Pneumologie 2000; 54(7): 287-288
DOI: 10.1055/s-2000-4453
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Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pneumokokkenschutzimpfung

T. Schaberg
  • Zentrum für Pneumologie, Diakoniekrankenhaus Rotenburg
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Die ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfiehlt in ihren Impfempfehlungen vom Januar 2000 die Pneumokokkenschutzimpfung als Indikationsimpfung für Personen über 60 Jahre sowie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie z. B. chronischen Lungen-, Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, Immundefizienz, HIV-Infektionen, Erkrankungen der blutbildenden Organe, funktionelle oder anatomische Asplenie, vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie und vor Organtransplantationen [[1]]. Aus diesen Impfempfehlungen ergibt sich für das von den pneumologischen Kolleginnen und Kollegen zu betreuende Patientengut eine große Zahl von Personen, die als Kandidaten für die Pneumokokkenschutzimpfung infrage kommen. Dies umso mehr, als die Relevanz von pneumokokkeninduzierten Infektionen im Bereich des oberen und unteren Respirationstraktes zum Beispiel bei der Infektexazerbation der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung, den ambulant erworbenen Pneumonien und z. T. auch bei den nosokomialen Pneumonien unumstritten ist [[2] [3] [4] [5]]. Ein weiterer wichtiger Grund über die Impfung nachzudenken, ergibt sich aus der schlechten Prognose invasiv verlaufender Pneumokokkenerkrankungen, die unverändert mit 20 - 30 % eine hohe Mortalität zeigen [[6]], und der Tatsache, dass aufgrund jüngster Untersuchungen ein enger Zusammenhang zwischen dem Zigarettenrauchen und dem Risiko, an einer invasiven Pneumokokkeninfektion zu erkranken, besteht [[7]].

Prinzipiell ist die Impfung durch das Gemisch von Polysaccharid-Antigenen der 23 am weitesten verbreiteten Pneumokokken-Serotypen in der Lage, einen Schutzeffekt gegenüber 85 - 90 % aller human-pathogenen Pneumokokken zu vermitteln. Auch die Immunogenität des Impfstoffes ist günstig [[8]], wobei allerdings eine Altersabhängigkeit dahingehend besteht, dass bei weiter fortgeschrittenem Lebensalter die Antikörperbildung von typenspezifischen IgG-2-Antikörpern im Vergleich zu jungen Menschen vermindert ist [[9]]. Wesentliche Verträglichkeitsprobleme, abgesehen von diskreten lokalen Nebenwirkungen, bestehen nicht. Die Schutzwirkung der Impfung setzt nach ca. 3 Wochen ein und induziert einen Effekt für die kommenden 7 - 10 Jahre [[10]]. Da bei älteren Patienten die Antikörper-Titer bereits nach 6 Jahren deutlich sinken, ist in dieser Personengruppe eine Booster-Impfung nach 5 - 6 Jahren empfohlen [[11]].

Trotz dieser Tatsache ist die Durchimpfungsrate unserer Patienten mit vermutlich weniger als 20 % gering [[12]]. Ursächlich hierfür ist vor allem die nicht einheitliche Bewertung der Effektivität der verfügbaren 23-valenten Pneumokokken-Vakzine.

