Zusammenfassung
Im Unterschied zu Leistungen der GKV werden Anträge auf
medizinische Rehabilitation nur auf der Grundlage von zum Teil gesetzlich normierten Kriterien
gewährt. Hierbei kommt es in manchen Fällen zu einer Übergewährung von
Leistungen. Zur Minimierung dieses Problems werden in der vorliegenden Studie Informationen
über den subjektiven Gesundheitszustand von Antragstellern in den prüfärztlichen
Entscheidungsprozess integriert. Der Rücklauf der postalischen Befragung der Antragsteller
(87 %) sowie die Beurteilung des ärztlichen Prüfdienstes belegen die
Praktikabilität des Verfahrens. Im Vergleich zu einer Population von prästationär
befragten Rehabilitanden schilderten sich die Antragsteller auf einzelnen Dimensionen des an der
ICIDH orientierten Gesundheitsstatus als stärker eingeschränkt, wobei sich die jeweiligen
Streuungen bei beiden Populationen ähnelten. Die befragten Antragsteller machten darüber
hinaus in den letzten 12 Monaten selten Gebrauch von komplementären Behandlungen sowie
sozialmedizinischen und rechtlichen Beratungen. Ein weiteres überraschendes Ergebnis bestand
in der fehlenden Assoziation zwischen Dimensionen des subjektiven Gesundheitszustandes und der
Begutachtungsentscheidung/Rehabilitationsempfehlung. Hierin manifestiert sich ein
schwerwiegendes Legitimations- und Akzeptanzproblem prüfärztlichen Handelns.
Subjective Health and Need for Medical Rehabilitation by Patients Insured by the
Federal German Statutory Health Insurance Scheme Who Apply for Such Rehabilitation
Unlike
services paid through the Federal German Health Insurance, applications for medical rehabilitation
are granted based on defined criteria. In some cases, rehabilitation is granted without apparent
reason. Seeking to minimize this problem, this study integrates information on the subjective
health status into the decision-making process of medical examiners. The return rate of the postal
questionnaire (87 %) as well as the evaluation of the examiners documented the
practicability of the approach. The interviewed applicants described themselves as more limited in
their abilities on several health dimensions (ICIDH) compared to a population of prestationary
interviewed rehabilitation patients, whereby the standard deviations in both populations were
similar. Furthermore, the applicants rarely utilized complementary treatments and
sociomedical/legal advice. A surprising result lies in the mostly non-existent association
between the subjective health status and the medical decisions. This constitutes a significant
difficulty in legitimizing the decision-making process of the medical examiners.
Key words
Medical Rehabilitation - ICIDH - Recommendation
for Rehabilitation - Questionnaires
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30-37
Fußnoten
1 Die LVA Schleswig-Holstein lässt eine Begutachtung nur dann
durchführen, wenn eine Entscheidung über den Antrag durch Akteneinsicht und eventuell
weitere Ermittlungen bei Hausärzten, Krankenhäusern etc. nicht möglich ist.
2 Wir möchten in diesem Zusammenhang der LVA Schleswig-Holstein
herzlich für ihre großzügige Unterstützung und die ausgezeichnete
Zusammenarbeit danken. Ein besonderer Dank gilt Frau Dr. Glaser-Möller für die kritische
Durchsicht zweier früherer Versionen des Manuskripts.
3 Nicht berücksichtigt wurden die Angaben zur
Schmerzintensität (numerische Ratingskala).
Prof. Dr. med. et phil. Heiner Raspe
Institut für SozialmedizinMedizinische Universität zu Lübeck
Beckergrube 43-47
23552 Lübeck
Email: Heiner.Raspe@sozmed.mu-Luebeck.de