Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(13): 1008-1009
DOI: 10.1055/s-0043-113109
Facharztfragen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Porphyrien

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Juli 2017 (online)

Eine 42-jährige Frau klagt über immer wieder auftretende kolikartige Bauchschmerzen. Dabei – so berichten ihre Angehörigen – wirke sie oft verwirrt, teilweise halluzinierend. Welche seltene Differenzialdiagnose sollten Sie in einer solchen Situation berücksichtigen?
Antwort

Die Porphyrie.

Kommentar

Bei anfallsartigen abdominellen Koliken und Psychosymptomatik:

An akute intermittierende Porphyrie denken.

Können Sie uns einen einfachen diagnostischen Test dazu nennen?
Antwort

Wenn man den Urin stehen lässt, kommt es zu einer rötlichen Verfärbung.

Kommentar

Akute intermittierende Porphyrie:

  • Rotfärbung des Urins beim Stehenlassen

  • rötliche Flecken in der Unterwäsche

Halten Sie diesen Test für sehr sensitiv?
Antwort

Nein, er ist nur in 50 % positiv.

Kommentar

Rotverfärbung des Urins bei akuter intermittierender Porphyrie:

  • nur in 50 % der Fälle Rotfärbung

  • diagnostisch aussagekräftiger: Porphobilinogen im Urin (Watson-Schwartz-Test), quantitative Bestimmung der δ-Aminolävulinsäure

Was versteht man eigentlich unter einer Porphyrie?
Antwort

Allgemein gesagt: einen angeborenen oder erworbenen Enzymdefekt der Hämbiosynthese mit Akkumulation von Porphyrinen und Porphyrinvorstufen.

Kommentar

Je nach Lokalisation des Enzymdefekts kommt es zu unterschiedlichen Porphyrinprofilen und klinischen Beschwerden.

Wir hatten über die akute intermittierende Porphyrie gesprochen. Können Sie noch einmal kurz etwas zu deren Symptomen sagen?
Antwort

Sie betreffen das Abdomen mit Schmerzen, das ZNS mit neurologischen Ausfällen und psychischen Symptomen sowie das Herz mit einer Tachykardie.

Kommentar

Symptome der akuten intermittierenden Porphyrie:

  • Abdomen:

    • Koliken

    • Übelkeit

    • Erbrechen

    • Obstipation

    • Diarrhö

  • ZNS/Psyche:

    • periphere Lähmungen

    • Muskelschwäche

    • Parästhesien

    • Atemlähmung

    • Krampfanfälle

    • Verwirrung, Halluzinationen

    • Koma

    • Depression

  • Herz, Kreislauf:

    • Tachykardie

    • Hypertonus

    • Arrhythmien

Wie wird die Diagnose gesichert?
Antwort

Durch eine Bestimmung der Porphobilinogene im Urin.

Kommentar

Diagnose bei V. a. akute intermittierende Porphyrie:

  • Daran denken!

  • Porphobilinogen im Urin

  • δ-Aminolävulinsäure im Urin

  • Bestimmung aus Spontanurin möglich

Wie kommt es eigentlich zu den typischen Anfällen?
Antwort

Durch Auslöser wie Alkohol, Hormone, Medikamente.

Kommentar

Auslöser akuter Beschwerden bei der akuten intermittierenden Porphyrie:

  • Alkohol

  • Hormone

  • Medikamente

  • Infekte

  • Stress

  • Fasten

Was meinen Sie in diesem Zusammenhang mit „Hormonen“?
Antwort

Steroidhormone, z. B. vor der Menstruation, aber auch während der Schwangerschaft.

Kommentar

Hormonelle Auslöser bei akuter intermittierender Porphyrie:

  • vor der Menstruation

  • während/nach der Gravidität

  • Kontrazeptiva

Und welche Medikamente können einen Anfall auslösen?
Antwort

Zahlreiche, z. B. Barbiturate, Sulfonamide, Theophyllin, Carbamazepin.

Kommentar

Medikamente, die eine Porphyrie auslösen können:

  • Barbiturate

  • Carbamazepin, Phenytoin, Valproinsäure

  • Phenylbutazon, Diclofenac

  • Sulfonamide

  • Theophyllin

  • Halothan

Gibt es ein Medikament, das bei akuter intermittierender Porphyrie gegen Kopfschmerzen eingenommen werden kann?
Antwort

Ja, Paracetamol.

