Aktuelle Neurologie 2006; 33(1): 28-43
DOI: 10.1055/s-2005-867029
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der medikamenteninduzierte Kopfschmerz

Headaches Associated with Acute and Chronic Medication UseZ.  Katsarava1 , T.  Bartsch2 , H.-C.  Diener1
  • 1Klinik für Neurologie der Universität Essen
  • 2Klinik für Neurologie der Universität Kiel, Neurozentrum
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. Januar 2006 (online)

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Einführung

Kopfschmerzen sind eine der häufigsten Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie. Eine Suche innerhalb der „Roten Liste” unter Eingabe von „Kopfschmerzen” als „Nebenwirkung” ergibt die Auflistung von über 1000 Medikamenten, bei denen akute oder verzögerte Kopfschmerzen nach Medikamenteneinnahme auftreten können. Jedoch gibt es im Gegensatz zu den chronischen (medikamenteninduzierten) Kopfschmerzen kaum epidemiologische Daten zur Inzidenz der akuten Kopfschmerzen [1]. Streng genommen sollten Kopfschmerzen als echte Nebenwirkung nur nach einer Überprüfung innerhalb einer doppelblinden Studie betrachtet werden, da z. B. die Einnahme eines Plazebos ebenfalls Kopfschmerzen auslösen kann [2]. Die experimentelle Überprüfung hat darüber hinaus den Vorteil, dass sie Hinweise auf die pharmakologischen oder physiologischen Mechanismen liefern kann; ein Beispiel hierzu ist die Rolle von Stickoxiddonatoren in der Migränepathophysiologie [3]. Zu beachten ist ebenso, dass das Auftreten von Kopfschmerzen nach einer Medikamenteneinnahme nicht davon entbindet, nach anderen Ursachen der Kopfschmerzen zu suchen; letztlich kann die Assoziation von Medikation und Kopfschmerzen aufgrund der hohen Prävalenz von Kopfschmerzen als Zufallsphänomen auftreten oder sie sind Symptom der Grunderkrankung und nicht Ausdruck einer Medikamentenwirkung [4].

Klassifikation der medikamenteninduzierten Kopfschmerzen

Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) unterscheidet einen durch die akute Medikamenteneinnahme bzw. Substanzeinnahme induzierten Kopfschmerz und einen chronischen durch regelmäßige Schmerzmitteleinnahme (Übergebrauch) induzierten Kopfschmerz [5]. Bei akuten medikamenteninduzierten Kopfschmerzen werden verschiedene Zeitgänge des Auftretens von Kopfschmerzen in akut und verzögert unterschieden (Tab. [1]). Bestimmte Medikamentenklassen werden dabei aufgrund ihres Mechanismus, der Häufigkeit oder der Kopfschmerzcharakteristika besonders hervorgehoben (Stickoxid[NO]-Donatoren [6], Phosphodiesterase[PDE]-Hemmer [7] [8], Calcitonin-Gene-Related Peptide [CGRP] [9], exogene Hormone [10]). Kopfschmerzen nach Exposition durch toxische Substanzen (z. B. Alkohol, Kohlenmonoxid), Nahrungsbestandteile und -zusätze (Natriumglutamat, Alkohol, Koffein) oder Drogen und andere Substanzen (Kokain, Cannabis, Arsen, Chlor, Jod, Lithium, Quecksilber) werden hier nicht behandelt.