Gesundheitswesen 2017; 79(10): 865-870
DOI: 10.1055/s-0042-123848
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stabilität und Wechsel der von angehenden Fachärztinnen und Fachärzten angestrebte fachärztliche Anerkennung nach vier Weiterbildungsjahren

Stability and Change of Medical Specialty of Residents over Four Years of Postgraduate Training in Germany
Hendrik van den Bussche
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Stine Ziegler
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Lea Krause-Solberg
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Martin Scherer
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
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Publication Date:
16 May 2017 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Es wurde untersucht, in welcher Disziplin Ärztinnen und Ärzte nach 4 Jahren Weiterbildung ihre fachärztliche Anerkennung anstreben und die Ergebnisse mit denen vorhergehender Erhebungen verglichen. Im Fokus standen dabei geschlechtsspezifische Unterschiede und der Einfluss der Elternschaft.

Methoden Es wurden jährlich standardisierte postalische Befragungen mit den Absolventinnen und Absolventen von 7 medizinischen Fakultäten vom Praktischen Jahr bis nach 4 Jahren Weiterbildung durchgeführt. Die Rücklaufquote betrug 48% im ersten Jahr und in den Folgejahren stets 85% und mehr. In allen Erhebungen waren etwa zwei Drittel der Befragten weiblich. Zur Datenauswertung wurden deskriptive Statistik und Regressionsanalysen angewandt.

Ergebnisse Im Vergleich zum Ende des Medizinstudiums haben Anästhesiologie und Allgemeinmedizin an Beliebtheit gewonnen, während die chirurgischen Disziplinen über die Jahre ihre Attraktivität eingebüßt haben. Diese Entwicklungen fanden in beiden Geschlechtern statt. Innere Medizin mit Schwerpunkt, Kinderheilkunde und Frauenheilkunde verloren vor allem bei Frauen an Popularität. Disziplinpräferenzen hängen nachweislich mit dem bevorzugten Arbeitszeitmodell nach der Weiterbildung und mit dem Elternschaftsstatus zusammen.

Schlussfolgerung Die Daten zeigen, dass nicht die „Feminisierung“ Grund für den Attraktivitätszuwachs der Anästhesiologie und Allgemeinmedizin ist, denn diese Entwicklungen waren in den 4 Jahren Weiterbildung in beiden Geschlechtern zu beobachten. Die abnehmende Beliebtheit der klinischen und insbesondere der schneidenden Disziplinen erhöhen das Risiko einer personellen Unterversorgung im Krankenhaus. Dieses Problem könnte durch die zunehmende Attraktivität von Teilzeitarbeit noch verstärkt werden.

Abstract

Aim We analyzed medical residents’ preferences in Germany with regard to the specialization fields after 4 years of postgraduate training and compared them to their preferences in the years before, e. g. at the end of undergraduate education in a gender comparative perspective, including the influence of parenthood.

Methods The study is based on annual postal surveys of students of 7 medical faculties in Germany from their last year of medical school (“Practical Year”) until after 4 years of postgraduate training. The return rate at baseline was 48% and in the 4 surveys thereafter the rates were 85% and above. In all samples, about two-thirds of respondents were women, which corresponds to the actual gender distribution in under- and postgraduate training. Descriptive statistics and regression analyses were used.

Results Compared to the end of undergraduate education, anaesthesiology and general practice were the disciplines which gained in attraction, whereas surgical disciplines lost significantly in their attraction. These developments were similar in both genders. Specialized internal medicine, paediatrics and gynaecology lost attraction among female physicians only. We found important correlations of disciplinary preferences with parenthood and with the preference for part-time work after graduation.

Conclusion The data show that “feminization” is not the reason why both anaesthesiology and general practice gained in attraction, since this happened over the 4 years among both male and female physicians. The loss in attraction in all great clinical disciplines, especially in surgery, orthopaedics and urology, may lead to severe problems in supply of medical manpower in the hospital, especially when combined with preference for part-time work.

 
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