ZFA (Stuttgart) 2003; 79(4): 159
DOI: 10.1055/s-2003-39952
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Auflösung der Deutschen Ärzteschaft

Heinz-Harald Abholz1
  • 1Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin Heinrich-Heine-Universität
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Juni 2003 (online)

 

Die Ärzteschaft als Profession ist noch ein mächtiger Spieler auf der Bühne der Gesundheitspolitik. Damit ist sie objektiv oder aus der Sicht anderer Akteure aber auch ein Hindernis für zahlreiche gesellschaftliche Prozesse - von der Entwicklung zu Kosteneffizienz bis hin zur Realisierung gesellschaftlicher Zielsetzung wie Transparenz, Rationalität und Mitbestimmung des Patienten.

Im Interesse der Politik muss daher der Abbau der Macht dieser Profession sein. Nur kann man eine Profession, solange sie besteht, meist nur mit Macht zerbrechen. Dies erleben wir in bisher nicht gekannter Deutlichkeit. Und wir sollten uns sicher sein, würde die CDU regieren, würde sie identisch handeln. Was nun hat diesen Prozess der Auflösung der Profession so gefördert?

Unvergleichbar hohe Gesundheitskosten mit keinem besseren, häufig geringerem Outcome als in vergleichbaren Ländern; Strukturen der Vergeudung wie z.B. die Dreiteilung zwischen allgemeinmedizinischem Hausarzt - Allgemeininternist - spezialisiertem Internist. Es gibt eine hohe Zahl von Spezialisten, die aufgrund dieser Zahl nicht mehr spezialistisch, sondern zu weiten Teilen in der Basisversorgung arbeiten und dies mit hohen Kosten einer spezialisierten Diagnostik und Therapie betreiben; die seit Jahren innerhalb der Ärzteschaft bekannten, immer als Kavaliersdelikt angesehenen Betrügereien von Kollegen, die dies in der Regel nicht einmal heimlich betrieben; die seit Jahren bekannten - in der Wirtschaft als Preisabsprache bezeichneten - Kartelle von Abrechnungsgepflogenheiten, die eine Wirtschaftlichkeitsprüfung schon seit Jahren nicht mehr möglich machten; die absolut »unprofessionelle« Antwort auf Budgets, Patienten einfach an den Resttagen des Quartals nicht mehr zu behandeln; das zunehmende Auftreten der Ärzte als Kaufleute mit den zu weiten Teilen zynischen Angeboten der Igelliste - weiterhin aber den Schutz einer Profession in Anspruch nehmend;

ein GKV-System, das strukturell nicht mehr zur Lösung anstehender Probleme in der Lage ist (siehe EBM-Reform), ein Ärztekammer-System, das ebenfalls zu den strukturellen Problemen innerhalb der Ärzteschaft keine Lösung mehr zustande bringt (siehe Weiterbildungsstrukturen, Weiterbildung Hausarzt etc.).

Wir müssen wohl damit leben, dass wir als Ärzte in drei bis vier Jahren ganz normale Mitglieder dieser Gesellschaft sein werden, die nicht mehr den Schutz einer Profession haben. Wir können uns glücklich schätzen, wenn es dabei so ausgeht, dass wir nicht wie die amerikanischen Ärzte in hohe Abhängigkeit von den jeweilig bezahlenden Geldgebern geraten und nur das machen können, was die Geldgeber von uns verlangen. Vielleicht ist noch zu erreichen, dass wir - wie in den westeuropäischen Ländern um uns herum - als Ärzteschaft wichtiger Gesprächspartner bleiben, aber eingeordnet, gleichberechtigt zu vielen anderen Berufsgruppen sind. Um dies zu erreichen, braucht es einen Rest von professionellem Auftreten mit professioneller Ethik im Hintergrund. Dieser Rest ist noch da, hieraus müssen wir etwas machen.

Univ. Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin Heinrich-Heine-Universität

Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf