Suchttherapie 2002; 3(4): 219-222
DOI: 10.1055/s-2002-36186
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Substitutionsbehandlung bei sich prostituierenden heroinabhängigen Frauen - 5-Jahres-Ergebnisse

Substitution Treatment in Female Professional Sex Workers - A 5-Year Follow-upRainer Ullmann
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Rainer Ullmann

Curschmannstr. 10 ·

20251 Hamburg

Email: r.ullmann@gmx.de

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Publication Date:
19 December 2002 (online)

Table of Contents #

Einleitung

Die in Deutschland streng reglementierte Substitutionsbehandlung Heroinabhängiger erreicht viele derjenigen nicht, bei denen die Sucht die schwersten Folgen zeigt (schlechter körperlicher Zustand, hohe Infektionsraten und rasches Herausfallen aus den sozialen Bezügen) und deren Behandlung am nötigsten wäre. Eine aufsuchende Sozialarbeit kann diesen Mangel verringern [1]. Frauen, die sich zur Finanzierung der Sucht prostituieren, gehören zu dieser schwer erreichbaren Gruppe. Kinder werden ihnen meist genommen, da sie nicht in der Lage sind, sie aufzuziehen. Für diese Frauen gibt es deshalb in einigen Städten, z. B. in Bremen [2], spezielle Programme, um sie für eine Behandlung der Sucht zu erreichen.

Im schwedischen Methadonprogramm konnte bereits 1989 gezeigt werden, dass 70 % der Frauen die Prostitution aufgegeben haben [3]. Das wird auch deshalb als notwendig angesehen, um die Verbreitung von HIV unter den meist nicht drogenabhängigen Freiern zu vermindern.

Seit 1991 war die Substitutionsbehandlung bundesweit in den NUB-Richtlinien geregelt, die die Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur bei Vorliegen zusätzlicher schwerer Erkrankungen (z. B. AIDS, Tuberkulose, Krebs) erlaubten. In Hamburg dagegen wurden bereits seit August 1988 Methadon-Einzelfallbehandlungen durchgeführt. Nach der Indikationsliste der zuständigen Sachverständigenkommission der Ärztekammer war die Behandlung z. B. bei ungewöhnlich malignem Verlauf oder bei erfolgreicher Vorbehandlung mit einem DHC-Präparat gerechtfertigt oder sogar geboten. Anfang 1990 wurde ein Vertrag zwischen Sozialbehörde, KV, Ärztekammer, Apothekerkammer und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen (Vertrag über die Abgabe von Methadon-L-Polamidon zu Substitutionszwecken), der diese großzügige Indikationsregelung festschrieb. Die Behandlung durfte aber erst nach Zustimmung einer von der Ärztekammer eingesetzten Sachverständigenkommission beginnen [4]. Damit diese Kommission ihre Entscheidung treffen konnte, musste der Arzt, der die Substitutionsbehandlung durchführen wollte, einen Antrag stellen. Diesem mussten ein Lebenslauf der Heroinabhängigen und eine befürwortende Stellungnahme einer Beratungsstelle, die die psychosoziale Betreuung durchführte, beigefügt werden.

Das „Cafe Sperrgebiet” ist eine Beratungsstelle für obdachlose, sich prostituierende drogenabhängige Frauen. Viele der dort betreuten Frauen wünschten nach Angaben der Leiterin der Einrichtung eine Substitutionsbehandlung. Sie konnten aber die oben beschriebenen Vorleistungen nicht erbringen.

Eine Behandlung nach den damals gültigen NUB-Richtlinien wäre zwar in einigen Fällen möglich gewesen, scheiterte aber ebenfalls daran, dass die Frauen keine Arztpraxis aufsuchten. Auch bei diesem Verfahren wäre es meist notwendig gewesen, die Entscheidung einer Kommission abzuwarten. Deshalb suchten 2 Ärztinnen und 1 Arzt diese Frauen im Sommer 1994 in der Beratungsstelle in Hamburg auf und boten ihnen eine Substitutionsbehandlung ohne Vorbedingungen an. 44 Frauen nahmen dieses Angebot wahr. Sie wurden zunächst außerhalb der damals geltenden Regelungen, aber toleriert von Politik und Kassen mit d,l-Methadon und Levomethadon behandelt.

