ZFA (Stuttgart) 2003; 79(12): 591-595
DOI: 10.1055/s-2003-816017
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Warum machen deutsche Allgemeinärzte so wenig Früherkennung? - Analyse einer Fokusgruppe

Why are German Screening Rates so much lower than in other European countries. Analysis of an Fokus GroupGregor Fisseni, Annette Golücke, Heinz-Harald Abholz
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Publication Date:
12 January 2004 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland wird deutlich weniger Früherkennung betrieben als in anderen europäischen Ländern. Umso erstaunlicher ist dies angesichts der extrabudgetären und relativ guten Honorierung.

Fragestellung: Warum machen deutsche Allgemeinärzte so wenig Früherkennung?

Methode: Eine Fokusgruppe von acht Hausärzten diskutierte diese Frage. Das Transkript dieser Diskussion wurde durch drei Allgemeinärzte mittels »Qualitativer Inhaltsanalyse« nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Als implizites Ergebnis wurde die Tatsache gewertet, dass die vorgegebene Thematik »Früherkennung« zunächst komplett umgangen wurde und statt dessen etwa 2/3 der Zeit über »individualisierte Primärprävention« diskutiert wurde.

Als explizites Ergebnis fanden wir die folgenden drei Hauptkategorien:

  • Glaube an individualisierte Prävention

  • Skepsis bezüglich der Effektivität der Früherkennungsprogramme

  • Patientenabhängige Einflussgrößen.

Die erste Hauptkategorie dominierte klar die Diskussion und konnte in vier Unterkategorien ausdifferenziert werden:

Schlussfolgerung: Die individualisierte Patientenversorgung hat für deutsche Hausärzte einen so zentralen Stellenwert, dass sie auch »Früherkennung« individualisiert - und nicht nach Programmen - betreiben.

Summary

Background: In Germany screening rates are lower than in other European countries. This is even more surprising as screening is well paid on a fee-for-service basis.

Objective: Why do German GPs abstain from screening their patients?

Method: A focus group of eight German GPs discussed the above question. The discussion transcript was analysed by three GPs using the »qualitative content analysis« approach by Mayring.

Results: During the discussion »individualised prevention« took the place of »screening«. We rated this finding as an implicit result. As explicit results we found three main categories:

  • Belief in individualised prevention

  • Scepticism about the effectiveness of screening programmes

  • Patient variables

The first category clearly dominated the discussion. We could differentiate it into four subcategories.

Conclusion: German GPs strongly believe in »individualised doctoring«, even when screening - they ignore the public health approach.

Literatur

  • 1 Altenhofen L., Brenner G, Reuter P, Stahl V, Topliceanu C. Krankheitsfrüherkennung Krebs - Männer und Frauen. Teilnahmeschätzung für das Jahr 2003.  Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung, Köln. 2003; 
  • 2 Monitoring der Gesundheitsuntersuchung gem § 25 SGB V - Auswertung der Berichtsvordrucke des Jahres 1999.  Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung, Köln. 2001; 
  • 3 Schaeffer D, Müller-Mundt G. Qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung. 1. Auflage.  Verlag Hans Huber, Bern. 2002; 
  • 4 Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. 6. Auflage.  Deutscher Studienverlag, Weinheim. 1997; 
  • 5 Abholz -H. H.. Bewertung von Krankheitsfrüherkennung und Primärprävention Teil 1: »Krankheitsfrüherkennung«.  In: Allhoff, P. G., J. Leidel, G. Ollenschläger, H.-P. Voigt: Präventivmedizin Praxis-Methoden-Arbeitshilfen.  Springer Loseblatt, Springer, Heidelberg. 1999; 

Gregor Fisseni

Facharzt für Allgemeinmedizin

Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5, Geb. 14.97, D-40225 Düsseldorf



Zur Person

Gregor Fisseni

Facharzt für Allgemeinmedizin, Jahrgang 1970, Medizinstudium in Homburg/Saar, Rennes, New Orleans und Strasbourg. Von 1998 bis 2003 Weiterbildung zum Allgemeinarzt in Innere/Gastroenterologie, Chirurgie/ Traumatologie, Allgemeinmedizin, NHV und Akupunktur. Seit 2000 in Weiterbildung zum tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapeuten. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Düsseldorf seit Frühjahr 2003. Arbeitsschwerpunkte: Hausärztliche Entscheidungsfindung, Fehlerentstehung und -vermeidung, Früherkennung. Teilnehmer des Professionalisierungskurses III der DEGAM (2003-2005).