Pneumologie 2002; 56(5): 304-308
DOI: 10.1055/s-2002-30696
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Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Wann soll ein Arbeitsstoff als sensibilisierend für die Haut („Sh”) oder für die Atemwege („Sa”) markiert werden?”

Kriterien der „Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe” der DFG“When Should A Substance Be Designated As Sensitizing For The Skin (“Sh”) Or For The Airways (“Sa”)"?”Criteria Used By The Commission Of The Deutsche Forschungsgemeinschaft For The Investigation Of Health Hazards Of Chemical Compounds In The Work AreaA.  Schnuch1 , H.  Lessmann1 , K.-H.  Schulz1 , D.  Becker1 , Th.  L.  Diepgen1 , H.  Drexler1 , S.  Erdmann1 , M.  Fartasch1 , H.  Greim1 , H.  Greim1 , P.  Kricke-Helling1 , R.  Merget1 , H.  Merk1 , D.  Nowak1 , A.  Rothe1 , G.  Stropp1 , W.  Uter1 , G.  Wallenstein1
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Publication Date:
21 May 2002 (online)

Für eine Vielzahl von Substanzen wurde eine sensibilisierende Wirkung beschrieben. Nicht allzu selten ist eine solche Wirkung unzureichend belegt, manchmal stützt sie sich nur auf die Beschreibung von Einzelfällen. Eine (generelle) Vermeidung der Exposition oder andere besondere Schutzmaßnahmen sind daher nicht für jede „allergene” Substanz ausreichend begründet. Deshalb müssen die Daten zu (potenziell) allergenen Substanzen daraufhin überprüft werden, ob aus ihnen tatsächlich eine Gefährdung des Arbeitnehmers bei der Exposition am Arbeitsplatz abzuleiten ist.

Die von der „MAK-Kommission” der DFG („Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe” der Deutschen Forschungsgemeinschaft) jährlich herausgegebene MAK- und BAT-Werte-Liste [1] charakterisiert Substanzen, zu denen in der Arbeitswelt Kontakt bestehen kann, u. a. hinsichtlich ihrer allergenen Wirkung. Im Falle einer allergenen Wirkung wird seit 1997 unterschieden zwischen „sensibilisierend an den Atemwegen” („Sa”) und „sensibilisierend an der Haut” („Sh”), mit den entsprechenden Einträgen „Sa” und „Sh” in einer besonderen Spalte der MAK- und BAT-Werte-Liste. Die Begründung für die Markierung einer Substanz mit „Sa” oder „Sh” wird in den toxikologisch arbeitsmedizinischen Begründungen von MAK-Werten separat veröffentlicht [2].

Unabhängig von dieser Markierung in der MAK- und BAT-Werte-Liste verlangt die EU anhand eigener Kriterien eine Einstufung von Stoffen und Zubereitungen [3]. Erfüllt eine Substanz oder Zubereitung diese Kriterien, dann muss sie als Kontaktallergen mit dem Symbol „Xi” (der Gefahrenbezeichnung „reizend”) und dem R-Satz R43 („Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich”) und als „Atemwegssensibilisator” mit dem Symbol „Xn” (der Gefahrenbezeichnung „gesundheitsschädlich”) und dem R-Satz R42 („Sensibilisierung durch Einatmen möglich”) gekennzeichnet werden. Bei der Einstufung als R42 ist der Nachweis eines immunologischen Mechanismus nicht zwingend erforderlich.

Das mit der Zusatzmarkierung „Sa” und „Sh” in der MAK- und BAT-Werte-Liste verfolgte Ziel ist die Prävention der Sensibilisierung und der allergischen Erkrankung (vor allem von Asthma und Ekzem). Konkrete Maßnahmen der Prävention können u. a. durch die Aufnahme geeigneter Empfehlungen in die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) veranlasst werden (regelmäßig veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt). Insofern sind die Markierung eines Stoffes mit „Sh” oder „Sa” in der MAK- und BAT-Werte-Liste, die Kennzeichnung eines Stoffes mit einem Hinweis R43 oder R42, und schließlich die Umsetzung in eine TRGS zu unterscheiden.

Kriterien, die der Einstufung als Allergen (R43 oder R42) zugrunde liegen, waren immer wieder Gegenstand der Diskussion (4). Eine Arbeitsgruppe skandinavischer Allergologen [5] [6], und, darauf aufbauend, eine ad-hoc-Arbeitsgruppe der WHO [7], haben ihrerseits Bewertungskriterien für die Einstufung vorgeschlagen. Über die Probleme des bisherigen Vorgehens der Arbeitsgruppe „Haut und Allergie” der o. g. Senatskommission bei der Markierung von sensibilisierenden Stoffen wurde bereits 1997 berichtet [8].

