Ebenso wie die Humangenomforschung so war auch die Anwendung prädiktiver Gentests schon früh Gegenstand einer ethischen und rechtspolitischen Debatte. Die Bandbreite der politischen Handlungsmöglichkeiten reicht dabei von einer völligen Freigabe bis zum gänzlichen Verbot prädiktiver Gentests. Da aber mit der Früherkennung genetischer Dispositionen nicht nur positive Möglichkeiten bestehen - wie zum Beispiel therapeutische Vorteile oder die Entwicklung und der Einsatz von Arzneimitteln, die der individuellen genetischen Ausstattung von Patienten angepasst sind -, sondern ebenso Befürchtungen und Risiken, herrschen in der Diskussion unterschiedliche Modelle der Eingrenzung und der rechtlichen Regelung von Gentests vor.
Prädiktive genetische Tests bei Erwachsenen
Während die Einführung von Prüf- und Zulassungsverfahren primär auf eine technische Qualitätskontrolle der Testsysteme ausgerichtet ist, orientieren sich die anderen Einschränkungen an spezifischen Gefahren, die gerade mit einem validen Test verbunden sein können. Gründe hierfür sind die Annahme, dass ein genetischer Test auch für Verwandte relevante Informationen birgt und dass der Test prädiktiv ist. Unter Umständen könnte das frühzeitige Wissen auch zu einer schweren Belastung werden. Der Vorteil der präsymptomatischen Feststellung einer Krankheit kann also auch ein Nachteil sein. Zum Teil gründet sich diese Sorge auf die Einschätzung, dass das genetische Wissen eine spezifische Form des Wissens ist. Denn es wird angenommen, dass das individuelle Genom in einer besonderen Nähe zum Kern der Persönlichkeit steht. Aber nicht alle teilen diese Einschätzung - und wenn doch, wird sie oft unterschiedlich gewichtet. Das Ergebnis sind heterogene Regelungsvorschläge [Tab. 1].
All diese Konzepte - wie das der Antidiskriminierung, des (Fach-) Arztvorbehalts und der Zweckbindung - können sicherlich miteinander kombiniert werden. Doch sie alle stehen unter erheblichen Begründungsschwierigkeiten. Am leichtesten fällt eine Rechtfertigung im Falle der Qualitätskontrolle der Tests. Denn sicherlich hat der Verbraucher ein Anrecht darauf, dass das Produkt hält, was es verspricht.
Braucht es aber darüber hinaus eine spezifische Antidiskriminierungsgesetzgebung? In der Tat scheint die Besonderheit genetischer Informationen mitunter überzeichnet. Und sind genetische Informationen tatsächlich besonders persönliche Informationen? Viele genetisch kodierte Merkmale wie beispielsweise das Geschlecht liegen für alle offen zu Tage und müssen keineswegs erst durch einen Gentest erhoben werden. Zudem ist eine Person nicht durch ihre individuelle genetische Ausstattung determiniert. Zweifellos sehen wir monozygote Mehrlinge als individuelle Personen an.
Die Rede von der zu schützenden „privacy” genetischer Daten sollte sich von solchen anthropologisch fragwürdigen, metaphysischen Überzeichnungen des Genoms absetzen. Zwar kommt dem individuellen Genom als wichtigem Steuerungselement und als relativ stabiler Größe eine sehr wichtige Rolle bei der körperlichen und geistigen Konstituierung zu. Die Person aber entsteht und entwickelt sich in einer Wechselwirkung mit anderen materiellen Größen und mit anderen Personen. Genetische Informationen haben daher keinen ganz anderen Status als medizinische Informationen nichtgenetischer Art.
Zur Debatte steht, ob Gentests besondere Anstrengungen zur Verhinderung von Diskriminierungen erforderlich machen. Denn dass es der Respekt für Personen prinzipiell und somit auch im Bereich der Gendiagnostik erfordert, Stigmatisierungen und Diskriminierungen zu verhindern, gehört zum Bestand der geteilten Moral und wurde vor dem Hintergrund von Krisenerfahrungen im 20. Jahrhundert gerade in der Medizinethik bekräftigt. Grundsätzlich umstritten dagegen ist die Frage, ob gelegentlich auch das Individuum vor seinen eigenen Ambitionen geschützt werden muss und ob der Wunsch nach individuellen Gentests hierzu gehören kann.