Der Erfolg der Behandlung wird an Haltequote, Verringerung des Beikonsums, Abstinenzraten und Verbesserung der sozialen Situation (Wohnsituation, Fähigkeit zur Versorgung der Kinder) gemessen. Für die Haltequote wurden die behandelnden Ärztinnen befragt, Angaben zum Beikonsum werden nach den Ergebnissen der Urinkontrollen gemacht, die Fragen zur sozialen Situation beantworteten die Patientinnen anhand von Fragebogen. Da die Daten in verschiedenen Praxen erhoben wurden, liegen sie nicht für alle Patientinnen vollständig vor.

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Untersuchte und behandelte Gruppe

Die Frauen waren bei Beginn der Heroinabhängigkeit durchschnittlich 19 Jahre alt (12-33, Median 18 Jahre). Die Behandlung begann durchschnittlich 8 Jahre später (1-26 Jahre, Median 6 Jahre); die Frauen prostituierten sich zur Finanzierung der Abhängigkeit seit durchschnittlich 4 Jahren (1-12 Jahre, Median 4 Jahre). 20 Frauen machten in einem Fragebogen Angaben zur Situation während ihrer Kindheit. 10 wuchsen mit mindestens einem süchtigen Elternteil auf, 13 gaben körperliche Misshandlungen in der Kindheit an, 5 beschrieben sexuellen Missbrauch.

Von 33 Frauen gab es Informationen zur Wohnsituation: 28 von ihnen lebten in schlechten Wohnverhältnissen (in von den Sozialämtern belegten „Hotels”, bei drogenabhängigen Bekannten oder waren obdachlos), 5 in guten (eigene Wohnung, bei den Eltern oder einem nicht drogenabhängigen Partner). Trotz des schweren Verlaufs, der zur Beschaffungsprostitution führte, hatte nur die Hälfte der hier beschriebenen Frauen Erfahrungen mit stationären Entzügen und Abstinenztherapien. 8 von 15 befragten Frauen hatten vor Beginn der Substitutionsbehandlung keinen stationären Entzug versucht, 7 waren nach 1 bis 5 stationären Entzügen rückfällig geworden. 11 von 20 befragten Frauen hatten keine, die übrigen 9 hatten 1 bis 7mal mit stationären Abstinenztherapien versucht, den Heroinkonsum aufzugeben. 15 waren wegen drogenbedingter Notfallsituationen schon mehrfach im Krankenhaus behandelt worden, 7 gaben Selbstmordversuche in der Vorgeschichte an. Mehrere Frauen waren stationär wegen septischer Thrombosen, schwer verlaufender Pneumonien, Lungenabszessen und Endokarditiden behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung waren die oberflächlichen Armvenen bei 29 Frauen zerstört, alle hatten Abszesse, 10 davon an Hals oder Leisten, bei 16 bestanden Ulcera. 11 waren untergewichtig, 17 hatten ein erheblich sanierungsbedürftiges Gebiss. Eine bekannte HIV-Infektion wurde bestätigt, zwei weitere wurden bei der Erstuntersuchung entdeckt. Bei 27 nachuntersuchten Patientinnen wurden drei HIV-Infektionen neu entdeckt, eine davon drei Monate nach Behandlungsbeginn. Nach Syphilis wurde bei 18 Frauen gesucht: Dabei wurde keine Infektion festgestellt. Dieser Befund weicht auffällig von den Bremer Ergebnissen ab: Dort wurde bei 9 von 29 Frauen eine Syphilis festgestellt [2]. 28 von 40 (70 %) untersuchten Frauen hatten eine ausgeheilte Hepatitis-B-Infektion (HbsAg war bei keiner der Frauen nachweisbar), 34 von 40 (85 %) hatten eine Hepatitis C [5]. Die Hepatitis-C-Prävalenz ist sehr hoch, auch bei kurzer Suchtdauer: Bereits nach 4 Jahren waren 6 von 7 Frauen infiziert. Das ist sehr viel mehr, als sonst in Hamburg beschrieben [6] [7].

