Zusammenfassung
Prädiktive genetische Tests sind eine der interessantesten Anwendungsoptionen der
modernen Humangenomforschung. Ob relativ selten auftretende monogen vererbte oder
häufigere Krankheiten (z.B. Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen) - lange bevor
ein Patient erkrankt, kann die Disposition zu einer Krankheit festgestellt werden.
Kontrovers diskutiert werden solche Gen-Tests schon seit längerem. Positive Aspekte
und Risiken der Früherkennung müssen dabei aber gegeneinander abgewogen werden. Denn
einerseits können mithilfe genetischer Tests beispielsweise Arzneimittel und Therapiestrategien
entwickelt bzw. eingesetzt werden, die auf den individuellen Patienten zugeschnitten
sind. Andererseits kann das frühzeitige Wissen um eine potenzielle Erkrankung auch
zur großen Belastung für den Betroffenen werden oder sogar zu dessen Ausgrenzung führen.
Insbesondere durch die Mikro-Array-Technik könnten sich die möglichen Gefahren und
Probleme potenzieren. Denn je mehr genetische Informationen verfügbar sind, desto
besser muss auch das Beratungsangebot für den Betroffenen organisiert sein. Spezielle
Herausforderungen birgt die Pränataldiagnostik, gerade vor dem Hintergrund einer möglichen
Selektion. Ebenso vorstellbar ist in diesem Fall, dass eine genetische Diagnostik
einen Schwangerschaftsabbruch verhindern kann. Damit scheint klar: Die politischen
Regulationsmodelle müssen zwischen der völligen Freigabe und einem gänzlichen Verbot
der Techniken liegen.
Summary
Predictive genetic tests are one of the most interesting application options of modern
human genome research. Whether relatively rare, monogenetically inherited illnesses,
or more common pathologies (e.g. cardiovascular or cancer disease) - long before a
patient becomes ill, his/her predisposition for the disease can be determined. Such
genetic tests have long been a focus of controversy. The positive aspects and risks
of early identification of a predisposition need to be weighed one against the other.
On the one hand, for example, genetic tests could help develop or apply medications
and therapeutic strategies tailored to the specific requirements of the individual
patient; on the other, early knowledge of a predisposition to contract a disease could
be an intolerable burden for the person concerned, or might even lead to ostracization.
In particular through the micro-array technique, possible risks and problems might
be potentiated, since the more genetic information that is available, the more highly
organized must be the counselling of the potential patient. A special challenge is
posed by prenatal diagnostic measures, in particular from the aspect of possible selection.
Equally conceivable, however, is the possibility that genetic counselling might prevent
the termination of a pregnancy. Against this background it would appear clear that
political regulatory models must be placed somewhere between the two extremes: unrestrained
and strictly forbidden.
Key Words
genchip technology - micro-array technique - ethics - regulatory mechanisms - molecular
diagnostics - prenatal diagnostics
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1 1 vgl. auch die Einschränkung, die der Ethikbeirat des Bundesministeriums für Gesundheit
(BMG) durch die Definition von Gentests macht [4 ]
Anschrift des Verfasser
Dr. phil. Michael Fuchs
Institut für Wissenschaft und Ethik an der Universität Bonn
Niehburstr. 51
53113 Bonn