Daraus ergeben sich Rückfragen - sowohl an einen Arztvorbehalt wie auch an die vorgeschlagene Zweckbindung. Was rechtfertigt den hinter dem Vorbehalt stehenden Paternalismus der Ärzte oder den hinter der Zweckbindung stehenden Regelungsanspruch des Staates? Schwerlich wird der Eingriff als solcher als eine Belastung oder Gefahr aufzufassen sein, die einen hochrangigen Rechtfertigungszweck erfordert. Denn der Test macht keinen körperlichen Eingriff im medizinischen Sinne erforderlich, er stellt damit keine Gefahr für den Körper des Patienten dar. Die Gefahr kann also nur von den Testergebnissen und ihren Interpretationen ausgehen. Dass hier angesichts eines auch in der Bevölkerung verbreiteten Genetizismus eine kompetente Darlegung und Interpretation der Testergebnisse erforderlich ist, scheint durchaus begründbar.
Doch ist diese Fähigkeit wirklich ausschließlich bei Mitgliedern des ärztlichen Standes gegeben? Vorstellbar ist, dass eine naturwissenschaftliche - verbunden mit einer psychologischen und kommunikativen - Kompetenz die Arztrolle nicht nur kompensiert, sondern sogar die bessere Eignungsvoraussetzung bietet. Dies gilt allerdings nur dann, wenn keine präventiven und therapeutischen Angebote im medizinischen Sinne gemacht werden können. Bei Tests, die auf krankheitsbezogene Merkmale abzielen, wird hingegen die medizinische Handlungsoption immer möglich sein. Daher scheint hier der Arzt auch künftig und mit Recht der geeignete Gewährsmann.
Wie aber steht es mit Tests, die dezidiert auf Normalmerkmale abzielen würden? Hier könnte die Zweckbindung greifen und einen solchen Test gänzlich untersagen. In der Tat scheint mir manches dafür zu sprechen, dass die Testung unserer genetischen Möglichkeiten die Ausbildung vieler Fertigkeiten verhindern würde und für das Glück der Einzelnen, der Familien und Gemeinschaften eher abträglich wäre. Ein Beweis ist hier freilich nicht zu führen. Die Urteilsbildung muss vielmehr Teil einer gesellschaftlichen Debatte und Positionierung sein. Gleichzeitig scheinen mir erhebliche Zweifel an einer rechtswirksamen Durchsetzung eines entsprechenden Verbotes angebracht.
Derzeit scheint weitgehendes Einvernehmen nur darüber zu bestehen, dass Tests einer Qualitätsprüfung zu unterziehen sind, dass Diskriminierungsgefahren durch datenschützerische Maßnahmen zu verhindern sind und dass ungewollte psychische und soziale Auswirkungen von individuellen genetischen Informationen durch Beratungen abzufedern sind. Weitere Einschränkungen und auch die Frage, ob solche Beratungen verpflichtend sein sollen, bleiben umstritten.
Implikationen der Datenvermehrung
Implikationen der Datenvermehrung
Obschon prima facie für den Einsatz von DNA-Chips dieselben Kriterien wie für Einzeltests gelten, da nicht nur das Verfahren vergleichbar, sondern vor allem die Ziele identisch sind, sehen einige erst mit dem Aufkommen und dem klinischen Einsatz von DNA-Arrays die eigentliche Gefahr genetischer Diagnostik wirksam werden. Der Grund hierfür liegt zunächst in der quantitativen Zunahme der Daten. In der Tat verbreitet sich allerdings mit den Mikro-Arrays nicht nur ein etabliertes Verfahren der genetischen Testung, es wird auch insofern modifiziert, als die Daten unmittelbar durch einen Rechner abgelesen werden.
Kollek und Feuerstein [5] sprechen deshalb von einer Automatisierung der Testung. Sie sehen in der Netzwerkfähigkeit der Rechner den entscheidenden Grund, an der bei Einzeltests gegebenen Schutzfähigkeit der Daten im Rahmen des Einsatzes von Gen-Chips zu zweifeln. Gerade dann, wenn die genetischen Daten in einer systematisierten Form gesammelt und mit klinischen Daten korreliert werden, geben sie einen so umfassenden Einblick, dass Sorgen hinsichtlich des Missbrauchs verständlich werden.
Auch Kritiker der DNA-Chip-Technologie bestreiten nicht, dass ihre Unaufhaltsamkeit in realistischen Nutzenerwartungen gründet. Dies gilt zum einen für ihren Einsatz in der Forschung - sei es in Tierexperimenten oder auch in der genetischen Epidemiologie. Es gilt aber ausdrücklich auch für den diagnostischen Einsatz, nämlich dann, wenn mit einer positiven Diagnose eine verlässliche Therapie oder gar eine verlässliche Prävention verbunden werden kann [5]. Zu denken ist hier etwa an verschiedene Formen des erblichen Darmkrebses [12].
Nur wenige Autoren haben die Gen-Chip-Technologie bislang einer Analyse und Bewertung unterzogen. Eine systematische Darlegung steht bislang aus. Der Einsatz von Gen-Chips stellt Anfragen an die Praktikabilität der Eingrenzungsvorschläge und der mit ihnen verbundenen Schutzvorkehrungen. Von besonderem Stellenwert ist zudem, dass
Gen-Chips genetische Reihenuntersuchungen vor allem unter dem Kosten- und Effizienzaspekt leichter möglich machen. Insgesamt werden also Informationen über Heterozygotie bezüglich bestimmter Krankheiten in großer Zahl anfallen. Die Kostensenkung von Screeningmaßnahmen könnte aber auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Maßnahmen der Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik haben, die zusätzlichen Kenntnisse über Heterozygotie auch die Wahl von Partnern beeinflussen.
Tests auf freiwilliger Basis?
Tests auf freiwilliger Basis?
Zunächst bringt die Vermehrung von Tests durch die Array-Technik außer einem enormen Zuwachs an Daten auch Probleme mit sich. Zum Konsens über das Erfordernis eines Beratungsangebots bei Gentests gehört, dass eine Beratung und Aufklärung bereits vor dem Test zu erfolgen hat. Schon unter den Bedingungen von Einzeltests wird - so wird vielfach geklagt - dieser Pflicht nicht Genüge getan. Die Vervielfachung von Tests mit der Array-Technik verlangt eine Aufklärung und Beratung zu jedem einzelnen Parameter. Zumindest die prädiktiv aussagekräftigen Parameter, so wird argumentiert [6], verlangen alle eine spezielle Berücksichtigung.
Außerdem ergeben sich meines Erachtens Probleme mit der standardisierten Verknüpfung von Tests: Ein Druck auf potenzielle Testpersonen, dem gesamten Test zuzustimmen (oder ihn insgesamt abzulehnen), ist schwer zu vermeiden. Denn würde die Zustimmung differenziert erfolgen, würde der Kosten-Vorteil der Array-Technik fraglich - sofern eine Teilnutzung von DNA-Chips überhaupt technisch möglich ist. Damit ist aber die Freiwilligkeit infrage gestellt.
Im Anschluss an den Test verschärfen sich die Probleme der Einzeltests: Die Frage ist nun, wie wir mit den gewonnen Erkenntnissen umgehen - sei es hinsichtlich der psychischen Belastung im Falle eines gesicherten Wissens um bevorstehende nichttherapierbare Krankheiten oder auch hinsichtlich der Unsicherheit im Falle der bloßen Möglichkeit. Je größer die Quantität der erzeugten Daten ist, desto schwerer wird es, die psychischen Belastungen durch Beratung aufzufangen.
Gleiches gilt in manchen Fällen für die Beratung über Präventionsangebote: Denn auch wenn die Beratung in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden kann, kann sie das Entscheidungsdilemma nicht beseitigen. Der erbliche Brustkrebs ist hierfür das häufigste und wohl auch das treffendste Beispiel. Dieses Problem entsteht aber keineswegs erst mit der Technik der Mikro-Arrays.
Grundlegend neu scheint die Situation, dass ein Getesteter zugleich mit einer Vielzahl konstatierter Risiken konfrontiert werden muss. Henn spricht deshalb von den Konsequenzen des iatrogenen Eingriffs in die Unbeschwertheit der Lebensführung [8]. Bayertz und Schmidtke [1] kündigen sogar eine „universelle präsymptomatische Multimorbidität” an. Es könnte schwierig sein, eine solche Vielzahl von prädiktiven Aussagen einer integrativen Interpretation zuzuführen, die der Betroffene auch verstehen kann. Wie ein ausgeweiteter Beratungsbedarf sicherzustellen und zu finanzieren ist, ist ungeklärt. Möglicherweise sind wir nicht in der Lage, geeignete Strategien zu entwickeln, um mit einem so komplexen Risiko umgehen zu können [15].
Dies trifft sicher auch auf die Einschätzung einer Heterozygotie hinsichtlich bestimmter Krankheitsdispositionen zu. Informationen über solche Träger-Zustände werden mit dem weiten Einsatz von Gen-Chips sicher massiv zunehmen. Die Gen-Chip-Technik macht ein umfassendes Bevölkerungssrceening in vielen Bereichen erstmals realistisch. Für jede Krankheit sollte daher einzeln entschieden werden, ob ihre Anwendung tatsächlich nützlich ist. Erkenntnisse über eine Heterozygotie als Nebenprodukt eines Tests, der eigentlich auf die Erkenntnis von Krankheiten und Krankheitsdispositionen abzielt, sind nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sie kostenfrei mit anfallen. Auch dann wenn entsprechende Beratungsangebote verfügbar und bezahlbar sind, sollten wir gründlich überlegen, ob uns solches Wissen in umfangreicher Form zuträglich erscheint oder ob hierdurch die Kriterien der Partnerwahl und unsere Erwartungen gegenüber unseren Nachkommen nicht in einer Weise verändert werden, die wir nicht wollen können.
Eine neue Situation könnte der Einsatz von Gen-Chips auch für die Versicherungswirtschaft herbeiführen. Bislang haben die Versicherungen entsprechende gesetzliche Verbote eines Einsatzes bzw. einer Nutzung von Gentests hingenommen bzw., wie bei uns, keinen Gebrauch von der Möglichkeit der genetischen Testung gemacht. Wenn man das parallele, zweigeteilte System der Krankenversicherung prinzipiell als gerecht akzeptiert, dann fällt es allerdings schwer, dem privaten Krankenversicherer gerade den Gentest als Instrument der Risikobewertung abzusprechen. Jedenfalls scheint mir der Nachweis nicht erbracht, dass die Erhebung von oder die Nachfrage nach genetischen Informationen im Rahmen der Gestaltung privater Versicherungsverträge in anderer Weise zu werten ist als die Feststellung des Geschlechts und die Aufnahme der Familienanamnese. Zu beachten ist allerdings, dass die Komplexität der Testergebnisse nicht nur, wie bereits dargelegt, die individuelle Beratung erschwert; gleiches gilt auch für eine angemessene Risikobeurteilung durch den privaten Versicherer.
Chips in der Pränataldiagnostik
Chips in der Pränataldiagnostik
Erfolgt der Test oder das Screening bereits vor der Geburt, ist die Frage des individuellen Umgangs mit dem genetischen Wissen noch diffiziler. Denn in diesem Fall besteht die Möglichkeit der Selektion. Doch das Angebot der Pränataldiagnostik kann nicht generell aus moralischen Gründen infrage gestellt werden, zumal eine diagnostische Abklärung in manchen Fällen einen Abbruch auch verhindern könnte. Zudem gehe ich davon aus, dass nicht eine Optimierung der Schwangerschaft die elterlichen Erwartungen prägt, sondern ein möglichst weit reichender Ausschluss existenzieller Sorgen um die eigenen Kinder. Diese Sorgen entstehen nicht durch die Möglichkeit des Wissens, sondern sie sind mit seiner Begrenztheit immer schon da.
Allerdings sollte die Praxis der Pränataldiagnostik sorgfältig beobachtet werden, um Rückschlüsse auf den Einsatz von DNA-Arrays und seine Auswirkung auf den Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch sowie auf die beruhigende oder beunruhigende Wirkung auf die Eltern zu ziehen. Noch mehr muss in der Debatte um eine mögliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik die Wahrscheinlichkeit bedacht werden, dass auch hier Mikro-Arrays zum Einsatz kommen. Angesichts einer im Vergleich zum Schwangerschaftsabbruch herabgesetzten Hemmschwelle hinsichtlich einer Verwerfung des Embryos muss geprüft werden, ob die vorgeschlagenen Eingrenzungen der Präimplantationsdiagnostik auf nachgewiesene Risiken sehr weniger schwerer Erkrankungen praktisch durchsetzbar erscheinen.
Neugeborenenscreening
Neugeborenenscreening
Da die Gefahr der Selektion nach der Geburt entfällt, könnte man fordern, flächendeckende Screeningmaßnahmen gerade für Neugeborene zu empfehlen. Allerdings scheint medizinethisch auch für diesen Fall zu gelten, dass der „informed consent” durch den Getesteten selbst nur dann durch die Zustimmung eines Rechtsvertreters ersetzt werden kann, wenn der Zeitgewinn für die Diagnose im Hinblick auf den Vorteil für die Prävention oder Therapie signifikant ist. Ein Screening von Kindern im Blick auf Krankheiten, die ebenso erfolgreich therapiert werden können, wenn sie im Erwachsenenalter ausbrechen, scheint daher übertrieben paternalistisch.