Um die Praxis der Markierung in der MAK- und BAT-Werte-Liste noch stärker

rational begründet in sich konsistent nachvollziehbar und auch für Außenstehende transparent

zu machen, wurden erweiterte Kriterien für die Markierung einer Substanz mit „Sh” und „Sa” erarbeitet, die hier vorgestellt werden sollen. Grundlage hierfür waren u. a. die von der WHO-Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Kriterien [4] [7] sowie die bisherigen Erfahrungen der Arbeitsgruppe „Haut und Allergie” der „MAK-Kommission”. Im Unterschied zu den Kriterien der EU hatte die WHO-Arbeitsgruppe die Evidenz der Information, auf die sich die Einstufung stützt, graduell bewertet. So ist z. B. die Evidenz groß, wenn Sensibilisierungen beim Menschen häufig nachgewiesen wurden, aber gering bei Vorhandensein nur eines einzigen positiven Tierversuchs. Den unterschiedlichen Evidenzen entsprechend wurde vorgeschlagen, eine Substanz in die Kategorien „significant allergen” (Klasse I), „probably significant allergenen” (II), „not classifiable” (III) oder „not a significant contact allerge” (IV) einzugruppieren. Für eine „Alles-oder-Nichts”-Entscheidung, die sowohl der Vergabe von R-Sätzen (der EU) als auch der Markierung mit „Sh” oder „Sa” zugrunde liegt, findet sich jedoch in den WHO-Kriterien kein Algorithmus.

Die Arbeitsgruppe „Haut und Allergie” der „MAK-Kommission” sieht weder in den Kriterien der WHO-Arbeitsgruppe noch in den EU-Kriterien eine hinreichende Grundlage für ihre Markierungsempfehlungen. So wurden etwa die in den WHO-Kriterien aufgeführten Evidenzen als nicht ausreichend erachtet, um eine Substanz als Atemwegssensibilisator zu qualifizieren. Im Fall der noch weiter gefassten EU-Kriterien wird ebenfalls nicht ausschließlich auf eine sensibilisierende Wirkung Bezug genommen, sondern es werden auch allgemein krankheitsauslösende (z. B. pharmakologische) Effekte einbezogen. Nach den EU-Kriterien ist die Kennzeichnung eines Kontaktallergens anhand nur eines positiven Tierversuches möglich. Dies wird von der Arbeitsgruppe „Haut und Allergie” wegen der Möglichkeit einer zu geringen Spezifität des Tests oder einer fehlenden Übertragbarkeit des Ergebnisses auf den Menschen als eine nicht immer hinreichende Begründung angesehen.

Bei den hier vorgeschlagenen Kriterien werden die Kriterien der WHO-Arbeitsgruppe weiterentwickelt. Es wird zusätzlich unterschieden zwischen

den verschiedenen Graden der Evidenz, mit der die Aussage, eine Substanz sei ein Allergen, gestützt ist und dem Algorithmus, der zur Markierung eines Allergens führen soll.

Im ersten Schritt wird also die inhärente allergene Eigenschaft des Stoffes überprüft („hazard”), bei dem zweiten Schritt zusätzlich zu den Evidenzen des ersten Schrittes weitere Informationen berücksichtigt, wie der Umfang der Exposition, ggf. auch die allergene Wirkstärke, die Konzentration bei der Exposition, oder mögliche dispositionelle Faktoren. In Abhängigkeit von solchen Informationen ist ein Abweichen von den Regeln dieses zweiten Schrittes von Fall zu Fall möglich.

Literatur

  • 1 Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe Deutsche Forschungsgemeinschaft .MAK- und BAT-Werte-Liste 2001. Weinheim: Wiley-VCH 2001
  • 2 Henschler D, Greim H. Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Weinheim: Wiley-VCH 1972/2001
  • 3 Europäische Gemeinschaften . Richtlinie 96/54/EG der Kommission vom 30. Juli 1996 zur 22. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt.  Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 1996;  39, L248 227-229
  • 4 Basketter D A, Flyvholm M A, Menne T. Classification criteria for skin-sensitizing chemicals: a commentary.  Contact Dermatitis. 1999;  40 175-182
  • 5 Knudsen B B, Wahlberg J E, Andersen I, Menné T. Classification of contact allergens. Proposal for criteria.  Dermatosen Beruf Umwelt. 1993;  41 5-9
  • 6 Knudsen B B, Flyvholm M-A, W ahlberg J E, Andersen I, Menné T. Classification of contact allergens. Evaluation of previously proposed criteria.  Dermatosen Beruf Umwelt. 1995;  43 113-118
  • 7 Flyvholm M-A, Andersen K E, Baranski B, Sarlo K. Criteria for classification of skin- and airway-sensitizing substances in the work and general environments - Report on a WHO-Working Group, Copenhagen, Denmark. Copenhagen: WHO Regional Office January 1996/1997: 17-20
  • 8 Ippen H, Lessmann H, Schulz K-H. Probleme bei der Bewertung und Kennzeichnung von Kontaktallergenen. 1. Aktuelle Situation in Deutschland.  Dermatosen Beruf Umwelt. 1997;  45 267-271
  • 9 Friedmann P S. Graded continuity, or all none-studies of the human immune response.  Clin Exp Dermatol. 1991;  16 79-84
  • 10 Kimber I, Basketter D A, Berthold K, Butler M, Garrigue J L, Lea L, Newsome C, Roggeband R, Steiling W, Stropp G, Waterman S, Wiemann C. Skin sensitization testing in potency and risk assessment.  Toxicological Sciences. 2001;  59 198-208

Priv.-Doz. Dr. med. A. Schnuch

Leiter der AG „Haut und Allergie” der „Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe” der Deutschen Forschungsgemeinschaft
IVDK/Institut an der Universität Göttingen

von Siebold Str. 3

37075 Göttingen

Email: aschnuch@med.uni-goettingen.de

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