Z Orthop Unfall 2016; 154(06): 595-600
DOI: 10.1055/s-0042-109568
Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Besteht ein Zusammenhang zwischen der degenerativen Bandscheibenveränderung und dem Auftreten von lumbalen Bandscheibenvorfällen?

Are There Correlations Between Disc Degeneration and the Appearance of Lumbar Disc Herniations?
O. Linhardt
1   Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädiezentrum Arabellapark München
,
J. Grifka
2   Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Bad Abbach
,
A. Benditz
2   Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Bad Abbach
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Juni 2016 (online)

Preview

Zusammenfassung

Hintergrund: Der Zusammenhang von Bandscheibenvorfällen und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ist für den klinischen Alltag und gutachterliche Fragestellungen interessant. In der vorliegenden klinisch-radiologischen Studie wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen degenerativen Bandscheibenveränderungen (Chondrose) und dem Auftreten von lumbalen Bandscheibenvorfällen besteht.

Patienten und Methode: Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine klinisch-radiologische retrospektive Studie, welche im Rahmen einer konservativen oder operativen Behandlung von Rückenpatienten im Zeitraum von 2011 bis 2013 durchgeführt wurde. Dazu konnten 100 Patienten mit Bandscheibenvorfällen und Chondrose in aktuellen MRT-Bildern akquiriert werden. Hierbei wurde der Anteil der Fälle mit Vorfall und Chondrose, mit alleinigem Vorfall sowie mit alleiniger Chondrose ermittelt. Die statistische Auswertung des Zusammenhangs von Chondrose und Vorfall erfolgte mit dem Chi-Quadrat-Test. Zusätzlich wurden die Odds Ratios für Vorfall und Chondrose sowie die Interobserver-Reliabilität (Kappa-Wert) zwischen Primär- und Sekundärbefundung des radiologischen Bildmaterials berechnet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden bei unseren 100 Patienten in allen lumbalen Segmenten 119 radiologische Befunde (entspricht 100 %) erhoben, davon wurden 54-mal (45 %) Bandscheibenvorfälle mit Chondrosen, 43-mal (36 %) nur Bandscheibenvorfälle und 22-mal (19 %) nur Chondrosen festgestellt. Hauptsächlich betroffen sind dabei die Segmente LWK IV/V und LWK V/SWK I. Ein Zusammenhang von Bandscheibenvorfall und Chondrose konnte statistisch mit dem Chi-Quadrat-Test nachgewiesen werden. Bei den Odds Ratios zeigte sich ein Bandscheibenvorfall mit Chondrose 1,25-mal häufiger als ein Bandscheibenvorfall ohne Chondrose und eine Chondrose mit Bandscheibenvorfall ergab sich 2,37-mal häufiger als die Chondrose ohne Bandscheibenvorfall. Die Interobserver-Reliabilität ergab einen Kappa-Wert von 0,79 bei den Bandscheibenvorfällen und einen Kappa-Wert von 0,85 bei den Chondrosen.

Schlussfolgerung: Anhand unserer Arbeit ließ sich erkennen, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle ein Bandscheibenvorfall in Kombination mit einer Chondrose auftritt. Ein Zusammenhang von Bandscheibenvorfall und Chondrose im selben Segment konnte statistisch nachgewiesen werden. Bei der Interobserver-Reliabilität wurde eine gute Übereinstimmung der radiologischen Befunde bei Bandscheibenvorfällen und eine sehr gute Übereinstimmung bei Chondrosen festgestellt.

Abstract

Background: The correlation between disc prolapse and disc degeneration is important in the evaluation of clinical and occupational disease. The present clinical radiological study investigated whether there is a correlation between disc degeneration (chondrosis) and disc prolapses.

Patients and Methods: The present study is a retrospectively trial which was performed with conservatively and surgically treated patients from 2011 till 2013 in our clinic. 100 patients with disc prolapse and chondrosis in current MRI images were recruited. We classified patients into those who exhibited a prolapse and chondrosis in the same segment, those with only disc prolapse and those with only chondrosis. Statistical evaluation for the correlation between chondrosis and disc prolapse was performed with the chi-square test. Odds ratios for prolapse and chondrosis were calculated, as well as interobserver reliability (kappa-value) between the first and second observers of radiological images.

Results: In all segments in our 100 patients, 119 radiological findings were made (= 100 %). 54 findings (45 %) with disc prolapse in combination with chondrosis were identified in the same lumbar segment. 43 findings (36 %) exhibited disc prolapse without chondrosis and 22 (19 %) chondrosis without prolapse. In most cases, the findings were seen in the last two segments. There was a statistical correlation between disc prolapse and chondrosis, as seen with the chi-squared test. As regards odds ratios, disc prolapse with chondrosis was 1.25-fold more frequent than prolapse without chondrosis; chondrosis with prolapse was 2.37-fold more frequent than chondrosis without prolapse. The interobserver reliability showed a kappa-value of 0.79 with disc prolapses and a kappa-value of 0.85 with chondrosis.

Conclusion: For patients with disc prolapse and chondrosis in the same segment, chondrosis was mostly seen in combination with a prolapse. A causal relation was found between prolapse and chondrosis in the same segment. The interobserver reliability showed high correlation for radiological findings with disc prolapse and very high correlations with chondrosis.