Aktuelle Neurologie 2001; 28(10): 447
DOI: 10.1055/s-2001-19166
EDITORIAL
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kommentar zum Glossar einer deskriptiven Terminologie für die iktale Semiologie der Internationalen Liga gegen Epilepsie

Commentary on a Glossary of Descriptive Terminology for Ictal Semiology of the ILAEG. Krämer
  • Schweizerisches Epilepsie-Zentrum, Zürich
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Dezember 2001 (online)

Der nachfolgend in deutschsprachiger Übersetzung vorgestellte Vorschlag eines Glossars einer deskriptiven Terminologie für die iktale Semiologie der Task Force der Internationalen Liga gegen Epilepsie (International League Against Epilepsy; ILAE) zur Klassifikation und Terminologie [1] ist ebenso wie der vor kurzem vorgestellte Vorschlag für ein diagnostisches Schema für Menschen mit epileptischen Anfällen und Epilepsien [2] [3] ein Schritt zur Entwicklung zur Vereinheitlichung der Diagnostik bei Epilepsien.

Der folgende Text wurde von einer Arbeitsgruppe der Task Force verfasst und ist im englischen Original im September-Heft von Epilepsia erschienen [1]. Er wird sicherlich ebenso wie der Vorschlag für ein diagnostisches Schema noch Anlass zu vielen Diskussionen sein. Unter anderem sollte noch klargestellt werden:

Wie ist die im Teil I unter 4.0 aufgeführte Unterscheidung zwischen einer „epileptischen Störung” und „Epilepsien” gemeint? Die jetzige Formulierung erscheint missverständlich bzw. als Zirkelschluss. Wenn eine Abgrenzung von epileptischen Störungen als Symptom anderer Krankheiten von den Epilepsien im engeren Sinn gemeint ist, sollte dies klarer zum Ausdruck kommen. Unter 5.0 wird jetzt außer „fokal” zumindest in Klammern als Synonym immer noch „partiell” genannt, obwohl von der weiteren Verwendung dieses Begriffes in der vorangegangenen Publikation zum diagnostischen Schema ausdrücklich abgeraten worden war 2 3. Dieser Einwand betrifft auch die Erwähnung der Bezeichnung „Konvulsion” unter 7.0. Im Teil II wird als Synonym für einen astatischen Anfall (1.1.5) im englischen Original „Sturzattacke” (drop attack) genannt; besser sollte es „Sturzanfall” (drop seizure) heißen, was bei der Übersetzung auch verwandt wurde. Worin der Vorteil der jetzt vorgeschlagenen Begriffe „hyperkinetisch” und hypokinetisch (1.2.5 und 1.2.6) gegenüber den bei vielen Epileptologen schon etablierten Bezeichnungen „hypermotorisch” und „hypomotorisch” 4 bestehen soll, erscheint unklar. Manche der neu vorgeschlagenen Begriffe beruhen offenbar hauptsächlich darauf, dass einige Ausdrücke um jeden Preis vermieden werden sollten. Nach der - äußerst sinnvollen - Aufgabe der Unterteilung von einfachen und komplexen fokalen Anfällen im diagnostischen Schema sollte „komplex” offenbar auch in keinem anderen Kontext mehr genannt werden. Ob aber eine „experientielle” Aura (hier auch als „zusammengesetzt, szenisch oder polymodal” übersetzt) im Vergleich zu einer „komplexen Aura” tatsächlich einen besseren Begriff darstellt, darf bezweifelt werden.

Trotz dieser kritischen Bemerkungen stellt das vorgelegte Glossar einen weiteren Schritt in Richtung auf eine anzustrebende Vereinheitlichung der epileptologischen Nomenklatur dar. Wie bei dem diagnostischen Schema sollte auch hier eine breite Diskussion erfolgen [5], zu der alle Interessierten auf individueller oder nationaler Ebene (über die jeweilige Liga-Sektion) aufgefordert sind.

Literatur

  • 1 Blume W T, Lüders H O, Mizrahi E. et al . Glossary of descriptive terminology for ictal semiology: Report of the ILAE Task Force on Classification and Terminology.  Epilepsia. 2001;  42 1212-1218
  • 2 Engel J. A proposed diagnostic scheme for people with epileptic seizures and with epilepsy: Report of the ILAE Task Force on Classification and Terminology.  Epilepsia. 2001;  42 796-803
  • 3 Engel J. Vorschlag für ein diagnostisches Schema für Menschen mit epileptischen Anfällen und Epilepsien. Bericht der Task Force Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) zur Klassifikation und Terminologie.  Akt Neurol. 2001;  28 305-312
  • 4 Lüders H, Acharya J, Baumgartner C. et al . Semiological seizure classification.  Epilepsia. 1998;  39 1006-1013
  • 5 Krämer G, Wolf P. Kommentar zum Vorschlag für ein diagnostisches Schema für Menschen mit epileptischen Anfällen und Epilepsien der Internationalen Liga gegen Epilepsie.  Akt Neurol. 2001;  28 303-304

Dr. med. Günter Krämer,Medizinischer Direktor 

Schweizerisches Epilepsie-Zentrum

Bleulerstraße 60

8008 Zürich
Schweiz

eMail: g.kraemer@swissepi.ch