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DOI: 10.1055/s-2005-865029
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Gegen das Vergessen - Galantamin in Retardform zugelassen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
08. März 2005 (online)
Seit Februar ist das Antidementivum Galantamin auch in einer Retardform (Reminyl® retard) zugelassen, sodass nur noch eine Einmalgabe pro Tag erforderlich ist. Prof. Alexander Kurz, München, stellte die neue Darreichungsform auf einer Pressekonferenz im Rahmen des DGPPN-Kongresses vor.
Die Evidenz der Wirksamkeit von Galantamin, wie auch von anderen Cholinesterasehemmern, ist heute klar belegt, erklärte Kurz. Galantamin weist einen dualen Wirkmechanismus auf, der nicht nur die Acetylcholinversorgung verbessert, sondern zusätzlich auch die Nikotinrezeptoren potenziert (Samochocki et al. 2000). Die kognitive Leistung der Patienten in den Studien wurde über mindestens ein Jahr im Vergleich zum Ausgangszustand verbessert, wie z.B. Raskind et al. (2000) zeigen konnten. Allgemeinzustand und Alltagskompetenz können stabilisiert werden. Die Heimeinweisung unter Galantamin (drei Jahre) verzögerte sich im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe um 64% (Feldman et al. 2004). Für die Behandlung ist aber auch entscheidend, dass der Patient das Medikament in der richtigen Dosis und Frequenz einnimmt, betonte Kurz. Vor allem bei dementen Patienten ist dies jedoch in der Regel nicht gewährleistet. Häufig werden die Medikamente unregelmäßig eingenommen oder einfach vergessen. Die Folge können Schwankungen im Plasmaspiegel sei, die häufig mit Nebenwirkungen verbunden sind. Hier könnte die neue Retardform einen Vorteil bieten. Auch die Compliance könnte durch die Einmalgabe verbessert werden. Nach Brodaty et al. 2004 ist die Compliance um so schlechter, je häufiger ein Medikament eingenommen wird.
Die neue Retardform ist hinsichtlich Wirksamkeit und Bioverfügbarkeit identisch mit dem herkömmlichen Galantamin, aber Plasmaspitzen sind geringer, fasste Kurz die vorliegenden Studienergebnisse zusammen. In einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie (Brodaty 2004) erhielten rund 1000 Patienten über sechs Monate 16 bis 24 mg Galantamin in Retardform oder herkömmliches Galantamin bzw. Plazebo. Unerwünschte Ereignisse (v.a. Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerz) traten meist während der vierwöchigen Aufdosierungsphase auf und waren unter der Retardform seltener als unter der herkömmlichen Formulierung.
Neuroprotektive Wirkung
Prof. Alfred Maelicke, Mainz, diskutierte eine mögliche Neuroprotektion. Galantamin ist nicht nur ein Cholinesterasehemmer, sondern moduliert auch die Nikotinrezeptoren und verbessert die Funktion anderer Transmittersysteme (u.a. GABA, 5HT, Dopamin). Ab, der Hauptbestandteil der Amyloidablagerungen, inhibiert die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren (nAChR) alpha7 und wirkt daher toxisch auf die Neurone. Die verlorene Plastizität durch einen Verlust nAChR kann aber möglicherweise wieder zurückgewonnen werden. Galantamin verstärkt die nACh-Aktivierung und wirkt damit dem nAChR-Verlust entgegen. Außerdem erhöht Galantamin die Expression antiapoptotischer Proteine. Im Tierversuch konnte bereits gezeigt werden, dass Nikotin und Galantamin neuroprotektiv wirken. Möglicherweise ist dies auch beim Menschen der Fall. Zumindest konnten Mielke et al. (2002) bereits einen positiven Effekt auf die zerebrale Glukosenutzung nachweisen.