Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(05): 237-238
DOI: 10.1055/s-0034-1398225
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Referat – Körperliche Aktivität immer zu empfehlen

Theodor Stemper
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Publication Date:
13 January 2016 (online)

Hintergrund: Bei Typ-2-Diabetes ist der günstige Effekt von körperlicher Aktivität auf das kardiovaskuläre Risiko, aber auch die glykämische Kontrolle vielfach belegt. In einer deutsch-österreichischen Querschnittstudie prüften B. Bohn et al., inwieweit dies auch für Patienten mit Typ-1-Diabetes zutrifft.

Methoden: Basis der Auswertungen waren Daten von 18 028 Patienten mit Typ-1-Diabetes im Alter von 18 bis 80 Jahren aus Deutschland und Österreich, die in der Datenbank der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV) erfasst sind. Nach den eigenen Angaben zur körperlichen Aktivität (KA) wurden die Patienten in 3 Gruppen eingeteilt: in inaktive Patienten (KA0), in solche, die 1- bis 2-mal pro Woche mindestens über 45 Minuten aktiv waren (KA1) und diejenigen, die sich noch häufiger pro Woche über mindestens 45 Minuten hinweg körperlich betätigten (KA2). Die Autoren führten multivariable Regressionsanalysen hinsichtlich der glykämischen Kontrolle, Diabetes-abhängigen Komorbiditäten und kardiovaskulären Risikofaktoren durch und adjustierten die Daten für Geschlecht, Alter und Dauer der Diabeteserkrankung.

Ergebnisse: 63 % der Patienten gaben an, nicht aktiv zu sein (KA0), 1- oder 2-mal wöchentlich aktiv waren 19,9 % (KA1), noch häufiger 17,8 % (KA2). Frauen waren häufiger inaktiv als Männer (KA0: 66,0 vs. 60,5 %, p < 0,0001). Die Inaktivität nahm mit dem Alter weiter zu von 48,4 % bei den bis 30-Jährigen auf 78,0 % bei den 45- bis 80-Jährigen.

Der mediane HbA1c betrug 7,72 %, die Rate schwerer Hypoglykämien lag bei 23,52 pro 100 Patientenjahre, die Rate von Hypoglykämien mit Koma bei 6,31 pro 100 Patientenjahre. 45 % der Patienten waren übergewichtig, 14,6 % adipös. Eine Hypertonie wiesen 39,5 % der Patienten auf, 62 % eine Dyslipidämie.

Es zeigte sich für die meisten analysierten Parameter ein günstiger Einfluss der KA. So fanden die Autoren eine inverse Assoziation zwischen KA und dem HbA1c (p < 0,0001), der Häufigkeit einer diabetischen Ketoazidose (p < 0,0001), dem Body-Mass-Index (p < 0,0001), der Dyslipidämie (p < 0,0001) und einer Hypertonie (p = 0,0150). Auch zwischen KA und einer Retinopathie sowie einer Mikroalbuminurie fanden sich inverse Assoziationen (jeweils p < 0,0001). Die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien unterschied sich nicht statistisch signifikant zwischen den Gruppen (p = 0,8989), wohl aber die Rate schwerer Hypoglykämien mit Komafolge, die wieder invers mit der körperlichen Aktivität assoziiert war (p < 0,0001).

Folgerung: Körperliche Inaktivität scheint bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sogar verbreiteter zu sein als in gleichaltrigen Kohorten, möglicherweise aufgrund der Sorge um das Auslösen von Hypoglykämien, mutmaßen die Autoren. Dabei hat körperliche Aktivität auch bei Patienten mit Diabetes Typ 1 einen günstigen Effekt auf glykämische Kontrolle, diabetische Komplikationen und kardiovaskuläre Risikofaktoren, ohne dass mehr Hypoglykämien oder andere Nebenwirkungen zu befürchten sind. Die Daten unterstützen klar die Empfehlung der regelmäßigen körperlichen Betätigung bei Typ-1-Diabetes.

Friederike Klein, München