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Ergebnisse

Tab. 1 Haltequote nach einem und nach fünf Jahren
n = 44in Behandlungregulär beendetBehandlung abgebrochengestorben
Angaben in Klammern = ngesamt
nach 1 Jahr86 %(38)11 %(5)2 %(1)(44)
nach 5 Jahren59 %(26)11 %(5)23 %(10)7 %(3)(44)

41 von den 44 Frauen haben innerhalb einiger Monate die Bedingungen des Hamburger Methadonvertrags erfüllt. Nach einem Jahr waren noch 38 Frauen (86 %) in Behandlung (eine Frau war am Ende des 1. Behandlungsjahres gestorben, 5 hatten die Behandlung abgebrochen), nach 5 Jahren waren es noch 26 (59 %). 5 Frauen hatten das Substitutionsmittel ausschleichend abgesetzt, zwei Frauen waren im zweiten Behandlungsjahr gestorben (eine 4. Frau starb im 7. Behandlungsjahr; 4 Frauen setzten das Substitutionsmittel im 6. Behandlungsjahr ab). 11 Frauen hatten die Behandlung z. T. mehrfach unterbrochen, 10 sind nach einem Abbruch bis zum Befragungszeitpunkt nicht wieder in Behandlung gekommen. Während der Substitutionsbehandlung versuchten 5 von 19 dazu befragten Frauen mit jeweils 1-3 stationären Langzeittherapien Abstinenz zu erreichen, keine war damit erfolgreich.

Von 26 der 41 überlebenden Frauen lagen Informationen zur Prostitution vor (Angaben der Patientinnen, klinischer Eindruck der behandelnden Ärztinnen, Informationen anderer Patientinnen). Danach hatten 20 Frauen die Prostitution aufgegeben, 6 gingen weiter der Prostitution nach.

Die Wohnverhältnisse besserten sich erheblich: Von 33 Frauen wohnten nach 5 Jahren Behandlung 28 in guten Verhältnissen, nur noch 5 in schlechten. Zu Beginn der Behandlung hatten 8 Frauen 11 Kinder, von denen keines bei der Mutter lebte. Unter der Substitutionsbehandlung konnten 4 der Frauen insgesamt 7 Kinder wieder zu sich nehmen. Während der Substitutionsbehandlung wurden von 10 Frauen 13 Kinder geboren, die alle von ihren Müttern erzogen werden. Ein Kind starb an den Misshandlungen, die es vom Partner der Mutter erlitt.

Das Methadon wurde - wie in Hamburg üblich - in einer Apotheke eingenommen. Die durchschnittliche Dosierung betrug zu Beginn der Behandlung 130 mg d,l-Methadon (bei Verordnung von Levomethadon wurde die Dosis 1:2 umgerechnet) mit einem Bereich zwischen 55 und 200 mg (Median 120 mg). 27 Frauen benötigten mehr als 100 mg. Nach 5 Jahren wurden durchschnittlich 65 mg d,l-Methadon verordnet (Median 60 mg), und nur 6 Frauen benötigten mehr als 100 mg.

Zu den Urinkontrollen gab es nach einem Jahr von 23 Frauen Ergebnisse, nach 2 und 5 Jahren von 15 Frauen. Der Konsum von Heroin und Kokain ging deutlich zurück. Nach einem Jahr waren in 30 % der Urinproben Heroin und Kokain nachweisbar, nach 2 Jahren in 20 %. Nach einem Jahr waren bei einem Drittel der Frauen nie Heroin und bei der Hälfte nie Kokain nachzuweisen, ab dem 2. Jahr war das bei 2/3 der Frauen der Fall. Ständigen Beikonsum hatten in den ersten beiden Behandlungsjahren etwa 20 % der Frauen, im 5. Jahr noch eine (Kokain) bzw. 2 (Heroin) von 15 untersuchten Frauen.

Tab. 2 Opiat/Kokain positive Ergebnisse bezogen auf die Anzahl der Urinkontrollen
(Angaben in absoluten Zahlen, in Klammern in Prozent)
n =Opiate positivKokain positiv
im 5. Quartal2328 von 85(33 %)23 vo^n 85(27 %)
im 9. Quartal159 von 48(19 %)9 von 48(19 %)
im 20. Quartal156 von 35(17 %)12 von 35(34 %)
Tab. 3 Ergebnisse der Urinkontrollen bezogen auf die Patientinnen
(Angaben in absoluten Zahlen)
n =immer Opiate negativimmer Kokain negativimmer Opiate positivimmer Kokain positiv
im 5. Quartal2381145
im 9. Quartal15111032
im 20. Quartal1511921

Obwohl die Frauen anfänglich nicht in der Lage waren, die für eine erfolgreiche Substitutionsbehandlung damals für notwendig gehaltenen Vorleistungen zu erbringen, sind die Behandlungsergebnisse gut (gemessen an der Haltequote, am Heroin- und Kokainkonsum, sozialer Rehabilitation und Abstinenz vom Substitutionsmittel [8 10].

