben

  • Eine strukturierte Familienkonferenz sollte folgende Elemente aufweisen:

    • Vorstellung der Teilnehmer

    • Erfragen des derzeitigen Wissensstands

    • Information über Diagnose und Prognose in laienverständlicher Form

    • Ansprechen von Emotionen

    • Therapieziele gemeinsam festlegen

    • das Gesagte zusammenfassen und weiteres Vorgehen klären

  • Gelingt es, ein auf eine Intensivstation zugeschnittenes Palliativkonzept zu etablieren, profitieren sowohl Patienten als auch Angehörige und Teammitglieder davon.

  • Die prinzipielle Art der Kommunikation sollte nicht von der Prognose abhängen.

1 Nachdruck aus: AINS 2015; 50: 56 – 62