Zentralbl Chir 2002; 127(4): 255-256
DOI: 10.1055/s-2002-31549
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die lokale Therapie von Lebermetastasen - Multidisziplinäre Polypragmasie oder interdisziplinäre Strategie?

Local treatment of liver metastases - multidisciplinary polypragmasia or interdisciplinary strategy?Th. Junginger
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Publikationsdatum:
24. Mai 2002 (online)

Bei 30-50 % der Patienten mit kolorektalem Karzinom sind im Krankheitsverlauf Lebermetastasen zu erwarten. Zum therapeutischen Spektrum, das von der Resektion bis zu rein supportiven Maßnahmen reicht, sind in zunehmendem Umfang lokal destruierende Verfahren hinzugekommen.

Unstrittig eröffnet die vollständige Metastasenentfernung, und nur diese, eine Heilungschance. Bei einer Morbidität von 20 bis 30 % und einer Klinikletalität zwischen 1 und 5 % ist eine nach dem 5. Jahr konstant bleibende Überlebenswahrscheinlichkeit von 20 bis 30 % zu erwarten. Dies bestätigt die Annahme, dass bei einem Teil der Patienten eine begrenzte Metastasierung vorlag, die durch Operation beseitigt werden konnte.

Allerdings ist nur bei etwa 5 bis 10 % ein resektabler Befund anzunehmen. Die meisten Patienten sind inoperabel infolge einer Tumorgeneralisierung, eines nicht resektablen Lokalbefunds oder eines unvertretbar hohen Operationsrisikos. In diesen Situationen stellt sich die Frage nach lokal destruierenden Verfahren, deren Ziel die lokale Tumorkontrolle auf chemischer oder physikalischer Basis ist. Die Methoden unterscheiden sich im Zugangsweg, in Art und der Genauigkeit der Lokalwirkung und dem Umfang der vorliegenden Erfahrungen.

Die Arbeitsgruppe um TJ. Vogl hat die percutane Lasertherapie (LITT) weiterentwickelt, bei der die lokale Tumorkontrolle durch eine relativ genaue, aber teure MRT-Untersuchung überprüft wird. Bei mittlerweile über 1 000 Patienten ist die Komplikationsrate extrem gering, die Tumorortskontrollrate nach 6 Monaten wird mit 97,8 % angegeben und die 5-Jahresüberlebenswahrscheinlichkeit für Patienten mit Metastasen kolorektaler Karzinome mit 40 %. Selbst unter der Einschränkung, dass bei diesen Patienten neben der Lasertherapie andere tumorspezifische Maßnahmen im weiteren Krankheitsverlauf zur Anwendung kamen und die Behandlung wiederholt wurde, sind die Ergebnisse beachtlich, zum einen unter dem Aspekt, dass nur Patienten mit Kontraindikationen zur chirurgischen Resektion eingeschlossen waren und zum anderen weil anzunehmen ist, dass durch eine ausschließliche Chemotherapie derartige Ergebnisse nicht erreichbar sind.

Die Radiofrequenztherapie kann sowohl percutan wie intraoperativ zum Einsatz kommen. Die Nekrose wird sonografisch anhand der Höhlenbildung kontrolliert und ist zumindest derzeit mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Bei percutanem Vorgehen ist das Risiko gering, die lokoregionäre Rezidivrate wird mit 30 % angegeben. Langzeitergebnisse liegen nicht vor. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 10 Monaten werden mittlere Überlebensraten von 90 % ermittelt. Dies lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass auch dieses Verfahren prinzipiell wirksam ist und Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen kann.

Während für die Laser-Radiofrequenztherapie eine Tumorgröße von 5 cm einen gewissen Grenzwert darstellt, ab dem die vollständige Tumorausdehnung problematisch wird, kann die Kryotherapie auch größere Nekrosen erzeugen. Die Ausdehnung der Nekrose ist sonografisch gut kontrollierbar. Die meisten Erfahrungen liegen zur Anwendung nach Laparotomie vor, dementsprechend sind Morbidität und Mortalität höher, die Langzeitergebnisse nähern sich denen der Resektion. Nachteil der Kryotherapie sind die relativ hohen Kosten.

