Z Orthop Ihre Grenzgeb 2002; 140(3): 265-266
DOI: 10.1055/s-2002-32481
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Extrakorporale Stoßwellentherapie in der Orthopädie - Kosten und Nutzen

Extracorporeal shock wave therapy in orthopedics - costs and benefitsF.  U.  Niethard
  • 1Aachen
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 June 2002 (online)

Anwendungen der extrakorporalen Stoßwellentherapie in der Orthopädie sind seit 1996 in der Diskussion. In dieser Zeitschrift lässt sich die wissenschaftliche Diskussion parallel zur berufspolitischen im Deutschen Ärzteblatt verfolgen. Erste Veröffentlichungen über den Einsatz der ESWT in der Orthopädie erschienen in der Zeitschrift für Orthopädie 1996 [14]. Wenig später wird im Ärzteblatt berichtet, dass die Anwendung der Stoßwellentherapie im Bereich der Orthopädie starke Resonanz unter den Ärzten findet. Zu den Hauptindikationen werden die Pseudarthrosen, die Tendinitis calcarea des Schultergelenkes, die chronische Epikondylitis ulnaris und radialis sowie der Fersensporn gezählt. Um den Ruf der Methode nicht durch unsachgemäße oder auch kommerziell ausgerichtete Anwendung zu gefährden, soll sich die Deutsche Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie um qualitätssichernde Maßnahmen bemühen [21].

In den Jahren 1997 und 1999 gibt es eine zunehmende Anzahl von Publikationen, gleichzeitig eine Ausweitung der Anwendungen. Allein im Jahr 1996 sollen etwa 30 000 Anträge auf Kostenübernahme für die Stoßwellenbehandlung bei Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane gestellt worden sein, was für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung mehr als 30 Millionen DM ausgemacht hätte [2]. Die viel diskutierte Kosten-Nutzen-Analyse wurde in der Zeitschrift für Orthopädie als Metaanalyse der ESWT publiziert [6]. In dieser Arbeit konnten aus 55 Publikationen 4825 mittels ESWT therapierte Fälle gesammelt werden. Allerdings erfüllten nur 24 Publikationen mit 1585 Fällen (33 %) die Ansprüche einer auswertbaren wissenschaftlichen Untersuchung. Immerhin war demnach die ESWT bei Tendinosis calcarea, bei der Epicondylopathia humeri und beim Fersensporn gleich wirksam wie andere herkömmliche - auch operative - Methoden. Die Autoren kamen daher zu dem Schluss, dass aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht die ESWT zumindest beim therapierefraktären Fersensporn zu rechtfertigen sei, weil die hierfür zur Verfügung stehenden operativen Verfahren eine höhere Komplikationsrate aufweisen.

Dennoch hat der Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen im April 1998 die ESWT als Verfahren gewertet, das nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden darf. Als Begründung werden der ungenügende therapeutische Nutzen, fehlende medizinische Notwendigkeit und Unwirtschaftlichkeit aufgeführt [3]. Bemängelt wurde vor allem, dass die Entscheidung ohne jegliche Expertenbeteiligung und -anhörung zustande kam, wo man noch 1996 die Deutsche Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie in die Qualitätssicherung einbinden wollte [1]. Die Debatte wurde unlängst erneut angestoßen, nachdem die Bundesärztekammer eine Änderung der Analogbewertung der ESWT in der GOÄ vorgenommen hatte und dies auch mit offenen Fragen zu Wirkungsweise und therapeutischem Nutzen begründete [7].

Steht es tatsächlich so schlecht um die Kosten-Nutzen-Relation der ESWT? Fehlen Daten zum Wirkmechanismus des Verfahrens? - Der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit wurde kürzlich für die Behandlung der Tendinosis calcarea an der Schulter widerlegt. Haake et al. [5] stellten fest, dass die operative Behandlung dieser Erkrankung etwa 5-7-mal teurer ist als die mit ESWT. Dabei spielen die längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten nach Operation eine wesentliche Rolle. Rompe et al. [16] fassen in diesem Heft der Zeitschrift für Orthopädie zusammen, wo die klinische Forschung derzeit steht und welche Standardindikationen sich begründen lassen. Zwei weitere Publikationen beschäftigen sich mit dem Wirkmechanismus [13] [19], der in dieser Zeitschrift ebenfalls wiederholt und wie an keiner anderen Stelle dargestellt wurde [4] [8] [9] [10] [11] [12] [15] [18] [20].

Demnach kann man Rompe et al. nur zustimmen:

der Wirkmechanismus ist bei den einzelnen Indikationen noch nicht schlüssig geklärt und bezüglich der Kosteneffektivität gibt es noch zu wenige Untersuchungen die Qualität der Datenlage zur ESWT ist allerdings im Vergleich zu der Mehrzahl konkurrierender konservativer und operativer Therapieverfahren überdurchschnittlich bei der guten Evidenz bei Tendinosis calcarea und plantarer Fasziitis ist die ESWT durchaus als Verfahren der Wahl zu bezeichnen, bevor eine Operationsindikation gestellt wird.

Oder nehmen wir die Ergebnisse wieder erst dann zur Kenntnis, wenn sie - erneut aufbereitet - von der amerikanischen FDA anerkannt nach Deutschland zurückkommen?

