PSYCH up2date 2016; 10(03): 215-234
DOI: 10.1055/s-0042-103824
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Selbstunsichere und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörungen

Peter Fiedler
,
Michael Marwitz
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Kernaussagen
  • Ein Hauptmerkmal der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung ist das Verharren in einem Konflikt zwischen Bindungs- und Autonomiebedürfnis. Das hat zur Folge, dass sich die Betroffenen nur schwer auf eine intime Beziehung einlassen können oder das Eingehen einer solchen, aufgrund der ausgeprägten Angst vor Zurückweisung, ganz vermeiden.

  • Patienten mit einer vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung erfüllen oft auch die diagnostischen Kriterien einer sozialen Phobie. Im Unterschied zu der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung haben Sozialphobiker zumeist nur eng umschriebene Phobien (z. B. vor öffentlichen Reden) und weisen vergleichsweise seltener komorbide Symptomstörungen auf.

  • Die schizoide und die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung weisen eine erhebliche Überlappung auf, sodass manche Autoren davon ausgehen, dass es sich um 2 Varianten derselben Störung handelt. Ein wesentliches differenzialdiagnostisches Kriterium ist jedoch das Vorhandensein von Angst (v. a. vor öffentlicher Kritik und Zurückweisung) bei der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung.

  • Bei der Ätiologie der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung spielen ein hohes physiologisches Erregungsniveau und eine ausgeprägte Schüchternheit eine zentrale Rolle. Ein ambivalent-ängstlicher Erziehungsstil, zunehmende Unsicherheit und negative Interaktionserfahrungen mit Peers tragen weiter zur Ausbildung der Störung bei. Schließlich kommt es zu einer zunehmenden Vermeidung sozialer Situationen, was mit einer Kumulation sozialer Kompetenzdefizite und Selbstentfremdung einhergeht.

  • Bei der Behandlung der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung kommen unterschiedliche Therapieverfahren zur Anwendung: Psychodynamische Verfahren, Interpersonelle Psychotherapie und Kognitive Verhaltenstherapie. Empirisch am besten evaluiert sind Verfahren der Kognitiven Verhaltenstherapie. Idealerweise sollte die Behandlung im Gruppenformat erfolgen.

  • Bei der Behandlung mittels Kognitiver Verhaltenstherapie sollten die 3 Problembereiche des Störungsbilds fokussiert bearbeitet werden: das negative Selbstkonzept, die sozialen Ängste und die Defizite im Bereich der sozialen Kompetenz. Dabei kommt der Reduktion der sozialen Ängste eine wesentliche Rolle zu, wobei ein graduiertes Vorgehen empfohlen wird und Techniken der Angstbewältigung (z. B. in Form von PME) eingesetzt werden sollten.



Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Mai 2016 (online)

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