Beginnen wir unsere Geschichte von ihrem Ende her. Das dermatologische Phänomen, um das es im vorliegenden Beitrag gehen soll, wurde von dem Budapester Hautarzt Ernst Ludwig Schwimmer (1837 - 1898) im Jahre 1888 in der Real-Encyclopädie der gesamten Heilkunde folgendermaßen charakterisiert: „Plica polonica, s. Trichoma s. Lues sarmatica, der Weichsel- oder Wichtelzopf, ist die Bezeichnung für jene unentwirrbare Verschlingung und Verfilzung der Kopfhaare, welche in früheren Jahren, namentlich in Polen, an der Ufern der Weichsel (Vistula), sowie in Russland als eine endemische Krankheitsform betrachtet wurde. Es sind kaum einige Decennien, dass man die Plica noch für eine eigenthümliche dyskrasische Affection hielt, theils für eine Abart der Syphilis und der Lepra, theils für eine Form der Gicht, und es erregte den Unwillen der Gelehrten, wenn sich ein vorurtheilsloser Arzt zu der Annahme verstieg, dass die Plica vielleicht nur eine locale Erkrankung der Haut darstelle. […] Die Literatur über diese Krankheitsform hat von der Zeit des 17. Jahrhunderts an bis fast in unsere Zeit hinein eine riesige Ausdehnung erlangt […] Der Culturfortschritt unseres Jahrhunderts und die aufgeklärten Anschauungen vorurtheilsloser Forscher haben das Dickicht […] gelichtet. […] Wir schließen diese kurzen Erörterungen mit dem Satze: dass die Plica keine Krankheit sei; wo eine derartige Verfilzung der Haare besteht, erforsche man die allgemeinen und localen Ursachen, die zu diesem abnormen Verhalten führen” [19].
Literatur
1 Adamowicz A F. Über die Existenz der Plica polonica. In: Noeggerath J, Kilian HF (Hrsg) Amtlicher Bericht über die drei und dreissigste Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Bonn im September 1857. Bonn; (ohne Verlag) 1859: 221-222
3 von Baerensprung F W. Beobachtungen über den „Weichselzopf”. In: Noeggerath J, Kilian HF (Hrsg) Amtlicher Bericht über die drei und dreissigste Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Bonn im September 1857. Bonn; (ohne Verlag) 1859: 221
4 Bauer A. Plica Polonica. In: Bauer A Pathologie auf den Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte von 1822 bis 1872. Die Krankheitslehre auf dem Weg zur naturwissenschaftlichen Morphologie. Medizinhistorische Habilitationsschrift. Heidelberg; Fakultät für Naturwissenschaftliche Medizin 1985: 306-311
5 Eckart W. Medizinkritik in einigen Romanen der Barockzeit - Albertinus, Grimmelshausen, Lesage, Ettner. In: Eckart W, Geyer-Kordesch J (Hrsg) Heilberufe und Kranke im 17. und 18. Jahrhundert. Die Quellen- und Forschungssituation. Münster; Burgverlag Tecklenburg 1982: 49-76
6
Eissner H.
Historische Bemerkung zur Beschreibung von Läuseeiern an Kopfhaaren beim sog. Weichselzopf.
Zeitschrift für Haut- und Geschlechtskrankheiten.
1970;
45
781-785
7 von Engelhardt D . Forschung und Fortschritt. Festschrift zum 175jährigen Jubiläum der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Stuttgart; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1997
9 Grandidier J L. Demonstration eines massenförmigen Weichselzopfes. In: Smidt, Focke GW (Hrsg) Amtlicher Bericht über die zweiundzwanzigste Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Bremen im September 1844. Zweite Abtheilung. Bremen; (ohne Verlag) 1845: 164
14 Ollenroth J. Über den Weichselzopf. In: Wendt J, Otto AW (Hrsg) Amtlicher Bericht über die Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Breslau im September 1833. Breslau; (ohne Verlag) 1834: 64
16 Querner H, Schipperges H . Wege der Naturforschung 1822 - 1972 im Spiegel der Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1972
18 Scholz A. Geschichte der Dermatologie in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Otto Braun-Falco und Erwin Schöpf. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1999
20 Wanjura A JF. Die Plica polonica als Streitobjekt in der Pathologie. In: Bley C, Rietschel, Hartig (Hrsg) Tageblatt der 42. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Dresden vom 18. bis 24. September 1868. Dresden; 1868: 10