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DOI: 10.1055/s-2005-870197
Der Säure-Basen-Haushalt
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
08. August 2005 (online)


Kernaussagen
Die Aufgabe des Säure-Basen-Haushalts besteht unter anderem in der Entsorgung der am Ende des Stoffwechsels entstehenden flüchtigen Säure CO2 und fixen Säure H+. Ziel ist die Isohydrie mit einem konstanten extrazellulären pH von 7,40.
In dem Drei-Organ-Modell des Säure-Basen-Haushalts ist die Lunge für den respiratorischen Schenkel (CO2-Entsorgung), Leber und Niere für den metabolischen Schenkel (H+- und Bicarbonat -Stoffwechsel) verantwortlich.
Neben der Niere spielt insbesondere die Leber eine besondere Rolle im metabolischen Schenkel des Säure-Basen-Haushalts durch den Verbrauch von Bicarbonat bei der Harnstoffsynthese sowie der Entsorgung von H+ und Generierung von Bicarbonat bei der Metabolisierung von Anionen wie Lactat.
Die besondere Effektivität des extrazellulären Bicarbonat-Kohlendioxid-Puffersystems erklärt sich hierbei durch die Aufrechterhaltung eines Bicarbonat-CO2-Ungleichgewichtes von 20 : 1 durch die permanente CO2-Abatmung der Lunge. Dies erklärt auch die Fähigkeit des Körpers Störungen des metabolischen Schenkels schnell über die Lunge zu kompensieren, respiratorische Störungen hingegen nur langsam durch Niere und Leber.
Ein Überschuss an Säure im Blut mit einem pH-Wert von unter 7,35 (Azidämie) wird als Azidose bezeichnet, ein Überschuss an Base mit einem pH-Wert von über 7,45 (Alkaliämie) als Alkalose. Eine respiratorische Störung wird anhand des pCO2-Wertes, eine metabolischen Störung anhand des BE-Wertes. Die Bicarbonatkonzentration alleine eignet sich nur bedingt zur Beurteilung einer metabolischen Störung des Säure-Basen-Haushalts, da auch CO2 blutchemisch gebunden als Bicarbonat zur Lunge transportiert wird.
Während Störungen des respiratorischen Schenkels des Säure-Basen-Haushalts intensivmedizinisch relativ einfach zu therapieren sind, erfordern Störungen des metabolischen Schenkels ein differenzierteres Vorgehen. Ursache metabolischer Azidosen (pH < 7,35; BE < -2 mmol/L; cHCO3 -< 22 mmol/L) sind Additionsazidosen (z. B. Ketoazidose, Lactazidose, Schock), Retentionsazidose (z. B. Nierenversagen) oder Subtraktionsazidosen (Bicarbonatverlust, z. B. Diarrhöe). Intensivmedizinisch von besonderer Bedeutung ist die Lactazidose (Lactat > 5 mmol/L; pH < 7,35; BE < -2 mmol/L) aufgrund einer Hypoxie. Lactat ist jedoch kein universeller Hypoxiemarker, so dass die Ursachen einer Hyperlactatämie (Lactat > 2 mmol/L) vielfältig sind. Neben einer verstärkten Lactatproduktion durch einen gesteigerten Glucosestoffwechsel (z. B. Adrenalingabe, Schock, Sepsis) sind auch Störungen des Lactatabbaus (z. B. Leberversagen, Sepsis, Alkoholabusus) zu berücksichtigen.
Metabolische Azidosen werden immer primär kausal (Schocktherapie, Insulintherapie e. t. c.). Die Behandlung kann durch eine differenzierte Bicarbonatgabe ergänzt werden. Es gilt jedoch zwingend eine Überkorrektur mit Alkalose und den Folgen Hyoventilation, verminderter O2-Abgabe und Hypocalciämie zu vermeiden.
Weitere, intensivmedizinisch häufige Ursachen für die metabolische Alkalose (pH > 7,45; BE >+ 2 mmol/L; cHCO3 - > 26 mmol/L) sind Diuretikatherapie mit Kaliummangel, Verlust von Magensaft und die übermäßige Gabe von Mineralocorticoiden. Neben der Kausaltherapie ist zumeist die zusätzliche Gabe von NaCl 0,9 %-Infusionen und ein Ausgleich der Hypokaliämie erfolgreich.