1986 stellten Simberkof u. Mitarb. [[13]] die Daten einer randomisierten Untersuchung über die Effektivität der Pneumokokkenschutzimpfung bei Risikopatienten vor. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Lebensalter von mehr als 55 Jahren sowie mindestens einer chronisch-internistischen Erkrankung. Als Vakzine fand die damals übliche 14-valente Pneumokokkenvakzine Verwendung. In der zweijährigen Beobachtungsphase nach der Impfung bzw. Plazebo-Gabe erkrankten von den 1145 Patienten, die geimpft worden sind, 36 an einer Pneumokokkeninfektion, wohingegen nur 27 Patienten eine solche Infektion erlitten, die eine Plazebo-Injektion erhalten hatten. Die Schlussfolgerung der Autoren war daher die, dass die 14-valente Pneumokokkenvakzine keinen hinreichenden Schutz bei Risikopatienten vermittelt. Kritisch anzumerken ist zu der Untersuchung von Simberkof u. Mitarb. jedoch, dass bei der Diagnose einer Pneumokokkeninfektion nicht sorgfältig zwischen einer Pneumokokken-Kolonisation, einer lokalen Infektion und einer systemischen Infektion unterschieden worden ist. Dies wird vor allem daran deutlich, dass das Auftreten einer pneumokokkenbedingten Bronchitis in der Untersuchung als Therapieversagen bewertet worden ist, obwohl ein Schutzeffekt gegenüber der Infektexazerbation der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung bekanntermaßen nicht vorhanden ist. Darüber hinaus muss kritisch angemerkt werden, dass die 14-valente Pneumokokkenvakzine lediglich 60 - 70 % der human-pathogenen Pneumokokkenstämme erfasst. In einer Kohorten-Studie untersuchten 1988 Simms u. Mitarb. [[14]] 122 Patienten mit einem Lebensalter von 55 und mehr Jahren, die an einer bakteriämisch-verlaufenden Pneumokokkeninfektion erkrankten. Als Vergleichskohort wurde im Verhältnis 1 : 2 ein Kollektiv von Patienten gleichen Alters und gleicher Komorbidität herangezogen. Die Untersuchung zeigt, dass sich bei den Kontrollen mit 21 % eine signifikant höhere Impfrate fand, als in der Gruppe der erkrankten Patienten, von denen nur 8 % geimpft waren. Hieraus errechnete sich eine klinische Effektivität der 14-valenten Pneumokokkenvakzine von 70 %. Somit deutet die Untersuchung von Simms u. Mitarb. darauf hin, dass zumindest schwerwiegende Verläufe einer Pneumokokkeninfektion, die mit Bakteriämie einhergehen, durch die Impfung vermieden werden können.

Eine ähnliche Interpretation der Daten lässt auch die 1991 von Shapiro u. Mitarb. [[15]] veröffentlichte Untersuchung zu. In diese Studie wurden Patienten mit kulturell nachgewiesener Pneumokokkeninfektion eingeschlossen. Als Kontrollgruppe diente ein vergleichbares Kollektiv ohne vorausgegangene Pneumokokkeninfektion. Bei der Auswertung der Gesamtzahl der Patienten zeigte sich, dass 13 % der 1054 Patienten eine Pneumokokkenschutzimpfung erhalten hatten, wohingegen in der Kontrollgruppe ohne Pneumokokkeninfektion 20 % geimpft worden waren. Aus diesen Daten konnte eine protektive Effektivität der Impfung für das Gesamtkollektiv von 56 % errechnet werden. Dabei fand sich ein deutlicher Unterschied zwischen der Effektivität bei immunkompetenten Patienten (61 %) und immunkompromittierten Patienten (21 %). In der von Koivula u. Mitarb. 1997 veröffentlichten Untersuchung [[16]] des Effektes der Pneumokokkenvakzine bei älteren Menschen konnte zwar kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Pneumokokkenpneumonie-Inzidenz zwischen den geimpften und nicht geimpften Patienten festgestellt werden, es fand sich jedoch ein klarer Schutzeffekt in der Hochrisikogruppe der Patienten mit einem Lebensalter von mehr als 70 Jahren und kardialer bzw. pulmonaler Komorbidität. Die Häufigkeit von Pneumokokkenpneumonien bei diesen Hochrisikopatienten betrug in der geimpften Gruppe 4/1000 Personenjahre und in der nicht geimpften Gruppe 19/1000 Personenjahre. Hieraus ergibt sich für die Risikopatienten eine Schutzwirkung von 59 %.

In ähnlicher Weise können auch die Daten von Örtqvist u. Mitarb. aus dem Jahre 1998 [[17]] interpretiert werden. Auch diese Untersucher fanden hinsichtlich des allgemeinen Schutzeffektes in dem Gesamtkollektiv von 691 Patienten keinen Effekt der Pneumokokkenschutzimpfung hinsichtlich der Inzidenz der Pneumokokkenpneumonie. Allerdings stellte auch diese Untersuchung fest, dass die Zahl der bakteriämisch-verlaufenden Pneumokokkeninfektionen deutlich reduziert werden konnte.

In meinen Augen ist es somit klar erwiesen, dass die heute verfügbare 23-valente Pneumokokkenvakzine in der Lage ist,

bakteriämisch verlaufende Pneumokokkeninfektionen signifikant und hocheffizient zu reduzieren, und dass von der Impfung insbesondere Patienten profitieren, bei denen das Risiko für eine invasive Pneumokokkeninfektion hoch ist.