Fazit
Fazit
Der fatalistische Tonfall, der die Beurteilung der Gen-Chips durch Datenschützer und einige Kritiker begleitet, scheint im Rahmen einer ethischen Bewertung unangebracht. Die Möglichkeit des Missbrauchs der Daten kann ein generelles Verbot nicht begründen. Generelle Verbote sind nicht deshalb abzulehnen, weil sich die Technologie ohnehin durchsetzt, sondern weil mit ihrem Einsatz moralisch achtenswerte Forschungs- und Diagnoseziele verbunden sind.
Darüber hinaus ist auch mit einer Nutzung von DNA-Arrays im Rahmen der Pharmakogenetik zu rechnen - eine Anwendung, die auch unter moralischen Gesichtspunkten positiv bewertet wird. Allerdings wird man der Versuchung widerstehen müssen, mehr Daten zu erzeugen als man wirklich bewältigen kann. Dies gilt für die lebenspraktische Deutung von Diagnosen über Dispositionen, Heterozygotie und noch mehr über Polymorphismen, für die uns derzeit noch jedes Verständnis fehlt. In der Tat sind Daten, die einmal erzeugt wurden, angesichts vernetzter EDV-Systeme schwer zu beseitigen. Je umfangreicher die Informationen über eine Person werden, desto leichter wird die Reidentifizierung anonymisierten Daten.
Alle Tests brauchen daher - ob krankheitsbezogen oder nicht - eine wohlüberlegte Indikation. Solche Indikationen müssen sehr speziell konkreten Zwecksetzungen zugeordnet sein und tendenziell eng ausgelegt werden. Datenschutz kann nicht nur durch Gesetze und Kontrollmechanismen durchgesetzt werden. Sowohl bei den klinisch arbeitenden Personen wie bei den Forschern muss sich vielmehr ein Bewusstsein durchsetzen, dass der Schutz medizinischer und genetischer Daten die Integrität der Person betrifft und nicht bloßes Arbeitshindernis für den Kliniker und den Forscher ist.
Tab 1. Prädiktive genetische Tests bei Erwachsenen -
Regelungsvorschläge Konzept der Antidiskriminierung
Der Vorschlag einer Antidiskriminierungsgesetzgebung oder -politik knüpft vor allem an die Einschätzung der Persönlichkeitsnähe der genetischen Information an [14]. Nicht vor dem Wissen um die eigene Zukunft ist das Individuum zu schützen, vielmehr darf diese Information nicht zu anderen gelangen, welche den Getesteten stigmatisieren oder diskriminieren. Diese Sorge lässt sich aber keineswegs auf genetische Tests eingrenzen. Allerdings kann man argumentieren, dass die Stigmatisierung insofern besonders gravierend ist, als der medizinische Charakter des Tests das festgestellte Merkmal als krankhaft bzw. zu vermeidend ausweist, zugleich aber derzeit keine ursächliche Therapie zur Verfügung steht.
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(Fach-)Arztvorbehalt
Der Vorschlag des Arztvorbehaltes dagegen greift nicht primär bei der möglichen Weitergabe der Information an Dritte, sondern bereits bei der Erhebung der Information. Hier wird der Test als ein Eingriff analog zu einer medizinischen Intervention aufgefasst, der nur im Rahmen einer ärztlichen, also auf Heilung oder Leidenslinderung ausgerichteten Praxis gerechtfertigt ist. Wird die Information nicht sachgerecht gedeutet und in die Lebenswelt des Getesteten übersetzt, kann der besondere Charakter des erhobenen Wissens auch als Gefahr für den Getesteten verstanden werden. Diese Deutungs- und Übersetzungsleistung wird von einer Person erwartet, die zugleich naturwissenschaftlich-humangenetisch ausgebildet und als praktischer Arzt in der sprachlichen Vermittlung von Handlungsoptionen geübt ist. Mitunter wird der Arztvorbehalt zu einem Facharztvorbehalt verschärft. Insbesondere Humangenetiker fordern, dass Tests nur durch Fachärzte für Humangenetik durchgeführt werden dürfen.
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Zweckbindung
Diesem Konzept liegt die Vorstellung zugrunde, genetische Tests seien nur dann legitim, wenn sie auf gesundheitliche Zwecke ausgerichtet seien. In der Variante wie die Zweckbindung etwa vom Europarat festgeschrieben wird, soll sie vor allem auch die Diskriminierung verhindern. Die Konvention zur Biomedizin des Europarates stellt nämlich nur solche Tests unter die genannte Zweckbindung, die krankheitsbezogen sind bzw. einen entsprechenden Trägerstatus ermitteln[1]. Vor allem der Einsatz von Gentests in der Arbeitsmedizin und im Rahmen des Versicherungswesens soll damit bis auf eng definierte Ausnahmen ausgeschlossen werden.
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