Kommentar

Erlaubte Medikamente bei akuter intermittierender Porphyrie:

  • Schmerzmittel:

    • ASS, Paracetamol

    • Morphin

  • Antibiotika:

    • Penicillin, Tetracycline, Cephalosporine

Wie können Sie einem Patienten mit akuter intermittierender Porphyrie in einem Anfall helfen?
Antwort

Durch Absetzen der Noxe, Glukose i. v., außerdem Häm-Arginin, Glukokortikoide. Je nach Beschwerdebild dann auch symptomatische Therapie.

Kommentar

Therapie des akuten Anfalls bei akuter intermittierender Porphyrie:

  • Noxe ausschalten

  • Glukose i. v. (Glukose hemmt die Synthese der δ-Aminolävulinsäure)

  • Häm-Arginin i. v.

  • Glukokortikoide (bei schwerer neurologischer Symptomatik)

  • symptomatisch

Was meinen Sie mit symptomatisch?
Antwort

Schmerzmedikation, Behandlung einer kardialen Symptomatik, Sedierung.

Kommentar

Symptomatische Therapie während eines akuten Anfalls:

  • Schmerzen:

    • Paracetamol, ASS, Morphin

  • Übelkeit:

    • Ondansetron

  • Kardiale Symptomatik:

    • Propranolol

  • Sedierung:

    • Chlorpromazin, Chloralhydrat

  • Behandlung von Infekten:

    • Penicillin, Tetracycline

Und wie können Sie einem Patienten langfristig helfen?
Antwort

Durch konsequentes Vermeiden der Noxen, evtl. durch Häm-Arginin.

Kommentar

Langzeittherapie bei akuter intermittierender Porphyrie:

  • Noxen meiden, Patienteninformation, Patientenpass

  • bei häufigen Anfällen: evtl. Häm-Arginin i. v., einmal pro Woche

Sie haben jetzt über die akute intermittierende Porphyrie gesprochen. Gibt es noch andere Porphyrien?
Antwort

Ja, die chronische hepatische Porphyrie.

Kommentar

Porphyrien:

  • Chronische hepatische Porphyrie:

    • häufigste Porphyrie (20 – 50 pro 100 000 Einwohner)

    • Männer häufiger betroffen als Frauen

  • Akute intermittierende Porphyrie:

    • zweithäufigste Porphyrie (5 – 10 pro 100 000 Einwohner)

    • Frauen häufiger betroffen als Männer

Was macht die chronische hepatische Porphyrie für Beschwerden?
Antwort

Im Vordergrund stehen die Photosensibilisierung der Haut und der Leberschaden.

Kommentar

Chronische hepatische Porphyrie = Porphyria cutanea tarda:

  • Haut:

    • Photosensibilisierung: Blasen, Narben, Hyperpigmentierung, Vulnerabilität

  • Leber:

    • chronische Leberschädigung, Leberenzymanstieg

Kennen Sie die Auslöser für diese Erkrankung?
Antwort

Der Defekt wird autosomal-dominant vererbt, auslösende exogene Faktoren sind Alkohol, Östrogene, manche Chemikalien.

Kommentar

Auslösende Faktoren bei chronischer hepatischer Porphyrie:

  • Alkohol

  • Östrogene

  • Chemikalien

Können Sie uns etwas zur Therapie sagen?
Antwort

Die Noxen, die Anfälle auslösen, sollten gemieden werden. Therapeutisch werden Aderlässe eingesetzt, außerdem Chloroquin. Darüber hinaus: symptomatische Behandlung.

Kommentar

Therapie der chronischen hepatischen Porphyrie:

  • Noxen meiden:

    • kein Alkohol

    • keine oralen Antikonzeptiva

  • Aderlässe:

    • 500 ml 2- bis 4-wöchentlich

  • Chloroquin:

    • 2 × 150 mg/Woche

  • Symptomatisch:

    • Lichtschutzsalbe

Kennen Sie noch andere Porphyrien?
Antwort

Ja, die erythropoetischen Porphyrien.

Kommentar

Erythropoetische Porphyrien:

  • autosomal-dominant oder -rezessiv vererbt

  • sehr selten

  • Manifestation an der Haut: Lichtdermatose

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783131359551