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DOI: 10.1055/s-2001-16313
Die Präimplantationsdiagnostik als Streitpunkt
Welche ethischen Argumente sind tauglich und welche nicht?Pre-implantation diagnosis: a matter of controversy. Which arguments are helpful and which are not?Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Der Ruf nach der Ethik gehört mittlerweile zum Ritual der Diskussion im Zusammenhang mit den neuen Biotechnologien. Auch der nationale Ethikrat ist letztlich Bestandteil dieses Rituals. Doch kann die Ethik tatsächlich bei einem so kontroversen Thema wie der Präimplantationsdiagnostik weiterhelfen? Die Ethik ist eine philosophische Disziplin, die sich auf die Begründung moralischer Urteile versteht. Daher möchte ich in diesem Beitrag die in der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik vorgebrachten ethischen Argumente kritisch untersuchen und danach fragen, ob sie tatsächlich Begründungscharakter haben oder lediglich getarnte moralische Urteile darstellen ohne allgemeinverbindlichen Geltungsanspruch. Die Unterscheidung zwischen einfachem moralischen Urteil und dessen ethischer Begründung ist deswegen relevant, weil nur durch die Begründung die entscheidende Frage nach der Verallgemeinerbarkeit eines Urteils entschieden werden kann.
Die Präimplantationsdiagnostik besteht darin, künstlich befruchtete Embryonen mit Hilfe molekulargenetischer Tests auf krankhafte Chromosomenveränderungen hin zu untersuchen, um anschließend im Einvernehmen mit den Eltern zu entscheiden, welche Embryonen in die mütterliche Gebärmutter transferiert werden sollen. Diese genetische Untersuchung wird in mehreren Ländern wie Frankreich [15], Belgien, Großbritannien schon praktiziert. Weltweit sind über 500 Kinder nach Präimplantationsdiagnostik schon geboren worden. In Deutschland ist man jedoch mehrheitlich der Meinung, dass die Präimplantationsdiagnostik nicht mit dem Embryonenschutzgesetz von 1990 vereinbar ist, und zwar aus zwei Gründen: zum einen weil das Embryonenschutzgesetz jegliche Manipulation an einem Embryo verbietet, die nicht seinem Erhalt dient, zum anderen weil das Gesetz eine künstliche Befruchtung verbietet, die nicht unmittelbar die Herbeiführung einer Schwangerschaft zum Ziele hat. Nun gibt es auch Stimmen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Präimplantationsdiagnostik selbst mit dem strengen Embryonenschutzgesetz für vereinbar halten, doch diese rechtliche Diskussion sei in diesem Rahmen nur am Rande erwähnt. Die zentrale Frage des Ethikers würde hier lauten: Was ist an der Präimplantationsdiagnostik so unmoralisch, dass man sie für ethisch unzulässig halten müsste?
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Korrespondenz
Priv.-Doz. Dr. med. G. Maio
Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin, Universitätsklinikum
Freiburg
Elsässer Strasse 2m, Haus 1a
79110 Freiburg
maio@sfa.ukl.uni-freiburg.de