Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2017; 22(01): 43-53
DOI: 10.1055/s-0042-111421
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Analyse der AMNOG-Erstattungsbeträge im europäischen Preisumfeld

Analysis of German new drug prices after AMNOG in relation to European prices
Thomas Hammerschmidt
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Publication Date:
21 July 2016 (online)

Zusammenfassung

Zielsetzung In der Vergangenheit gehörten die deutschen Arzneimittelpreise zu den höchsten Preisen in Europa. Seit 2011 durchlaufen neu eingeführte, patentgeschützte Arzneimittel in Deutschland gemäß dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eine Nutzenbewertung, die Grundlage von Preisverhandlungen zwischen pharmazeutischen Unternehmern und dem GKV-Spitzenverband ist. Die Verhandlungen resultieren in einem Erstattungsbetrag, der ein Jahr nach Markteinführung gültig wird. Zu berücksichtigende Kriterien in dieser Verhandlung sind unter anderem der Zusatznutzen und Preise des Medikaments in anderen EU-Ländern. Ziel der Studie ist es, die Ergebnisse der Erstattungsbetragsverhandlungen zu analysieren und speziell zu untersuchen, wie Arzneimittelhersteller bei Markteinführung die Abgabepreise (Launchpreise) im Vergleich zu den in den Erstattungsbetragsverhandlungen relevanten EU-Ländern setzen und wie sich die Erstattungsbeträge in das europäische Preisniveau einfügen.

Methodik Analyse und Vergleich der Launchpreise und der Erstattungsbeträge sowie der publizierten EU-Preise aus 14 für die Preisverhandlung relevanten Ländern für alle Arzneimittel mit veröffentlichtem Erstattungsbetrag zwischen 2011 und 2015.

Ergebnisse Für 85 Medikamente liegen Erstattungsbeträge und europäische Preise vor. Die Erstattungsbeträge weisen einen durchschnittlichen Abschlag vom Launchpreis von 26,2 % mit großer Spannbreite aus. Der Abschlag ist signifikant größer bei den Produkten, die die Hersteller vom Markt genommen haben, sowie bei neurologischen Therapiegebieten. Der Abschlag ist signifikant vom Ausmaß des Zusatznutzens abhängig. Bei 56,5 % der Medikamente liegen die deutschen Launchpreise über dem höchsten europäischen Preis, im Durchschnitt um 4,2 %. Die Erstattungsbeträge liegen in 30,6 % der Fälle unter dem niedrigsten europäischen Preis und im Durchschnitt 6,4 % über dem niedrigsten und 11,9 % unter dem durchschnittlichen europäischen Preis.

Schlussfolgerung Deutschland ist im ersten Jahr der freien Preisbildung weiterhin ein Hochpreisland in Europa. Der mit dem Zusatznutzen korrelierende Abschlag führt zu einem Erstattungsbetrag, der im unteren Bereich der europäischen Preise liegt. Das AMNOG erreicht somit das Wirtschaftlichkeitsziel, die zuvor im europäischen Vergleich hohen deutschen Arzneimittelpreise bedeutsam zu senken.

Abstract

Objectives In the past, German drug prices were not regulated at launch (i. e. free pricing at full reimbursement) and among the highest in Europe. In 2011, the Pharmaceutical Market Restructuring Act (AMNOG) introduced a benefit assessment followed by negotiations of a reimbursement price immediately after launch of new, patent-protected drugs. Today, free pricing is only possible during the first 12 month after launch. Among others, relevant criteria in the price negotiations are the added benefit and the corresponding drug prices from specified European countries. The objective of this study is to analyze the results of the price negotiations with a specific focus on how manufacturers in Germany set their prices at launch and how reimbursement prices fit in the EU price range.

Methods Analysis of launch and reimbursement prices as well as published prices from relevant EU countries for all drugs with a published reimbursement price between 2011 and 2015.

Results 85 drugs are included in the analysis. Price negotiations reduce the launch price by 26.2 % on average with wide variation. Reduction is significantly higher for those drugs which were taken from the market by the manufacturer (opt out) as well as for neurology drugs. Reductions are significantly associated with the extent of added benefit of the drugs. German launch prices present the highest price in the EU countries for 56.5 % of the drugs. On average they are set 4.2 % above the highest price in the other EU countries. Negotiated reimbursement prices are lower than the minimum EU price for 30.6 % of drugs. On average, reimbursement prices are 6.4 % above the minimum and 11.9 % below the average EU-price.

Conclusions Under AMNOG, Germany is still a high-priced market in the first year after launch. Negotiated reimbursement prices reflect the benefit of the drugs. After the negotiations, Germany can be considered to be a relatively low-priced market compared with other EU countries. AMNOG achieved the objective to establish cost-efficient drug prices.