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Schlussfolgerung

Viele Heroinabhängige werden erst spät von der Drogenhilfe erreicht. Aus ärztlicher Sicht ist es wegen des schlechten Gesundheitszustands und gesundheitspolitisch zur Vermeidung von HIV- und Hepatitisinfektionen dringend erforderlich und erfolgversprechend, sich prostituierende heroinabhängige Frauen aufzusuchen und ihnen eine Opiaterhaltungstherapie anzubieten.

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Fallbeschreibungen

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Lena

Lena begann mit 13 Jahren, Tabak und Cannabis zu rauchen. Kein Schulabschluss, keine Lehrstelle, deshalb „flog sie zu Hause raus”. 16-jährig Beginn des intravenösen Heroinkonsums, zusätzlich Konsum von Benzodiazepinen und Kokain. Prostitution zur Finanzierung des Drogenkonsums. Ein Entzugsversuch mithilfe von Bekannten führte für einen Monat zur Abstinenz. Über das „Cafe Sperrgebiet” kam sie im August 1994 mit 18 Jahren in die Substitutionsbehandlung. Bei Behandlungsbeginn waren die Venen der Unterarme zerstört, es bestand ein Abszess am linken Unterarm. Das Gebiss war in gutem Zustand, sie war weder mit einer Hepatitis noch mit HIV infiziert.

Wir begannen die Behandlung mit d,l-Methadon in einer Dosierung zwischen 100 und 130 mg und impften sie gegen Hepatitis B. Die psychosoziale Betreuung wurde in der „Palette 3”, einer Einrichtung zur psychosozialen Betreuung Substituierter mit einem Schwerpunkt in der Betreuung von Müttern und Vätern, geleistet. Lena begann, bei einer Zeitarbeitsfirma zu arbeiten. Im ersten Behandlungsjahr noch regelmäßiger Heroin- und Kokainkonsum. Von Februar bis April 1995 unterbrach sie die Behandlung. Sie kam nach zwei Monaten mit vielen Abszessen und einer Hepatitis C zurück in die Behandlung.

Kurz nach der Wiederaufnahme der Substitutionsbehandlung begann sie wieder zu arbeiten und nahm am Schulunterricht der Beratungsstelle teil. Sie konsumierte jetzt nach ihren Angaben nur noch sporadisch. Ab jetzt waren alle Urinproben sauber. Sie zog zunächst zur Mutter, bekam aber bald eine eigene Wohnung.

Während sie mit einem Drogenabhängigen zusammenlebte, war im Januar 1996 eine Dosiserhöhung bis 180 mg nötig, zusätzlich bekam sie wegen Schlafstörungen verschiedene Hypnotika, u. a. bis 30 mg Diazepam täglich. Das Diazepam konnte in vier Wochen wieder abgesetzt werden. Ab April 1996 begann sie, die Methadondosis zu reduzieren. Im Juni erlitt sie eine Fehlgeburt. Bei 130 mg d,l-Methadon musste die Dosis wieder auf 170 mg erhöht werden. Eine Reduzierung um 5 mg alle 14 Tage vertrug sie besser. Anfang 1997 wurde sie erneut schwanger, hatte aber viele Probleme mit dem Kindsvater, einem Alkoholiker, der von ihrem Geld lebte. Sie erreichte ein Hausverbot für ihn. Am 12.10.1997 wurde ihre Tochter geboren. Wegen der Entzugssymptomatik blieb das Kind zwei Monate im Krankenhaus. Sie konnte in dieser Zeit im Schwesternheim wohnen und das Kind täglich besuchen.

Bis zum Juli 1998 konnte sie die Methadondosis auf 25 mg reduzieren. Die geplante Umstellung auf Buprenorphin für den restlichen Entzug gelang nicht, wegen Herzrasens musste Buprenorphin wieder abgesetzt werden. In 12 Monaten wurde das Methadon in kleinen Schritten bis Ende Juli 1999 entzogen. Im Mai 2001 kam sie zu einer Blutuntersuchung in die Praxis. Nach ihren Worten ging es ihr gut, klinisch bestand kein Anhalt für einen erneuten Drogenkonsum, der Urin war frei von Opiaten, Kokain und Benzodiazepinen. Die Tochter war jetzt 3œ Jahre alt, das Sozialamt drängte sie zu arbeiten, einen Schulabschluss hat sie noch nicht erreicht.

