Suchttherapie 2002; 3(3): 168-172
DOI: 10.1055/s-2002-34325
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zwei Systeme - eine Substitution

Von den Schwierigkeiten beim Wechsel Substituierter von der Gesetzlichen Krankenversicherung in das Gefängnis und umgekehrtTwo Systems - One SubstitutionOn the Difficulties of the Change of Substituted Patient from Health Insurance to Prison or BackKarlheinz Keppler1 , Heino Stöver1
  • 1Ärztlicher Dienst der JVA für Frauen, Vechta
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Publication Date:
25 September 2002 (online)

Substitution innerhalb und außerhalb der Gefängnisse folgt weder in der Praxis noch in den rechtlichen Hintergründen und Vorgaben [1] den gleichen Bedingungen. Deutlich wird das an den Unterschieden in den Regularien, die von den Gremien der Gesetzlichen Krankenversicherung (= GKV) vorgeschrieben werden und an den Regularien der Bundesärztekammer (= BÄK).

Nur die übergeordneten gesetzlichen Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes (= BtMG) [2] und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (= BtMVV) [3] gelten gleichermaßen für die gefängnisinterne wie für die Substitution in der GKV.

Im BtMG sind die Rechtsgrundlagen für die Abgabe von Betäubungsmitteln durch den Arzt zum Zwecke der Substitution niedergelegt. Danach ist die Abgabe von Substitutionsstoffen durch den Arzt zur Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig.

In der BtMVV werden die Einzelheiten der Substitution näher geregelt. Neben den Verschreibungshöchstmengen der einzelnen Substitutionsmittel wird festgelegt, für welche Bestimmungszwecke ein Substitutionsmittel verschrieben werden darf und unter welchen Bedingungen Substitution zulässig ist (z. B. Behandlungskonzept, Beikonsumfreiheit, Mitgaberegelung). Darüber hinaus wird auf die anerkannten Regeln nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft verwiesen. Die BÄK wird in die Pflicht genommen, Empfehlungen für das Verschreiben von Substitutionsmitteln auf Grundlage des Standes der medizinischen Wissenschaft zu erarbeiten. Außerdem ist in der letzten Novellierung der BtMVV vorgeschrieben worden, dass ab dem 1. Juli 2002 alle Patienten beim Substitutionsregister (geführt bei der Bundesopiumstelle) unverzüglich an- und abgemeldet werden müssen. Zusätzlich müssen ab dem 1. Juli 2002 alle substituierenden Ärzte, bis auf definierte Ausnahmen, über die Fachkunde „Suchtmedizin” verfügen.

Die (NUB-, AUB-,) BUB-Richtlinien [4] gelten nur für die Substitution im System der GKV. Die Entwicklung dieser Richtlinien ist gut an der Terminologie abzulesen. Während sie in der Anfangsphase NUB-Richtlinien (Neue Untersuchungs- und Behandlungsrichtlinien) hießen, wechselte die Terminologie später zu AUB-Richtlinien (Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsrichtlinien) und heißen gegenwärtig BUB-Richtlinien (Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsrichtlinien). Diese Richtlinien werden im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgelegt. Eine unbefristete bzw. auf zwölf Monate befristete Behandlung eines Patienten zulasten der GKV wird nach den Richtlinien nur genehmigt, wenn bereits eine schwere Erkrankung vorliegt (HIV, Hepatitis, Abszesse, Lungenentzündung, Tuberkulose etc.). Weitere Gründe für befristete Genehmigungen zur GKV-Substitution sind Schwangerschaft, anstehende Operationen, Warten auf einen Therapieplatz etc.

Hier unterscheiden sich die Richtlinien der GKV ganz wesentlich von denen der BÄK, die in ihren Richtlinien die Substitution auch aus präventiven Gründen für zulässig erachtet, z. B. um das Auftreten einer HIV-Infektion zu verhindern. Insofern sind Privatpatienten (aber theoretisch auch inhaftierte Patienten) besser gestellt als Kassenpatienten.

Grundsätzlich gelten für die Substitution in Gefängnissen die BUB-Richtlinien der GKV allenfalls über einen Umweg. Der Umfang der medizinischen Versorgung der Inhaftierten ist im Strafvollzugsgesetz im Kapitel Gesundheitsfürsorge (§§ 56-66) festgelegt. Immer wieder (zum Teil wörtlich) verweist der Gesetzgeber hier auf die Vorgaben der GKV. Tenor des Gesetzes ist in diesen Paragrafen eindeutig eine Angleichung der gefängnismedizinischen Versorgung an die Versorgung der in der GKV Versicherten. Darüber hinaus ist in einigen Bundesländern die Substitution über Erlasse dergestalt geregelt, dass ausdrücklich auf die Vorgaben der BUB-Richtlinien verwiesen wird.

Dennoch kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten beim Wechsel von substituierten Patienten aus dem System der GKV in das Gefängnis, aber auch umgekehrt, beim Wechsel nach Haftentlassung vom Gefängnis in die GKV.

Einige Falldarstellungen mögen das erläutern.

Literatur

  • 1 Keppler K. Methadonsubstitution im Justizvollzug Deutschlands. Brockmeier NH, Brodt R, Hoffmann K, Reimann G, Stücker M, Altmeyer P HIV-Infekt. Epidemiologie, Prävention, Pathogenese, Diagnostik, Therapie, Psycho-Soziologie Berlin, Heidelberg; Springer 2000: 818-834
  • 2 Bundesgesetzblatt . Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz-BtMG).  1994;  1/13 359-383
  • 3 Bundesgesetzblatt . Fünfzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 19. Juni 2001.  Bundesgesetzblatt I. 2001;  1180 ff
  • 4 Bundesärztekammer . Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen.  Deutsches Ärzteblatt. 1999;  96/25 B 1382-1384
  • 5 Dortmund Landgericht . Beschluß vom 1.12.1994 - 9 StVk 71/94 UN. Strafverteidiger.  1995;  3 143-144
  • 6 Bundesärztekammer . Leitlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger.  Deutsches Ärzteblatt. 2002;  99/21 A 1458-1461
  • 7 Bundesärztekammer . Leitlinien der Bundesärztekammer zur Substitutionstherapie Opiatabhängiger.  Deutsches Ärzteblatt. 1997;  94/7 A 401-403

Dr. med. Karlheinz Keppler M.A.

Medizinaldirektor - Frauenarzt, Ärztlicher Dienst der JVA für Frauen

An der Propstei 10

49377 Vechta

Email: Karlheinz.Keppler@jva-vec.niedersachsen.de