Da zum Risikoprofil invasiver Pneumokokkenerkrankungen insbesondere ein hohes Lebensalter, eine pulmonale Komorbidität und das Zigarettenrauchen zählen, ergibt sich eine mehr als hinreichende Begründung, die Pneumokokkenschutzimpfung denjenigen, der von uns betreuten Patienten anzubieten, die über ein entsprechendes Risikoprofil verfügen. Von Bedeutung ist allerdings die Tatsache, dass die Patienten darüber aufgeklärt werden müssen, dass die Schutzwirkung sich auf eine lebensbedrohliche Form der Pneumokokkeninfektion bezieht und ein Effekt hinsichtlich der Schleimhautinfektion des unteren Respirationstraktes i. S. einer Exazerbation einer chronischen Bronchitis nicht erwartet werden darf.

Literatur

  • 1 Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut . Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission.  Epidemiol Bull. 2000;  2 9-20
  • 2 Allewelt M, Steinhoff D, Rahlwes M, Vogel-Hartmann H, Höffken G, Schaberg T, Lode H. Wandel im Erregerspektrum ambulant erworbener Pneumonien (1982 - 1992).  Dtsch Med Wschr. 1997;  122 1027-1032
  • 3 Huchon G, Woodhead M, Gialdroni-Grassi G, Leophonte P, Manresa F, Schaberg T, Torres A. Management of adult community-aquired lower respiratory tract infections.  Eur Respir Rev. 1998;  8 391-426
  • 4 Schaberg T, Dalhoff K, Lorenz J, Mauch H, Wilkens H, Witt C. , Deutsche Gesellschaft für Pneumologie . Empfehlungen zur Diagnostik der ambulant erworbenen Pneumonie.  Pneumologie. 1997;  52 450-462
  • 5 Torres A, El-Ebiary M, Zavala E. Severe community-acquired pneumonia.  Sem Respir Crit Care Med. 1996;  17 265-272
  • 6 Pallares R, Linares J, Vadillo M, Cabellos C, Manresa F, Viladrich P F, Martin R, Gudiol F. Resistance to penicillin and cephalosporin and mortality from severe pneumococcal pneumonia in Barcelona, Spain.  N Engl J Med. 1995;  333 474-480
  • 7 Nuorti J P, Butler J C, Farley M M, Harrison L H, McGeer A, Kolczak M S, Breiman R F. et al . Cigarette smoking and invasive pneumococcal disease.  N Engl J Med. 2000;  342 681-689
  • 8 Aaberge I S, Steinsvik T E, Groeng E C, Leikvold R B, Lovik M. Human antibody response to a pneumococcal vaccine in SCID-PBL-hu mice and simultaneously vaccinated human cell donors.  Clin Exp Immunol. 1996;  105 12-7
  • 9 Fedson D S. Influenza and pneumococcal vaccination in the elderly.  Prev med. 1994;  23 751-755
  • 10 Centers for Disease Control and Prevention . General recommendations on immunization: recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practies (ACIP).  MMWR. 1994;  43 (RR-1) 1-38
  • 11 Schaberg T, Lode H. Immunisation in der Pneumologie.  Pneumologie. 1994;  48 505-510
  • 12 Fedson D S. Pneumococcal Vaccination in the United States and 20 other developed countries, 1981 - 1996.  Clin Infect Dis. 1998;  26 1117-1123
  • 13 Simberkof M S, Cross A P, Al-Ibrahim M, Baltch A L, Geiseler P J, Nadler J, Richmond A S, Smith R P, Schiffman G, Shepard D S, Van Eeckhou J P. Efficacy of pneumococcal vaccine in high risk patients.  N Engl J Med. 1986;  315 1318-1327
  • 14 Sims R V, Steinmann W C, McConville J H, King L R, Zwick W C, Schwartz J S. The clinical effectiveness of pneumococcal vaccine in the elderly.  Ann Intern Med. 1988;  108 653-657
  • 15 Shapiro E D, Berg A T, Austrian R, Schroeder D, Parcells V, Margolis A, Adair R K, Clemens J D. The protective efficacy of polyvalent pneumococcal polysaccharide vaccine.  N Engl J Med. 1991;  325 1453-1460
  • 16 Koivula I, Sten M, Leinonen M, Makela P H. Clinical efficacy of pneumococcal vaccine in the elderly: a randomized, single-blind population-based trial.  Am J Med. 1997;  103 281-290
  • 17 Örtqvist A, Hedlung J, Burman L A, Elbel E, Hofer M, Leinonen M, Lindblad I, Sundelof B, Kalin M. Randomised trial of 23-valent pneumococcal capsular polysaccharide vaccine in prevention of pneumonia in middle-aged and elderly people. Swedish Pneumococcal Vaccination Study Group.  Lancet. 1998;  351 399-403

Prof. Dr T Schaberg

Zentrum für Pneumologie Diakoniekrankenhaus Rotenburg

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