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Anna

„Zu Hause war es nie schön”: 1975 Scheidung der Eltern, als sie 2 Jahre alt war, kurz danach 2. Ehe der Mutter mit gewalttätigem, trunksüchtigem Mann. Der Stiefvater misshandelte sie und die Mutter und missbrauchte sie sexuell vom 9.-12. Lebensjahr. Fluchtversuche mit 10 und 12 Jahren, Unterbringung in einem Heim, weitere 2 Jahre später in einer betreuten Jugendwohnung. Sie begann mit 10 Jahren, Zigaretten zu rauchen, und mit 12 Jahren, Alkohol zu trinken und Cannabis zu rauchen, beides mit dem Ziel, die Wirklichkeit zu vergessen und sich wohlzufühlen. Mit 14 Jahren Beginn des Heroinkonsums. Das Gefühl beim Injizieren beschrieb sie mit „wie im 7. Himmel”.

Aus der Jugendwohnung floh sie wegen eines gewalttätigen Freundes nach Hannover und Frankfurt, wo sie sich obdachlos in der offenen Drogenszene aufhielt. Mit 16 Jahren schwanger, vom Jugendamt in einer betreuten Mutter-Kind-Wohnung untergebracht. Während der Schwangerschaft und der folgenden 18 Monate abstinent und Besuch einer Hauswirtschaftsschule in St. Georg. Als sie rückfällig wurde, wurde das Kind in einem Heim untergebracht und später zu Pflegeeltern gegeben. Danach massiver Rückfall, auch Kokainkonsum. Wegen Raub vier Monate Untersuchungshaft.

Seit dem 18. Lebensjahr Prostitution zur Finanzierung des Drogenkonsums. Wegen lebensbedrohlicher Überdosierungen 10-mal im Krankenhaus. zwei stationäre Entgiftungen, Abbruch nach zwei bzw. einer Woche. Mit 18 Jahren kurzfristige Behandlung mit Methadon, aber wegen fehlender Wohnung und Aufenthalt in der „Szene” abgebrochen („ich war noch nicht reif dafür”). 1993 wurde anlässlich eines Angriffs auf einen Polizeibeamten mit einer blutgefüllten Spritze eine HIV-Infektion festgestellt.

Bei Beginn der Behandlung 1994 mit 21 Jahren verwahrlost, abgemagert. Zahlreiche Einstichstellen und vernarbte Abszesse an beiden Armen, zahlreiche Pyodermieherde. Symptomlose HIV-Infektion mit 890 CD4-Zellen, Hepatitis-C-Infektion im virämischen Stadium, Immunität nach Hepatitis B, Eisenmangelanämie mit einem Hb von 10,2 g/dl, Cholelithiasis.

Regelmäßiger Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle. Die Veränderungen seit der Behandlung mit Methadon beschreibt sie so: „Die Gier ist weg, ich muss nicht mehr anschaffen, es geht mir körperlich besser”. Substitution mit maximal 190 mg d,l-Methadon und wegen der zusätzlichen Benzodiazepinabhängigkeit Verordnung von maximal 8 mg Clonazepam, ambulant reduzierbar auf 2,5 mg. Anfang 1996 stationärer Entzug nach mehreren Anläufen, nach mehreren Abbrüchen disziplinarisch entlassen. Rückfall, im März erneute Substitutionsbehandlung mit maximal 70 mg Levomethadon und Verordnung von maximal 8 mg Clonazepam, reduzierbar auf 2,5 mg. Massiver Alkoholkonsum. Sie musste die Apotheke wechseln, weil sie dort gestohlen hatte, wurde disziplinarisch aus einer Wohneinrichtung für junge Frauen entlassen und vom Sozialamt in einem „Hotel” untergebracht.

Im November 1996 brach sie die Behandlung ab und kam abgemagert im April 1997 mit einer Pneumonie, die zunächst im Krankenhaus behandelt wurde, wieder in Behandlung. Anschließend Haft, ab Juni erneute Substitutionsbehandlung. Stationäre Teilentgiftung über 5 Wochen, anschließend ab 1.12.97 Entwöhnung in „Release”. Abbruch nach acht Wochen, weitere Substitutionsbehandlung (75 mg Levomethadon, zusätzlich 2 mg Clonazepam), im Frauenhaus untergebracht.