Um den Stellenwert lokal destruierender Verfahren zu klären, ist die Beantwortung folgender Fragen vorrangig.

Stellen percutan anwendbare lokaldestruierende Verfahren eine Alternative zur Resektion in kurativer Absicht dar?Die Komplikationsrate ist geringer als nach Resektion. Für die onkologische Gleichwertigkeit der percutanen Lasertherapie gibt es Hinweise vor allem aufgrund der Erfahrung einer Institution. Der Beweis muss im Rahmen einer randomisierten multizentrischen Studie geführt werden, die begonnen wurde, jedoch an der geringen Akzeptanz durch die Patienten leidet. Auch die Radiofrequenztherapie muss auf den Prüfstand. Sind beide Verfahren gleichwertig, spräche dies aufgrund des geringeren Aufwands und der geringeren Kosten für die Radiofrequenztherapie. Außerhalb von Studien ist es derzeit nur im Ausnahmefall eines hohen Operationsrisikos vertretbar, einen Patienten mit potenziell R0-resektablen Metastasen eines kolorektalen Karzinoms einer lokal destruierenden Maßnahme zuzuführen. Haben lokal destruierende Verfahren in einem Behandlungskonzept mit dem Ziel der Lebensverlängerung bei Erhalt der Lebensqualität einen Stellenwert, in eher palliativer als kurativer Absicht?Neue Chemotherapeutika haben die Lebenserwartung bei Patienten mit kolorektalen Metastasen erheblich verbessert. Durch die Entwicklung von Resistenzen wird auch ihre Anwendung limitiert, so dass weitere Therapieoptionen nötig werden. Sollten lokale Verfahren dem intrahepatischem Tumorprogress entgegenwirken, wäre ein kombiniertes Vorgehen denkbar.

Unabhängig von diesen Möglichkeiten stellen lokal destruierende Verfahren eine Ergänzung der operativen Resektion durch Ausschaltung nicht entfernbarer Restmetastasen dar. Bei etwa 15 % der Patienten ist hierdurch noch eine R0-Resektion möglich. Prinzipiell scheinen alle Verfahren hierzu geeignet. Die Kryotherapie hat den Vorteil, auch in der Nähe größerer Gefäße wirksam zu sein. Die Radiofrequenztherapie ist preisgünstiger, jedoch nur bei kleineren Herden zuverlässig.

Die derzeitige Realität wird allerdings nicht von der Absicht bestimmt, zur Klärung obengenannter Fragen beizutragen, sondern von dem Ziel, Patienten zu akquirieren und die Zuständigkeit von Fachgebieten zu erzielen. Die Industrie ist dabei ein interessanter und höchstinteressierter Partner. Die Folge ist eine unkontrollierte und damit unqualifizierte Polypragmasie, die hohe Kosten verursacht und auch langfristig keine Beurteilung der Wertigkeit der neuen Verfahren erlaubt. Die Lösung dieser Problematik ist nur auf zwei Wegen möglich: Zum einen müssen interdisziplinäre Studien etabliert werden, die die relevanten Fragestellungen aufgreifen und abklären. Dies reicht jedoch nicht aus wie die Erfahrung lehrt. Studien sind aufwendig und arbeitsintensiv, ohne einen gewissen Zwang zur klinischen exakten Prüfung wird der Wildwuchs an Therapieverfahren weitergehen. Entscheidend ist, dass künftig die Finanzierung neuer Behandlungsverfahren durch die Kostenträger nur für diejenigen Patienten übernommen wird, die in qualifizierten Studien behandelt werden. Nur auf diese Weise lassen sich der vermeintliche Fortschritt mit wissenschaftlicher Methodik prüfen und die Kosten begrenzen.

Bei immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen erscheint die verordnete klinische Studie der einzige Weg, von der Beliebigkeit der Behandlung zu einer optimalen Therapie zu gelangen.

Literatur

Prof. Dr. Th. Junginger

Direktor der Klinik u. Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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