F. U. Niethard, Aachen

Literatur

  • 1 Dreisilker U, Räder F. Bundesausschuß: Club von Funktionären.  Deutsches Ärzteblatt. 1998;  95 A-2589
  • 2 Ekkernkamp A. Technische Innovationen in der Medizin - Pro und Kontra.  Deutsches Ärzteblatt. 1998;  95 A-1738
  • 3 Glöser S. Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen: Nagelprobe.  Deutsches Ärzteblatt. 1998;  95 A-1693
  • 4 Haake M, Sattler A, Gross M W, Schmitt J, Hildebrandt R, Muller H H. Vergleich der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) mit der Röntgenreizbestrahlung beim Supraspinatussyndrom - Ein prospektiver randomisierter einfachblinder Parallelgruppenvergleich.  Z Orthop. 2001;  139 397-402
  • 5 Haake M, Rautmann M, Wirth T. Assessment of the treatment costs of extracorporeal shock wave therapy versus surgical treatment for shoulder diseases.  Int J Technol Assess Health Care. 2001;  17 612-617
  • 6 Heller K D, Niethard F U. Der Einsatz der extrakorporalen Stoßwellentherapie in der Orthopädie - eine Metaanalyse.  Z Orthop. 1998;  136 390-401
  • 7 Klackow-Franck R. Orthopädische Indikationen: „Aus” für die extrakorporale Stoßwellentherapie.  Deutsches Ärzteblatt. 2002;  99 A-661
  • 8 Krischek O, Rompe J D, Hopf C, Vogel J, Herbsthofer B, Nafe B, Burger R. Die extrakorporale Stoßwellentherapie bei Epicondylitis humeri ulnaris oder radialis - Eine prospektive, kontrollierte, vergleichende Studie.  Z Orthop. 1998;  136 3-7
  • 9 Krischek O, Rompe J D, Herbsthofer B, Nafe B. Symptomatische niedrig-energetische Stoßwellentherapie bei Fersenschmerzen und radiologisch nachweisbarem plantaren Fersensporn.  Z Orthop. 1998;  136 169-174
  • 10 Kusnierczak D, Brocai D R, Vettel U, Loew M. Der Einfluss der extrakorporalen Stoßwellenapplikation (ESWA) auf das biologische Verhalten von Knochenzellen in vitro.  Z Orthop. 2000;  138 29-33
  • 11 Perlick L, Korth O, Wallny T, Wagner U, Hesse A, Schmitt O. Die Desintegrationswirkung der Stoßwellen bei der extrakorporalen Stoßwellenbehandlung der Tendinosis calcarea - ein In-vitro-Modell.  Z Orthop. 1999;  137 10-16
  • 12 Perlick L, Gassel F, Zander D, Schmitt O, Wallny T. Vergleich der Ergebnisse der mittelenergetischen ESWT und der operativen Therapie in der Technik nach Mittelmeier bei der therapieresistenten Epicondylitis humeri radialis.  Z Orthop. 1999;  137 316-321
  • 13 Perlick L, Schiffmann R, Kraft C N, Wallny T, Diedrich O. Die extrakorporale Stoßwellentherapie bei der chronischen Achillodynie. Experimentelle Untersuchungen und vorläufige klinische Ergebnisse.  Z Orthop. 2002;  140 275-280
  • 14 Rompe J D, Hopf C, Kullmer K, Witzsch U, Nafe B. Die extrakorporale Stoßwellentherapie der radialen Epicondylitis - ein alternatives Behandlungskonzept.  Z Orthop. 1996;  134 63-66
  • 15 Rompe J D, Bohl J, Riehle H M, Schwitalle M, Krischek O. Überprüfung der Läsionsgefahr des N. ischiadicus des Kaninchens durch die Applikation niedrig- und mittelenergetischer extrakorporaler Stoßwellen.  Z Orthop. 1998;  136 407-411
  • 16 Rompe J D, Buch M, Gerdesmeyer L, Haake M, Loew M, Maier M, Heine J. Muskuloskeletale Stoßwellenapplikation - aktueller Stand der klinischen Forschung zu den Standardindikationen.  Z Orthop. 2002;  140 267-274
  • 17 Schmidt J, Porsch M, Hackenbroch M H, Koebke J, Brimmers P. Modifizierte intrakorporale Lithotripsie für die Zemententfernung bei Hüftendoprothesenwechseloperationen - Experimentelle Grundlagen.  Z Orthop. 1998;  136 44-49
  • 18 Sistermann R, Katthagen B D. 5 Jahre Lithotripsie des plantaren Fersenspornes: Erfahrungen und Ergebnisse - eine Nachuntersuchung nach 36,9 Monaten.  Z Orthop. 1998;  136 402-406
  • 19 Tischer T, Milz S, Anetzberger H, Müller P E, Wirtz D C, Schmitz C, Ueberle F, Maier M. Extrakorporale Stoßwellen induzieren ventral-periostale Knochenneubildung außerhalb der Focuszone - Ergebnisse einer In-vivo-Untersuchung am Tiermodell.  Z Orthop. 2002;  140 281-285
  • 20 Vogel J, Rompe J D, Hopf C, Heine J, Burger R. Die hochenergetische Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) in der Behandlung von Pseudarthrosen.  Z Orthop. 1997;  135 145-149
  • 21 Zylka-Menhorn V. Qualitätssichernde Maßnahmen für die Stoßwellentherapie.  Deutsches Ärzteblatt. 1996;  93 A-1884