Zwei kurze stationäre Aufenthalte wegen Unterschenkelphlegmonen im März und April 1998, im Mai wegen eines Okkasionsanfalls und eines Abzesses am Unterarm. Ende August neuer Entwöhnungsversuch in Toppenstedt und Parber, abgebrochen, erneute Substitutionsbehandlung im Februar 1999 bis zum Entzug in „Bellavista”, von dort mit 25 mg Levomethadon entlassen, da ein vollständiger Entzug nicht sinnvoll sei. Anschließend für sechs Wochen in Untersuchungshaft.

Unterbringung in der Krisenwohnung nach mehreren Anläufen, stationär im Tropeninstitut für drei Wochen mit Spritzenabszessen und anschließender Beikonsumentzug in „BellaVista” bis zum 6.4.99. Am Ende des Aufenthalts erschien Tanja „wie aufgeblüht”.

Am Tage nach der Entlassung erneut inhaftiert, nach sechs Wochen nach Gnadengesuch entlassen. Sie wurde weiter substituiert. Nach einem Suizidversuch wurde sie acht Wochen in der Entzugsstation „Bella Vista”, nach einem weiteren im August 2000 vier Wochen lang in der Entzugsstation des AKO behandelt, dort am 12.9.00 mit 60 mg L-Polamidon entlassen und ambulant weiter substituiert.

Anna starb am 31.10.2000 an einer Mischintoxikation. Im Blut wurden Heroin, Methadon, Kokain, Benzodiazepine und Antidepressiva gefunden.

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Literatur

  • 1 Bellis D J. Reduction of AIDS Risk Among 41 Heroin Addicted Female Street Prostitutes: Effects of Free Methadone Maintenance.  Journal of Addictive Diseases. 1993;  12 7-23
  • 2 Zenker C. First Results fo a Methadone Programme for Drug-Addicted Women Prostituting Themselves.  European Addiction Research. 1995;  1 139-145
  • 3 Grönbladh L, Gunne L. Methadone-assisted rehabilitation of Swedish heroin addicts. 
  • 4 6 Monate Methadon-Behandlung in Hamburg.  HÄB 89. 92-93;  3
  • 5 Ullmann R. Methadonbehandlung im Cafe Sperrgebiet.  Zeitschrift für Allgemeinmedizin. 1996;  72 887-889
  • 6 Ullmann R. Plädoyer für die Behandlung Heroinabhängiger in der hausärztlichen Praxis.  Hamburger Ärzteblatt. 1997;  51 418-419
  • 7 Brack J. Die Hepatitiden B und C bei drogenabhängigen Patienten: Eine epidemiologische Studie.  Suchttherapie. 2002;  3 S3-S10
  • 8 Raschke P. Substitutionstherapie. Freiburg im Breisgau; Lambertus 1994
  • 9 Raschke P, Ullmann R. 10 Jahre Substitutionsbehandlung in der hausärztlichen Praxis.  Suchttherapie. 2001;  2 195-203
  • 10 Maddux J, Desmond D. Methadone Maintenance and Recovery from Opioid Dependence.  Am. J. Drug Alcohol Abuse. 1992;  18 63-74

Rainer Ullmann

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Literatur

  • 1 Bellis D J. Reduction of AIDS Risk Among 41 Heroin Addicted Female Street Prostitutes: Effects of Free Methadone Maintenance.  Journal of Addictive Diseases. 1993;  12 7-23
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  • 3 Grönbladh L, Gunne L. Methadone-assisted rehabilitation of Swedish heroin addicts. 
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  • 7 Brack J. Die Hepatitiden B und C bei drogenabhängigen Patienten: Eine epidemiologische Studie.  Suchttherapie. 2002;  3 S3-S10
  • 8 Raschke P. Substitutionstherapie. Freiburg im Breisgau; Lambertus 1994
  • 9 Raschke P, Ullmann R. 10 Jahre Substitutionsbehandlung in der hausärztlichen Praxis.  Suchttherapie. 2001;  2 195-203
  • 10 Maddux J, Desmond D. Methadone Maintenance and Recovery from Opioid Dependence.  Am. J. Drug Alcohol Abuse. 1992;  18 63-74

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