Suchttherapie 2001; 2(3): 169
DOI: 10.1055/s-2001-16411
Nachruf
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nachruf für Friedrich Bschor

Obituary Friedrich Bschor
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 August 2001 (online)

Friedrich Bschor ist am 1. April dieses Jahres im Alter von 80 Jahren verstorben. Es entspricht seiner persönlichen Bescheidenheit, dass er einem größeren Kreis der heute substituierenden Ärzte unbekannt geblieben ist, obwohl er einer der wichtigsten Wegbereiter der Opiatsubstitution und Suchtmedizin in Deutschland war. Als in Nördlingen geborener - er sprach eine schöne, charakteristische Sprache mit einem guten, gerollten „R” -, an der Freien Universität Berlin tätiger Professor für Gerichtsmedizin sorgte er sich von Anfang an um ein klares wissenschaftliches Niveau der Diskussion.

Seine „Katamnese-Ergebnisse bei 100 Opiatabhängigen der Zugangsjahre 1969-1974”, 1984 in der DMW erschienen, sind bis heute eine der wichtigsten deutschen Arbeiten über die Heroinsucht. 1987 hat er dazu eine, für die damalige wissenschaftliche Diskussion bahnbrechende Arbeit mit dem Titel „Zur Revision des Abstinenzparadigmas in der Behandlung Suchtkranker” publiziert. Ein weiterer Meilenstein war das „Ärztliche Memorandum” vom 14.11.1987. Diese wichtige Schrift wurde von ihm anläßlich des ersten suchtmedizinischen Kongresses an der Universität in Frankfurt verfaßt und u. v. a. von den Professoren Helm und Stille (Frankfurt), Gunne (Uppsala) und Newman (New York) unterzeichnet. Dort heißt es abschließend:

Die unterzeichnenden Ärzte sind sich darin einig, dass den immer umfangreicher werdenden wichtigen Aufgaben auf dem AIDS-Gebiet nicht durch ein Gegeneinander der Fachleute, vielmehr nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller mit Aussicht auf Erfolg begegnet werden kann.

Wie vorausschauend und welch guten Geistes war diese Erklärung! Typisch für ihn ist auch ein Brief vom 28.2.1988 an die damalige Enquete-Kommission AIDS des Bundestages. Er schreibt darin:

„Die im Hearing vom 2.11. gefallene Äußerung über ‚mehr Methadontote als Herointote’ in den USA veranlasste mich, nach der Quelle dieser Behauptung zu suchen ... Da jedem einigermaßen informierten Kenner der Drogensituation in den USA die Absurdität dieser Behauptung klar sein musste, habe ich inzwischen mit Fachleuten der USA korrespondiert ... Mein Korrespondenzpartner Prof. J. C Ball kommentiert die DAWN-Statistik wie folgt: ‚ ... for 1986 shows 1549 heroin deaths and only 133 from methadone among 4135 cases. And even these methadone deaths were not necessarily from methadone alone.’ Klärungsbedürftig ist, wer dafür verantwortlich ist, dass mit einer solchen Falschmeldung Verwirrung gestiftet werden konnte. ... ganz habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Phase des ‚Glaubenskriegs’ und Stilverfalls vielleicht doch überwinden lässt.”

Unermüdlich hat er so dafür gekämpft, die Diskussion um die Methadonbehandlung auf ärztliches Niveau zu heben. Sein Einsatz dabei war einzigartig. Er ging auch durchaus streng mit Kollegen wie beispielsweise uns beiden um, indem er immer korrekt erhobene Daten und einen wissenschaftlichen, an internationalem Niveau orientierten Publikationsstil forderte. Gegenüber Argumenten ohne wissenschaftliche Daten oder gar manch fragwürdiger Behandlungspraxis zeigte er eine klare Distanz.

Um so mehr ist hervorzuheben, dass sein Engagement für Substitutionsbehandlungen Heroinabhängiger nicht nur wissenschaftlicher Natur war. Seine Gutachtertätigkeit in Prozessen gegen substituierende Ärzte war ein anderer Teil seiner Tätigkeit, dessen Bedeutung für die weitere Entwicklung der Substitution in Deutschland nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Friedrich Bschor war über mehrere Jahrzehnte der einzige ärztlicher Hochschullehrer, der substituierenden Kollegen als Gegengutachter zur Verfügung stand. Viele von ihnen verdanken deshalb Friedrich Bschor nicht nur die Erhaltung ihres guten Namens, sondern auch ihrer bürgerlichen Existenz.

Auch er mußte wegen seines Engagements für die Methadonsubstitution Kränkungen und Zurücksetzungen hinnehmen. Seine Unbeirrbarkeit, seine gerade und kollegiale Art, immer an der Not der Kranken orientiert, und sein persönlicher Mut waren für uns ein Vorbild.

Herbert Elias

Mendelssohnstraße 41

60325 Frankfurt am Main

Dr. med. Albrecht Ulmer

Schwabstraße 26

70197 Stuttgart