Suchttherapie 2002; 3(4): 219-222
DOI: 10.1055/s-2002-36186
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Substitutionsbehandlung bei sich prostituierenden heroinabhängigen Frauen - 5-Jahres-Ergebnisse

Substitution Treatment in Female Professional Sex Workers - A 5-Year Follow-upRainer Ullmann
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Publication Date:
19 December 2002 (online)

Einleitung

Die in Deutschland streng reglementierte Substitutionsbehandlung Heroinabhängiger erreicht viele derjenigen nicht, bei denen die Sucht die schwersten Folgen zeigt (schlechter körperlicher Zustand, hohe Infektionsraten und rasches Herausfallen aus den sozialen Bezügen) und deren Behandlung am nötigsten wäre. Eine aufsuchende Sozialarbeit kann diesen Mangel verringern [1]. Frauen, die sich zur Finanzierung der Sucht prostituieren, gehören zu dieser schwer erreichbaren Gruppe. Kinder werden ihnen meist genommen, da sie nicht in der Lage sind, sie aufzuziehen. Für diese Frauen gibt es deshalb in einigen Städten, z. B. in Bremen [2], spezielle Programme, um sie für eine Behandlung der Sucht zu erreichen.

Im schwedischen Methadonprogramm konnte bereits 1989 gezeigt werden, dass 70 % der Frauen die Prostitution aufgegeben haben [3]. Das wird auch deshalb als notwendig angesehen, um die Verbreitung von HIV unter den meist nicht drogenabhängigen Freiern zu vermindern.

Seit 1991 war die Substitutionsbehandlung bundesweit in den NUB-Richtlinien geregelt, die die Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Vorliegen zusätzlicher schwerer Erkrankungen (z. B. AIDS, Tuberkulose, Krebs) erlaubten. In Hamburg dagegen wurden bereits seit August 1988 Methadon-Einzelfallbehandlungen durchgeführt. Nach der Indikationsliste der zuständigen Sachverständigenkommission der Ärztekammer war die Behandlung z. B. bei ungewöhnlich malignem Verlauf oder bei erfolgreicher Vorbehandlung mit einem DHC-Präparat gerechtfertigt oder sogar geboten. Anfang 1990 wurde ein Vertrag zwischen Sozialbehörde, KV, Ärztekammer, Apothekerkammer und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen (Vertrag über die Abgabe von Methadon-L-Polamidon zu Substitutionszwecken), der diese großzügige Indikationsregelung festschrieb. Die Behandlung durfte aber erst nach Zustimmung einer von der Ärztekammer eingesetzten Sachverständigenkommission beginnen [4]. Damit diese Kommission ihre Entscheidung treffen konnte, musste der Arzt, der die Substitutionsbehandlung durchführen wollte, einen Antrag stellen. Diesem mussten ein Lebenslauf der Heroinabhängigen und eine befürwortende Stellungnahme einer Beratungsstelle, die die psychosoziale Betreuung durchführte, beigefügt werden.

Das „Cafe Sperrgebiet” ist eine Beratungsstelle für obdachlose, sich prostituierende drogenabhängige Frauen. Viele der dort betreuten Frauen wünschten nach Angaben der Leiterin der Einrichtung eine Substitutionsbehandlung. Sie konnten aber die oben beschriebenen Vorleistungen nicht erbringen.

Eine Behandlung nach den damals gültigen NUB-Richtlinien wäre zwar in einigen Fällen möglich gewesen, scheiterte aber ebenfalls daran, dass die Frauen keine Arztpraxis aufsuchten. Auch bei diesem Verfahren wäre es meist notwendig gewesen, die Entscheidung einer Kommission abzuwarten. Deshalb suchten 2 Ärztinnen und 1 Arzt diese Frauen im Sommer 1994 in der Beratungsstelle in Hamburg auf und boten ihnen eine Substitutionsbehandlung ohne Vorbedingungen an. 44 Frauen nahmen dieses Angebot wahr. Sie wurden zunächst außerhalb der damals geltenden Regelungen, aber toleriert von Politik und Kassen mit d,l-Methadon und Levomethadon behandelt.

Der Erfolg der Behandlung wird an Haltequote, Verringerung des Beikonsums, Abstinenzraten und Verbesserung der sozialen Situation (Wohnsituation, Fähigkeit zur Versorgung der Kinder) gemessen. Für die Haltequote wurden die behandelnden Ärztinnen befragt, Angaben zum Beikonsum werden nach den Ergebnissen der Urinkontrollen gemacht, die Fragen zur sozialen Situation beantworteten die Patientinnen anhand von Fragebogen. Da die Daten in verschiedenen Praxen erhoben wurden, liegen sie nicht für alle Patientinnen vollständig vor.

Literatur

  • 1 Bellis D J. Reduction of AIDS Risk Among 41 Heroin Addicted Female Street Prostitutes: Effects of Free Methadone Maintenance.  Journal of Addictive Diseases. 1993;  12 7-23
  • 2 Zenker C. First Results fo a Methadone Programme for Drug-Addicted Women Prostituting Themselves.  European Addiction Research. 1995;  1 139-145
  • 3 Grönbladh L, Gunne L. Methadone-assisted rehabilitation of Swedish heroin addicts. 
  • 4 6 Monate Methadon-Behandlung in Hamburg.  HÄB 89. 92-93;  3
  • 5 Ullmann R. Methadonbehandlung im Cafe Sperrgebiet.  Zeitschrift für Allgemeinmedizin. 1996;  72 887-889
  • 6 Ullmann R. Plädoyer für die Behandlung Heroinabhängiger in der hausärztlichen Praxis.  Hamburger Ärzteblatt. 1997;  51 418-419
  • 7 Brack J. Die Hepatitiden B und C bei drogenabhängigen Patienten: Eine epidemiologische Studie.  Suchttherapie. 2002;  3 S3-S10
  • 8 Raschke P. Substitutionstherapie. Freiburg im Breisgau; Lambertus 1994
  • 9 Raschke P, Ullmann R. 10 Jahre Substitutionsbehandlung in der hausärztlichen Praxis.  Suchttherapie. 2001;  2 195-203
  • 10 Maddux J, Desmond D. Methadone Maintenance and Recovery from Opioid Dependence.  Am. J. Drug Alcohol Abuse. 1992;  18 63-74

Rainer Ullmann

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