Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11 - P197
DOI: 10.1055/s-0036-1580944

Hohe Trefferquote und unerwartet deutliche Geschlechtsunterschiede beim präbariatrischen Dysglykämiescreening in einem interdisziplinären Adipositaszentrum

K Stein 1, L Schmidt 1, E Fischer 1, K Rövenich 1, E Weitz 1, P Staikov 2, K Rett 1
  • 1Krankenhaus Sachsenhausen, Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Frankfurt am Main, Germany
  • 2Krankenhaus Sachsenhausen, Abteilung für Chirurgie, Frankfurt, Germany

Bereits 1891 berichtete von Noorden, dass der „schlummernde Diabetes“ vieler fettleibiger Patienten durch einen oralen Glukosetoleranztest (oGTT) aufgedeckt werden kann1. Dagegen sieht die aktuelle S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas den oGTT nur „fakultativ“ vor. Nachdem die Adipositaschirurgie nicht nur Gewicht, Mortalität und HbA1c reduziert, sondern vielfach auch die Glukoseaufnahme akzeleriert, screenen wir im Rahmen der endokrinologischen Basisdiagnostik unseres Adipositaszentrums systematisch auf Dysglykämie.

Von 161 konsekutiven Adipositaspatienten (119 w, 42 m) ohne vorbekannten Diabetes wurden Dysglykämie-Datensätze (Nüchtern-Plasmaglukose, HbA1c und oGTT) ausgewertet.

[Mittelwerte ± SEM; w vs. m] Die Frauen waren jünger (38,8 ± 1,1 vs. 43,6 ± 2,6 Jahre), aber nur angedeutet leichter (BMI 48,3 ± 0,8 vs. 49,5 ± 1,8 kg/m2) als die Männer. Nüchtern-Plasmaglukose (101,1 ± 1,7 vs. 104,8+3,7 mg/dl) und HbA1c-Werte (5,75 ± 0,05 vs. 5,77 ± 0,08%) lagen jeweils im prädiabetischen Graubereich. Der oGTT war nur bei etwa einem Drittel der Patienten normal (35% vs. 27%). Die häufigste Störung war die abnorme Nüchtern-Plasmaglukose (IFG; 49% vs. 61%) vor der gestörten Glukosetoleranz (IGT; 25% vs. 33%), 1-Stunden Blutzuckerspitzen > 200 mg/dl (14% vs. 24%) und der Kombination IFG+IGT (13% vs. 15%).

Durch systematisches Dysglykämiescreening stellen sich die vermeintlich nicht-diabetischen Adipositaspatienten als mehrheitlich prädiabetisch heraus. Bei gleichem HbA1c und gleicher Nüchtern-Plasmaglukose treten alle Formen der Glukosetoleranzstörung bei den Männern häufiger auf. Angesichts der hohen Trefferquote und vor dem Hintergrund der nicht seltenen postbariatrischen Probleme, die im Zusammenhang mit der akzelerierten Glukoseaufnahme auftreten, halten wir ein Dysglykämiescreening vor jedem bariatrischen Eingriff für unverzichtbar.

Referenz: 1. Von Noorden C. Die Zuckerkrankheit und ihre Behandlung. 3. Auflage 1901, 1. Kapitel S. 25. August Hirschwald, Berlin.